Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme zum neunten Staatenbericht zur UN-Frauenrechtskonvention der Bundesrepublik Deutschland die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Gleichstellung deutlich kritisiert. „Im Ergebnis hat die Bundesregierung in ihrem Bericht viele Fragen des Ausschusses unzureichend beantwortet.“, fasst die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig zusammen. „Die Stellungnahme des djb macht auf signifikante Umsetzungslücken von CEDAW in Deutschland aufmerksam. Es wird deutlich, dass die Bundesregierung gerade in den Bereichen keine ausreichenden Maßnahmen getroffen hat, die bereits in den vorherigen Staatenberichtsverfahren durch den Ausschuss kritisiert worden waren. Ein Beispiel ist die Gewährleistung des Zugangs zu sichereren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen. Wir erwarten im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl und die neue Regierungsbildung, dass der Umsetzung der Konvention, der Gleichberechtigung von Frauen und ihren Menschenrechten Priorität eingeräumt werden.“

Die Stellungnahme des djb bewertet die Antworten der Bundesregierung und ihre zur Umsetzung der Konvention ergriffenen Maßnahmen am Maßstab der vom Ausschuss gestellten Fragen („List of Issues“) und formuliert Forderungen, wie die Umsetzung von CEDAW voranzubringen ist.

Dringender Handlungsbedarf besteht nach Auffassung des djb nach wie vor in folgenden Bereichen: Repräsentation von Frauen in Parlamenten und politischen Entscheidungen, geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen, Schwangerschaftsabbruch, umfassender Schutz von geflüchteten Frauen, Beschäftigung und Arbeitsleben sowie Steuerrecht. In diesem Zusammenhang fordert der djb insbesondere: das Ergreifen von Maßnahmen, die auf allen Ebenen politischer Repräsentation auch faktisch die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen sicherstellen; die verpflichtende Teilnahme an Fortbildungen zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt für Richter*innen, Staatsanwält*innen sowie Polizeikräfte; die Abschaffung der Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch sowie die Abschaffung des § 219a StGB; das Ergreifen konkreter Maßnahmen, um die Geschlechtersegregation des Arbeitsmarktes in Deutschland zu beseitigen und die Diskriminierung von Frauen mit Behinderungen, Frauen mit Migrationsgeschichte und muslimischen Frauen zu beenden sowie Sicherstellung eines umfassenden Gewaltschutzes, unabhängig von einem Aufenthaltsstatus.

Hintergrund

Als wichtigster internationaler Vertrag über die Menschenrechte von Frauen verpflichtet die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW (Convention on the Elimination of Discrimination against Women) Deutschland zur rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen. Das Übereinkommen hat in Deutschland den Rang eines Bundesgesetzes. Gesetzgebung, Regierungen, Verwaltungen und Gerichte in Bund und Ländern dürfen daher nicht gegen CEDAW verstoßen. Deutschland ist zudem verpflichtet, aktiv die tatsächliche Gleichheit aller Frauen in der Gesellschaft zu erreichen und jegliche Form der Diskriminierung von Frauen auch durch Unternehmen und Privatpersonen zu beseitigen. Die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention in den Vertragsstaaten wird durch den aus unabhängigen Expert*innen bestehenden CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen (UN-Frauenrechtsausschuss) regelmäßig kontrolliert. Deutschland befindet sich aktuell im neunten Berichtsverfahren. Im Verfahren erstellen die Staaten Umsetzungsberichte und die Zivilgesellschaft kann Parallelberichte einreichen.

Der djb beteiligt sich seit vielen Jahren an den Prüfverfahren mit eigenen Stellungnahmen und Berichten. Der djb hatte im März 2020 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, als zivilgesellschaftliche Organisation Vorschläge zur sog. List of Issues prior to reporting (LoIPR) an den CEDAW-Ausschuss zu richten und den Ausschuss auf Bereiche mit schwerwiegenden Umsetzungslücken im Vertragsstaat aufmerksam zu machen. Nach dem neuen, vereinfachten Berichtsverfahren sendet der Ausschuss dem Staat eine Liste von Fragen zu (List of Issues Prior to Reporting – LoIPR), deren Beantwortung der Regierung obliegt und damit die Grundlage für den Staatenbericht bildet. Der Ausschuss hat der Bunderegierung daraufhin einen Fragenkatalog gesendet, auf den die Bundesregierung in Gestalt ihres Staatenberichts im Sommer 2021 reagiert hat.

Nun liegt es am UN-Frauenrechtsausschuss, den Bericht zu überprüfen und seine abschließenden Bemerkungen (Concluding Observations) zu veröffentlichen. Darin wird der Ausschuss seine wichtigsten Kritikpunkte zusammenfassen und Empfehlungen für eine bessere Umsetzung von CEDAW in Deutschland formulieren.

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