Sportvereine, freiwillige Feuerwehr oder Flüchtlingshilfe – besonders in ländlichen Regionen mit eingeschränkter staatlicher Daseinsvorsorge geht es kaum ohne den Einsatz Freiwilliger. In ländlichen Räumen sind es mehr Männer als Frauen und mehr Erwerbstätige als Nicht-Erwerbstätige, die sich engagieren – dies ist ein zentrales Ergebnis der Studie der Wissenschaftlerinnen Luise Burkhardt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Tuuli-Marja Kleiner vom Thünen-Institut. Es zeigt sich auch, dass sich Ehrenamtliche am häufigsten in sehr ländlichen Regionen mit guter sozioökonomischer Lage einbringen. „In strukturschwachen ländlichen Gebieten gibt es hingegen dringenden Aufholbedarf“, sagt Studienautorin Burkhardt. „Abwanderung, Überalterung sowie mangelnde öffentliche Dienstleistungen und Digitalisierung lasten schwer, so dass hier das ehrenamtliche Engagement besonders gefördert werden müsste.“
Männer ehrenamtlich aktiver – Unterschiede nach Regionen
Differenziert nach Geschlechtern fällt auf, dass sich mit einem Anteil von 33 Prozent im Durchschnitt mehr Männer als Frauen (30 Prozent) ehrenamtlich engagieren. Allerdings sind dabei die Geschlechterunterschiede in einigen ländlichen Regionen größer als in anderen. Mit 9,4 Prozentpunkten sind sie in den sehr ländlichen sozioökonomisch prosperierenden Regionen am deutlichsten, während sie in nichtländlichen Regionen kaum noch vorhanden sind. Eine Ursache für das unterschiedliche Engagement könnte sein, dass Frauen im sehr ländlichen Raum noch vermehrt traditionell interpretierte Rollenmuster leben, mehr in Kinderbetreuung und Hausarbeit eingebunden sind und schlechteren Zugang zu einem ehrenamtlichen Engagement haben.
Auch Erwerbstätigkeit ist ein wichtiger Faktor für freiwilliges Engagement. Menschen, die einer geregelten Arbeit nachgehen, sind in allen ländlichen Raumtypen deutlich engagierter als Nicht-Erwerbstätige. „Dies liegt vermutlich daran, dass Erwerbstätige über die notwendigen Fähigkeiten und materielle Ressourcen verfügen und über ihre beruflichen Netzwerke für freiwillige Tätigkeiten angeworben werden“, erklärt Studienautorin Kleiner. Arbeitslose hingegen zögen sich eher aus dem sozialen Leben zurück und reduzierten damit auch Möglichkeiten zum ehrenamtlichen Engagement.
„In strukturschwachen ländlichen Gebieten gibt es dringenden Aufholbedarf beim ehrenamtlichen Engagement“ Luise Burkhardt, Studienautorin
Stärkstes Engagement in prosperierenden Regionen
Die Untersuchung zeigt weiter, dass der Anteil ehrenamtlich Engagierter in allen ländlichen Raumtypen gestiegen ist, am meisten in den sozioökonomisch schwächeren Regionen. Dennoch gibt es in den prosperierenden Gegenden noch immer einen vergleichsweise hohen Anteil an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Dabei ist das Engagement bei vergleichbarer soziökonomischer Lage umso größer, je ländlicher die Region ist.
Hintergrund: Was wurde untersucht?
In der Studie werden Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zum Ehrenamt mit der Typisierung ländlicher Räume des Thünen-Instituts zusammengeführt und analysiert. Untersucht wird der Zeitraum von Beginn der 2000er Jahre bis 2017. Das Thünen-Institut unterscheidet mehrere Raumtypen, die sich durch den Grad an „Ländlichkeit“ und die sozioökonomischen Voraussetzungen voneinander abgrenzen. Für die „Ländlichkeit“ sind etwa die Siedlungsdichte und der Anteil an land- und forstwirtschaftlicher Fläche ausschlaggebend. Sozioökonomische Faktoren sind etwa Einkommen, Gesundheit, Bildung und Arbeitslosigkeit.
Die Forscherinnen sehen als eine mögliche Ursache, dass stark ländliche Räume durch ein traditionell gewachsenes Gemeinschaftsgefühl geprägt sind. Ein weiterer Befund ist, dass das ehrenamtliche Engagement in ostdeutschen Regionen bei ähnlichen sozioökonomischen Voraussetzungen geringer ist als in westdeutschen – vermutlich eine Folge der historischen und kulturellen Entwicklung.
Um Engpässe in der Daseinsvorsorge zu überbrücken, sollte die Politik besonders strukturschwache ländliche Räume fördern, empfehlen die Wissenschaftlerinnen. Ziel müsse sein, allen gesellschaftlichen Gruppen Zugang zu ehrenamtlichen Tätigkeiten zu ermöglichen. Wichtig dabei sei es, Strukturen zu schaffen, über die tradierte stereotype Rollenmuster abgebaut und Vorurteilen gegenüber sozial Schwächeren entgegengewirkt werden
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