„Mit der Evakuierung von 5.300 Menschen aus Afghanistan durch die Bundeswehr sind die Verantwortung und der Handlungsdruck für Deutschland mitnichten beendet,“ so Caritas-Präsident Peter Neher. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung besonders schutzbedürftige Personen die Ausreise aus den Nachbarstaaten wie versprochen ermöglicht und den Nachzug der Angehörigen von in Deutschland lebenden Afghaninnen und Afghanen erleichtert, unter anderem durch eine Aufstockung des Personals in den Auslandsvertretungen in der Region“.

In den über 430 Caritas-Migrationsberatungsstellen in ganz Deutschland stand das Telefon in den letzten Wochen nie still. Hunderte verzweifelte Hilferufe erreichten unsere Kolleginnen und Kollegen, von Ortskräften, Frauen- und Menschenrechtsaktivist_innen, Journalist_innen und in Deutschland lebenden Afghan_innen, die um das Leben ihrer Nächsten fürchten.

Not verzweifelter Angehöriger

„Unsere Migrationsdienste sind täglich mit der Not verzweifelter Angehöriger konfrontiert,“ so Neher, „zugleich gibt es nur spärliche, widersprüchliche und unzureichende Informationen der Behörden und keine Möglichkeit, den Menschen zu helfen. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen hadern mit dem Gefühl der Machtlosigkeit.“

Die Bundesregierung will den als besonders schutzbedürftig identifizierten Personen die Ausreise aus den Nachbarstaaten ermöglichen. Für die Meldung des Schutzbedarfes darf es dabei keinen Stichtag geben. Gefährdete Personen konnten und können sich im Chaos nicht ohne weiteres bei den Behörden melden.

Ein Jahr WartezeitIn Deutschland leben über 290.000 Menschen aus Afghanistan, von denen viele als Flüchtlinge ins Land gekommen sind. Sie sind in extremer Sorge um die Sicherheit und die Zukunft ihrer Angehörigen und von Freunden und Bekannten.

Um ein Visum zum Familiennachzug zu beantragen, beträgt die Wartezeit bei den zuständigen Botschaften in Islamabad und Neu-Delhi jetzt schon weit über ein Jahr. Der Deutsche Caritasverband fordert, dass weitere Auslandsvertretungen, auch in anderen Nachbarstaaten, für die Bearbeitung der Visa zuständig und dort das Personal aufgestockt werden. Darüber hinaus sollten bereits erprobte Maßnahmen eingesetzt werden, um die Visumsverfahren zu beschleunigen. Dazu zählt die Bearbeitung der Anträge von Deutschland aus und die Unterstützung der Verfahren durch internationale Organisationen wie dem UNHCR und IOM.
Familiennachzug großzügig gestaltenEine Möglichkeit zum Familiennachzug besteht aktuell nur für die „Kernfamilie“: Ehepartner_innen, minderjährige Kinder, Eltern von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Viele afghanistanstämmige Menschen sorgen sich um weitere Familienangehörige: minderjährige Nichten und Neffen, deren Eltern verstorben sind; volljährige Töchter und Söhne, die alleine in Afghanistan zurückbleiben würden; Eltern, die aufgrund von Erkrankungen und Alter kaum in der Lage sind, sich zu schützen.

„Die Menschlichkeit erfordert, dass Deutschland den Familiennachzug großzügig anlegt und den Nachzug von Angehörigen über die Kernfamilie hinaus ermöglicht,“ so Neher.Humanitäre AufnahmeprogrammeDer UNHCR schätzt, dass aktuell jede Woche 20.000 bis 30.000 Personen Afghanistan verlassen, viele in Richtung Iran und Pakistan.

„Die Unterstützungsstrukturen in den Nachbarländern müssen gestärkt werden,“ so der Caritas-Präsident. „Zudem muss Deutschland besonders schutzbedürftige Personen aus den Nachbarländern Afghanistans aufnehmen“. Dazu eignen sich Resettlement- und humanitäre Aufnahmeprogramme. Auch die Bundesländer können durch Aufnahmeprogramme eine gezielte Einreise von Angehörigen von in Deutschland lebenden Afghan_innen ermöglichen. „Vor dem Hintergrund der Not in Afghanistan ist die Absage einiger EU-Länder, Resettlement-Programme einzurichten, erschütternd,“ so Neher. „Deutschland muss aber seine Verantwortung wahrnehmen“.

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