Eine Anwendung des naturwissenschaftlichen Prinzips der Diffusion auf die Gesellschaft mündet für Benjamin Unterluggauer in der Erkenntnis, dass die stetige Anpassungsfähigkeit eine Notwendigkeit ist. Sein Interesse gilt vor allem dem unscharfen Feld, das er zwischen Diffusion und Anpassung als Fuzziness ausmacht. Mit dem Titel seiner Arbeit Fuzziness: Diffusion – Adaption verweist er auf diese Unschärfen und Auflösungserscheinungen, die für ihn einen wichtigen Aspekt in der gestalterischen Tätigkeit darstellen. Als eines seiner zentralen Forschungsthemen spielt das Element Luft nicht nur bei der Entwicklung von Produkten eine wichtige Rolle. Dank seiner Flüchtigkeit und Formbarkeit repräsentiert es auch das Phänomen der Fuzziness in Unterluggauers Arbeit.
Fuzziness bestimmt für den Designer jedoch nicht nur den Produktionsprozess und die Objekte, sondern auch die Gattungs- und Materialgrenzen im zeitgenössischen Design und in der Arbeitsweise von Gestalter*innen. Diese inhaltliche Ebene der Ausstellung verhandelt sehr konkrete Design-Fragen unserer Gegenwart: Welchen Bedingungen muss gutes Design heute genügen? Welchen Zugkräften zwischen Diffusion und Adaption ist modernes Design ausgesetzt? Und inwieweit verändern diese Prozesse auch das berufliche Selbstverständnis der Gestalter*innen und Designer*innen?
Neben der Entwicklung potentieller Produkte und der Dokumentation von zeitgenössischer Designtätigkeit will Benjamin Unterluggauer auch eine Diskussion über unsere hyperinflationäre Warenkultur anstoßen. Die Funktionalität von Produkten wird zunehmend von Bedeutungsebenen überlagert, die die Objekte zu Medien für Marketingstrategien macht. Benjamin Unterluggauer will diesen Deutungsmechanismus aufbrechen und am Beispiel des Materials Plastik den Blick von der Vergänglichkeit des vermeintlich wertlosen Wegwerfproduktes Plastiktüte hin zu Beständigkeit des Materials lenken, aus dem immer wieder neue Produkte entstehen können. Hier sieht er auch die Gestaltenden in der Verantwortung, Produkte zu entwickeln und unter äußerst ressourcenschonenden Bedingungen herzustellen und zu vertreiben.
Mit dem Fonds für Junges Design erhalten Nachwuchstalente aus gestalterischen Disziplinen wie Produktdesign, Modedesign oder Grafikdesign die Möglichkeit, sich mit der Sammlung des MK&G auseinanderzusetzen. Im Rahmen einer sechsmonatigen Residenz können sie die Objekte als Inspirationsquelle entdecken, die Expertise der Kurator*innen einholen und neue Materialien und Techniken kennen lernen. Ziel ist es, eine oder mehrere Arbeiten zu schaffen, die in das Eigentum der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen übergehen und als Dauerleihgabe in die Sammlung des MK&G überlassen werden. Der Fonds für Junges Design wird regelmäßig halbjährlich vergeben und trägt zur finanziellen und ideellen Förderung junger Designer*innen bei. Mit dem Erwerb der Arbeiten durch die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen kann das MK&G seine Sammlung mit zeitgenössischen Werken ausbauen und stärken.
Benjamin Unterluggauer (geb. 1989 in München) absolvierte 2019 seinen Bachelor in Industriedesign an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel, Deutschland, und ist seit 2017 Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Er lebt in Kiel, arbeitet seit 2010 als selbstständiger Designer, unter anderem im Bereich der Web-Programmierung, und gründete 2020 sein Designstudio MOKIT. 2016 wurde er mit dem Designpreis der IKEA Stiftung ausgezeichnet. Er stellte unter anderem in Mailand und auf der Vienna Design Week in Wien aus. Von April 2021 bis September 2021 lebte und arbeitete er als Resident am MK&G. Benjamin Unterluggauer versteht seine Arbeit im Kontext des Open Design, das selbstbestimmte (Herstellungs-)Prozesse wie etwa Rapid Prototyping, quelloffenes Arbeiten und eine bedachte Einstellung der Gestaltenden in den Mittelpunkt stellt.
Die Videoinstallation entwickelte Benjamin Unterluggauer in Zusammenarbeit mit dem Kommunikationsdesigner Joscha Brüning.
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