Jedes Jahr erwerben bis zu 600.000 Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern eine sogenannte nosokomiale Infektion. Bis zu 15.000 Betroffene sterben an einer solchen Krankenhausinfektion. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich diese Situation verschärft. Bis Ende des Jahres 2020 gab es deutschlandweit etwa 34.000 zusätzlich Infizierte und bis zu 1.300 weitere Todesfälle aufgrund einer nosokomialen Infektion. Das geht aus dem neuen BARMER-Krankenhausreport hervor, der heute in Berlin vorgestellt wurde. „Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass die Zahl der nosokomialen Infektionen während der Pandemie und den damit verbundenen strengen Hygienevorschriften zugenommen hat. Doch gerade während der ersten Welle lagen vor allem ältere Menschen auf den Stationen, die deutlich anfälliger für Infektionen sind. Hinzu kommt die hohe Arbeitsbelastung für das Klinikpersonal, dem es besonders in der ersten Welle mitunter auch an Schutzausrüstung mangelte“, sagte der BARMER-Vorstandsvorsitzende, Prof. Dr. med. Christoph Straub. Aufgrund der anhaltenden Brisanz müsse das Thema Krankenhaushygiene ein nationales Gesundheitsziel werden. Ausgangspunkt zur Bekämpfung des Problems sei zunächst aber die Schaffung einer sehr guten Datengrundlage.

Hygienestandards während der Pandemie nicht komplett einhaltbar

Die benannten Hygienedefizite in Krankenhäusern seien keine Kritik am Pflegepersonal oder an den Ärztinnen und Ärzten, so BARMER-Chef Straub weiter. Sie leisteten Enormes, das hätten sie in der Corona-Pandemie erneut unter Beweis gestellt. „Das Krankenhauspersonal war während der Corona-Pandemie offenbar so belastet, dass es die hohen erforderlichen Hygienestandards nicht immer vollständig einhalten konnte. Dabei ist das gerade in Pandemiezeiten ein extrem wichtiger Aspekt, der über Leben und Tod entscheiden kann“, sagte Prof. Dr. Boris Augurzky, Autor des Krankenhausreports und Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen mit Blick auf den Krankenhausreport.

Deutlicher Anstieg der im Krankenhaus erworbenen Infektionen

Wie aus dem BARMER-Report weiter hervorgeht, kam es in den Jahren 2017 bis 2019 durchschnittlich in rund 5,6 Prozent der Fälle zu einer nosokomialen Infektion. Dies geht aus einer Stichprobe von fünf Millionen Fällen hervor. Unmittelbar zu Beginn der Pandemie stieg dieser Wert auf 6,8 Prozent an, was einem Zuwachs von über 20 Prozent binnen weniger Wochen entspricht. „Dass die Zahl der Krankenhausinfektionen während der Pandemie gestiegen ist, kann neben der veränderten Patientenstruktur und vulnerablen Fällen auch auf die erhöhte Arbeitsbelastung in Kliniken und Personalausfälle zurückgeführt werden“, sagte Augurzky. Denn auch wenn man die veränderte Patientenstruktur in den Berechnungen gesondert durch Adjustierung berücksichtige, zeige sich weiterhin ein Anstieg des Infektionsgeschehens um fast zehn Prozent in der ersten Pandemiewelle und um 17,5 Prozent in der zweiten Welle bis Ende des vergangenen Jahres. Nicht nur aus Sicht der Patientinnen und Patienten müsse alles getan werden, um diese Infektionen zu verhindern. Denn deren Behandlung sei mit jährlich rund 1,5 Milliarden Euro an Zusatzkosten extrem teuer für die Versichertengemeinschaft.

Masterplan für mehr Hygiene setzt auf Standards und Kontrolle

Um das Problem der Krankenhausinfektionen in den Griff zu bekommen, forderte BARMER-Chef Straub einen Masterplan für mehr Hygiene, der unter anderem eine intensive Auseinandersetzung mit Klinikhygiene in der pflegerischen und ärztlichen Ausbildung beinhalte. Dieses Wissen müsse im Berufsalltag vertieft und zur täglichen Routine werden. Dazu bedürfe es verlässlicher Verfahren und Strukturen. Teil dessen seien geschulte Hygienefachkräfte, die die Einhaltung von Hygienestandards überwachten und bei Bedarf weiterentwickelten. „In den Krankenhäusern werden zwar Hygienefachkräfte eingesetzt. Akzeptanz und Arbeit dieser Fachkräfte müssen aber im Arbeitsalltag gestärkt werden, damit in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie höhere Hygieneanforderungen nicht zu Stresssituationen führen“, sagte Straub. Die Einhaltung der Hygienestandards solle nicht nur intern, sondern auch extern durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärker als bisher unangekündigt überprüft werden. Wenn Mängel Auslegungssache blieben und lediglich moniert, aber nicht öffentlich dargestellt werden könnten, dann blieben aber auch Kontrollen zahnlose Tiger. Deshalb solle der Gemeinsame Bundesausschuss mit dem Robert Koch-Institut eine Richtlinie mit verbindlichen Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität zur Anwendung von Hygienemaßnahmen im Krankenhaus erarbeiten. Die Einhaltung dieser Mindestanforderungen sollten die Krankenhäuser dann in ihren Qualitätsberichten veröffentlichen müssen.

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