Noch ist offen, welchen Stellenwert die Gesundheitspolitik in den anstehenden Koalitionsverhandlungen einnehmen wird. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger jedenfalls besteht im Gesundheitswesen großer Handlungsbedarf. Das geht aus einer aktuellen Online-Befragung hervor, die das Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der AOK unter rund 10.000 Bundesbürgern ab 18 Jahren durchgeführt hat.

Danach fordern knapp 57 Prozent der Befragten eine bessere personelle Ausstattung des Gesundheitswesens. 37,5 Prozent nannten als vorrangige Themen eine gerechte Finanzierung und stabile Beiträge. Etwa ein Drittel der Teilnehmer wünschte sich Verbesserungen bei der Versorgung durch Praxen und Krankenhäuser. Knapp 30 Prozent verwiesen auf deutlichen Handlungsbedarf bei der Digitalisierung und 25,5 Prozent wünschten sich eine generell bessere finanzielle Ausstattung des Gesundheitswesens.

„Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, wo im Gesundheitswesen der Schuh drückt und welche Dinge jetzt Vorrang haben müssen“, kommentiert Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, die Befragungsergebnisse. „Die Gesundheitspolitik muss bei den Koalitionsverhandlungen eine Hauptrolle spielen. Überfällige Reformen dürfen nicht wieder aufgeschoben werden oder zur bloßen Verhandlungsmasse abgewertet werden.“ Im Sondierungspapier von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP sei zwar die Weiterentwicklung von Krankenhausfinanzierung und sektorunabhängiger Kooperation genannt, andere wichtige Punkte wie GKV-Finanzierung, Pflege oder die Reform der Krankenhausstrukturen seien nicht erwähnt, so Litsch.

Dabei gehe es jetzt darum „schleunigst für mehr Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung“ zu sorgen, den qualitätsorientierten Umbau der Krankenhausstrukturen zu forcieren und einen passenden Rahmen für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten zu schaffen, betont Litsch. Diese Forderungen sieht er durch die aktuelle Befragung untermauert: 85,7 Prozent der Befragten bejahten die Frage, ob die Politik dafür sorgen müsse, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stabil zu halten. Und nach den wichtigsten Aspekten bei der persönlichen Gesundheitsversorgung befragt, sehen 42,4 Prozent der Befragten die hohe Qualität der Versorgung ganz vorne. Danach folgen mit etwas Abstand der schnelle Zugang zur Versorgung (19,3 Prozent) sowie stabile und bezahlbare Beiträge (16,7 Prozent).

Offenbar erlebt die Bevölkerung auch die Zusammenarbeit zwischen der ambulanten und stationären Versorgung als Problem. Gefragt nach den größten Hindernissen für ein besseres Gesundheitssystem, wird die mangelnde Koordination der Akteure an zweiter Stelle genannt (42,3 Prozent) – hinter zu wenig qualifiziertem Personal (48,9 Prozent), aber noch vor fehlenden finanziellen Mitteln (41,2 Prozent), fehlender Transparenz der Behandlungsqualität (32,9 Prozent) oder zu wenig Zugang zu Spitzenmedizin und Forschung (21,6 Prozent).

Die weiterführende Frage, wie die Abstimmung zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Pflege-/Reha-Anbietern aus ihrer Sicht funktioniere, beantworten weit über die Hälfte der Befragten mit „schlecht bis eher schlecht“ (53,5 Prozent). 27,1 Prozent zeigten sich unentschieden, nur 19,4 Prozent bezeichneten die Zusammenarbeit als gut. Als Gründe für schlechte Abstimmung zwischen den beiden Sektoren wurden fehlende digitaler Vernetzung (55,7 Prozent), zu wenig fachlicher Austausch (50,2 Prozent), finanzieller Interessen (49,5 Prozent), zu wenig Zeit (43,7 Prozent) und räumliche Trennung (15,5 Prozent) genannt.

Große Zustimmung erzielte die Aussage „Der Wettbewerb der Krankenkassen muss auf gute Versorgung ausgerichtet werden statt auf einen günstigen Preis“. 79,85 Prozent stimmten dem „eindeutig bis eher“ zu. Nur 12,6 Prozent waren bei diesem Thema unentschieden, 7,6 Prozent lehnten die Aussage „eindeutig oder eher“ ab. Bei der Frage „Was wäre Ihnen bei der Auswahl eines Krankenhauses wichtiger: Dass es auf die für Sie wichtige OP spezialisiert ist, oder, dass das Krankenhaus in der Nähe ist?“ votierten 78,1 Prozent „eindeutig“ oder „eher“ für die Spezialisierung, nur 13,4 Prozent „eindeutig“ oder „eher“ für Nähe.

„Heute ist für Patienten und Versicherte nicht immer sichergestellt, dass sie mit ihrem Anliegen an die richtigen Ansprechpartner weitergeleitet werden. Schlecht abgestimmte Versorgungsprozesse, Informationsbrüche zwischen Leistungserbringern und Qualitätsrisiken durch mangelnde Spezialisierung gefährden die medizinische Versorgung“, so AOK-Vorstandschef Martin Litsch. „Zukunftsfeste Gesundheitsversorgung muss sich deshalb stärker am Patienten- und Versichertenbedarf vor Ort ausrichten und Sektorengrenzen überwinden. Das wäre ein großer Schritt hin zu mehr Versorgungsqualität in Deutschland.“

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