Die Handschriften-Sammlung des Goethe- und Schiller-Archivs ist um ein spektakuläres Albumblatt ergänzt worden. Auf einer Online-Auktion konnte die Freundesgesellschaft des Goethe- und Schiller-Archivs ein verschwunden geglaubtes Manuskript von Johann Wolfgang von Goethe ersteigern. Es handelt sich um die zweite Strophe des Gedichts „Freisinn“ aus dem „West-östlichen Divan“, die der Dichter an seinem 80. Geburtstag am 28. August 1829 niedergeschrieben hatte. Zuletzt war eine Abbildung der Handschrift im populären Taschenkalender „Mit Goethe durch das Jahr“ 1957 abgedruckt.

Eine Reproduktion der Kalenderseite hatte die Goethe-Forscherin Katharina Mommsen 1996 in ihre Publikation der eigenhändigen Divan-Handschriften Goethes aufgenommen. Das Manuskript galt als verschollen und befand sich zuletzt in Privatbesitz. Die Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte ist nun eine Forschungsaufgabe, ebenso die Ermittlung, für wen Goethe die Zeilen an seinem Geburtstag niederschrieb.

Die Authentizität des Blattes konnte aufgrund des Schriftflusses, Goethes eigenhändiger Unterschrift mit Datum sowie des Inhalts festgestellt werden. Im Erstdruck des „Divan“ 1819 beginnt die Strophe: „Er hat euch die Gestirne gesetzt…“. Im Gegensatz zu dieser früheren Fassung der Verse schreibt Goethe 1829 „Gott“ statt „Er“. Damit ändert sich der Kontext grundlegend.

Goethes „West-östlicher Divan“ ist mit über 200 Gedichten das umfänglichste Gedichtensemble seines Gesamtwerks. Was damals Irritation auslöste, findet heute ein stetig wachsendes Interesse: die Idee eines kulturübergreifenden west-östlichen und ost-westlichen Dialogs. Inspiriert wurde Goethe 1814 durch die eben erschienene Gesamtübersetzung des „Diwan von Mohammed Schemsed-din Hafis“, verfasst von dem Wiener Orientalisten Joseph von Hammer. Die Verse des persischen Dichters Hafis begeisterten Goethe und ließen ihn in rascher Folge Gedichte für seinen „Deutschen Divan“ vollenden.

Goethes eigenhändige Divan-Handschriften zählen zu den kostbarsten Goethe-Handschriften überhaupt. Sie sind zum größten Teil im Nachlass des Dichters im Goethe- und Schiller-Archiv überliefert und gehören zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

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