Selbst wenn es von der Gesellschaft kaum wahrgenommen werde, sei es kein Randphänomen, sagt Kathrin Hüster. Die ehemalige Pflegekraft hat die Umfrage initiiert. "Fast jeder erlebt das. Ich habe schon in der Ausbildung Gewalt erfahren, sie hatte ihren Höhepunkt, als mir ein Skalpell im Oberschenkel steckte", sagt Hüster. Die Ursachen sind demnach vielfältig. Alkohol, Drogen, Demenz, aber auch einfach lange Wartezeiten können zu Übergriffen auf Pflegekräfte führen.
Die Gewerkschaft ver.di fordert mehr Unterstützung der Arbeitgeber für die Betroffenen. "Es braucht in jeder Einrichtung eine wirksame Gewaltprävention", sagt Grit Genster, bei ver.di zuständig für Gesundheitspolitik. Von den Kliniken und Pflegeheimen fordert sie "Schulungen und bauliche Maßnahmen, insbesondere übersichtliche Stationsgrößen" und vernünftige Notfallsysteme. Auch sei es wichtig, dass es eine psychische Nachbetreuung der Beschäftigten gibt, wenn ihnen etwas passiert ist.
Das aber tun viele Kliniken nicht, kritisiert Martina Hasseler, Pflegewissenschaftlerin an der Hochschule Ostwestfalia: “Aus meiner Sicht haben viele Arbeitgeber einfach gar nicht das Verständnis dafür, dass sie eine Fürsorgepflicht haben gegenüber den Pflegeberufen. Viele Kliniken behandeln Gewalt gegen Pflegefachpersonen als Tabuthema, weil sie nach meiner Auffassung Angst haben um ihren Ruf.” Sie fordert Politik und Krankenhäuser dazu auf, Pflegekräfte insgesamt besser zu schützen.
Doch es ist nicht einmal klar, wie viele Einrichtungen betroffen sind und wie diese damit umgehen. Amtliche Statistiken zur Gewalt in Kliniken und Pflegeeinrichtungen gibt es nicht. Ein bundesweites Melderegister fehlt und weder die Deutsche Krankenhausgesellschaft, noch die Krankenkassen oder die Träger von Einrichtungen erfassen Zahlen dazu, wie Anfragen von ZEIT ONLINE und REPORT MAINZ zeigen. Genster hält das für einen Teil des Problems. Durch die fehlende systematische Erfassung gebe es kaum Daten, “um der Politik aufzuzeigen, wie groß der Handlungsbedarf tatsächlich ist”.
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