Wie schnell werden elektrifizierte Fahrzeuge die Normalität sein? Welche Entwicklungsschwerpunkte in der Automobilindustrie sind, getrieben vom Europäischen Green Deal, dafür aktuell entscheidend? Und was bedeutet das für die Zuliefererindustrie? Diesen wichtigen Zukunftsfragen widmete sich am 28.07.2021 unter Beteiligung von interessierten Teilnehmern aus der Wertschöpfungskette Kunststoff der virtuelle kunststoffland NRW-Netzwerkmorgen "Chancen der veränderten Mobilität".

Als Vertreter der Ford-Werke GmbH gab Referent Hans Bandilla, Advanced Powertrain & Driver Assist Technology Portfolio Product Manager, Cross Vehicle Marketing, in seinem Impulsvortrag wertvolle Einblicke in den Status quo der Elektromobilität und skizzierte die Zukunftsaussichten dieser Technologie unter den Vorzeichen des tiefgreifenden Transformationsprozesses hin zu einer klimafreundlicheren Mobilität.

Die Verbrennerflotte ist aktuell CO2-Hauptemmitent in Europa – das soll sich ändern

Insbesondere das Fit-for-55 Programm der Europäischen Union im Rahmen des Green Deals sowie die Euro 7 Abgasnorm würden, so Bandilla, sich ganzheitlich auf alle Lebens- und Arbeitsbereiche auswirken. Für die Automobilindustrie bedeute dies konkret einen drastischen Wandel, da Verbrennerfahrzeuge als Verantwortliche für zwei Drittel des CO2 Ausstoßes in der EU identifiziert worden sind. Als Konsequenz habe die Europäische Kommission das Aus für die Verbrennungsmotoren 2035 vorgeschlagen. Bandilla sieht ein Ende für den Verbrennungsmotor jedoch schon früher kommen, sollte sich an der geplanten Euro 7 Abgasnorm nichts ändern. Denn diese würde ab 2025 den Emissionsspielraum der konventionellen Fahrzeugflotten weiter einschränken. Nach Einschätzung von Bandilla müsste sich die EU darüber hinaus noch früher vom Verbrennungsmotor abwenden, um die eigenen Emissionsziele zu erreichen.

„Rein elektrische Fahrzeuge sind kein Trend mehr – sie sind die Realität, auf die wir zusteuern“

Insofern seien Elektrofahrzeuge unbestritten die nachhaltigere Zukunft der Mobilität. Ford sei hier mit mehreren Modellen sowie bei Forschung und Entwicklung schon gut aufgestellt. Denn: „Rein elektrische Fahrzeuge sind kein Trend mehr – sie sind die Realität, auf die wir zusteuern“, so Bandilla. Auf eine Rückfrage hin, ob sich Wasserstoff nicht ebenfalls für den Transformationsprozess eignen würde, entgegnete er, dass die Wasserstofftechnologie für den Privatgebrauch wenig sinnvoll sei, da sie in Bezug auf Kosten- und Energieeffizienz eine deutlich bessere Anwendung in schweren Fahrzeugen, wie Busse oder LKW, fände.

In der regen Fragerunde unter der fachkundigen Leitung von Moderator Dr. Axel Tuchlenski, Head of Global Product & Application Development, LANXESS Deutschland GmbH und Vorstandsmitglied bei kunststoffland NRW, wurden weiteren Detailaspekten einer zukünftig veränderten Mobilität nachgegangen. So gäbe es bei der Umsetzung noch einige Hürden: Europa und vor allem Deutschland brauchen noch eine deutlich bessere Ladeinfrastruktur und die Versorgung mit nachhaltiger Energie.

 „Alles was recycelt ist, lässt sich grundsätzlich besser verkaufen“

Auf die Frage hin, wo OEM‘s Engpässe bei Materialien und Werkstoffen für die Elektromobilität sehen, antwortete Bandilla, dass die größte Versorgungslücke bei Batteriematerialien, wie Kobalt und Lithium, vorliege. Er zeigte sich optimistisch, dass bestehende Engpässe durch weitergehende Forschung und Entwicklung im Materialeinsatz reduziert werden könnten. „Nachdem wir rund 150 Jahre an Verbrennungsmotoren geforscht haben, müssen jetzt auch Batterien kontinuierlich weiterentwickelt werden“, so Bandilla. Auch hier würde sich Ford bereits wesentlich engagieren. Beim Stichwort Materialeinsatz folgte die Frage nach dem Stellenwert von Rezyklaten und Design for Recycling. Bandilla stellte fest, dass das Thema nachhaltige Kreislaufwirtschaft für OEMs immer wichtiger werde und sich bereits jetzt, bezogen auf Automobile, alles was recycelt ist, grundsätzlich besser verkaufen lässt. Ford habe im Modell Mustang Mach-E sehr innovative, rein künstliche Werkstoffe im Innenraum verwendet. Dabei wurde auch eine mögliche Zertifizierung als „veganes“ Fahrzeug diskutiert. Dennoch betonte Bandilla, dass Funktion und Haptik nachhaltiger und rezyklierter Bauteile niemals schlechter sein dürfen als Virginware. Allerdings entstünden den Autobauern beim Einsatz nachhaltiger Materialien höhere Kosten, die man nicht selbst tragen könne, sondern an die Kunden weitergibt.

E-Mobilität macht für Kunden das Autofahren teurer

Daher bedeutet Elektromobilität für die Kunden zum einen steigende Anschaffungskosten, für die Autobauer hingegen geringere Nachfragen und damit sinkende Produktionsvolumina. Zudem werde sich die Produktion von E-Fahrzeugen zukünftig auf einige wenige Gigafactories verteilen, die zentral den Markt bedienen würden. Für Europa sind die skizzierten Zukunftsszenarien relativ absehbar in der Umsetzung, jedoch müsse man beim Elektromobilitäts-Weltmarkt differenzieren. Europa, Nordamerika, China böten zwar gute Absatzmöglichkeiten für E-Autos, hingegen werden Südamerika, Afrika, Australien oder der Mittlere Osten mindestens mittelfristig noch Regionen mit Verbrennerbedarf sein. Automobilbauer stellen sich daher die Frage: „Wie viele Elektroautos können wir schon anbieten bzw. wie viele Verbrenner müssen wir noch anbieten um den Markt zu sättigen und die Kunden nicht zu verlieren?“, skizzierte Bandilla.

Klimaschutz und E-Mobilität nur im Dialog mit der Kunststoffindustrie

Herr Bandilla erläuterte, dass man das Ziel nur gemeinsam erreichen könne – es gelte neue Prozesse und Verfahrensmethoden zu finden und eine Balance herzustellen sowohl zwischen neuen als auch bekannten Werkstoffen. Hierbei stehe nicht allein der Preis im Vordergrund, wichtig sei es, primär den Kunden zufrieden zu stellen. Um die Klimaziele und die Steigerung der E-Mobilität zu erreichen, sei es elementar, im gemeinsamen, offenen Dialog mit den Zulieferern Neues auszuprobieren.

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kunststoffland NRW baut auf dieser hervorragenden Basis aktiv auf und setzt sich als Netzwerk für die Interessen und Bedürfnisse der Branche ein. Mit seinen Mitgliedern verbindet kunststoffland NRW die gesamte Wertschöpfungs-kette Kunststoff und erreicht so einen übergreifenden Austausch. Nach außen setzt sich kunststoffland NRW als Netzwerk für die Interessen der Branche ein und ist ihr Sprachrohr gegenüber der Politik.

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