Millionen Menschen leiden derzeit unter den Folgen akuter Katastrophen – in vielen Regionen der Welt und auch im Westen und Süden Deutschlands. In Anbetracht der steigenden Risiken fordert die Diakonie Katastrophenhilfe dringend größere Anstrengungen bei der Prävention humanitärer Krisen. Dies gilt für Naturkatastrophen ebenso wie für Hunger- und Gewaltkrisen. „Die Hilfe für Menschen, die von einer Katastrophe betroffen sind, ist ohne jede Alternative – ob in Bad Münstereifel, Ostafrika oder Afghanistan“, sagt Dagmar Pruin, Präsidentin des evangelischen Hilfswerks bei der Vorstellung des Jahresberichts 2020. „Es muss aber deutlich mehr getan werden, damit die Menschen besser geschützt sind, wenn sich diese Katastrophen ereignen.“

Am Montag war die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe nach Schleiden in Nordrhein-Westfalen gereist, um sich ein Bild von der Lage in den Flutgebieten zu machen. „Die Gespräche mit Betroffenen der Katastrophe haben mir klargemacht, wie groß die Herausforderungen der kommenden Monate sind“, so Pruin, „zunächst geht es um unbürokratische Soforthilfen wie Bargeld oder Trockengeräte. Anschließend steht die Mammutaufgabe Wiederaufbau an.“ Da die Diakonie Katastrophenhilfe weder staatliche noch Versicherungs-Leistungen ersetzen will, ist dabei entscheidend, sich eng mit Behörden und anderen Hilfsorganisationen abzustimmen. „Unsere internationale Erfahrung mit Flutkatastrophen werden wir für die Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nutzen“, sagt Pruin. „Der Klimawandel ist kein Horror-Szenario, sondern längst Realität. Wir befürchten, dass diese Art Ausnahme-Katastrophen mehr und mehr zur Regel werden.“ Daher brauche es weltweit, aber auch in Deutschland, deutlich höhere öffentliche Investitionen in die Vorsorge, den Bau von Dämmen, Rücklaufbecken oder Schutzräumen.

Neben dem infrastrukturellen Hochwasserschutz müsse der Staat auch Warnsystemen und Trainings für die Bevölkerung in von Hochwasser bedrohten Regionen mehr Aufmerksamkeit schenken, damit die Menschen wissen, was im Falle einer Katastrophe dieses Ausmaßes zu tun ist. „Wir sind nicht schutzlos ausgeliefert, sondern können unsere Situation verbessern – wenn wir frühzeitig aktiv werden. Das aber passiert weiterhin viel zu selten. So leider auch in einigen Teilen Afrikas, wo wir gerade eine Katastrophe erleben, die durch frühzeitiges Eingreifen hätte abgemildert werden können: der Hunger, der sich immer weiter zuspitzt.“

Auch diese Katastrophe sei nicht von heute auf morgen gekommen. „Die Zeichen und Warnungen waren mehr als eindeutig, doch sie wurden von politischer Seite ignoriert“, so Pruin. „Die internationale Gemeinschaft hätte deutlich besser reagieren müssen – zum Beispiel hätten Vorräte angelegt und der Zugang für internationale Hilfsorganisationen zu den bedrohten Menschen verbessert werden können.“

Die Diakonie Katastrophenhilfe blickt mit großer Sorge auf Länder wie Südsudan, den Jemen oder Äthiopien. „Die Zahl der Menschen, die weltweit kurz vor einer Hungersnot stehen, hat binnen zwei Jahren um 50 Prozent auf 41 Millionen zugenommen“, erklärt Pruin. Die Gründe dafür sind vielfältig: Wetterextreme wie Dürren und massive Überschwemmungen; im Falle von Äthiopien der Krieg in Tigray; die Folgen der Corona-Pandemie für Menschen, die im vergangenen Jahr von einem Tag auf den anderen ihre Lebensgrundlage verloren haben; in Ostafrika eine Heuschreckenplage ungekannten Ausmaßes.

Diakonie Katastrophenhilfe Bilanz 2020

Die Diakonie Katastrophenhilfe konnte im vergangenen Jahr 170 Projekte in 39 Ländern durchführen und hat dafür 37,5 Millionen Euro bereitgestellt. Die meisten Mittel sind 2020 mit 5,2 Millionen Euro in den Südsudan gegangen.

Die Spendeneinnahmen lagen 2020 mit 28,6 Millionen Euro deutlich über denen des Vorjahres (2019: 23,9 Millionen Euro). Aus Württemberg wurden 3.479.712 Euro gespendet (2019: 3.629.974 Euro).

„Vielen Dank allen Spenderinnen und Spendern, die auch im vergangenen Jahr möglich gemacht haben, dass die Diakonie Katastrophenhilfe weltweit Menschen in Not unterstützen konnte“, sagt Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, das auch Landesstelle der Diakonie Katastrophenhilfe ist.

Besonders positiv ist der deutschlandweite Zuwachs der zweckungebundenen Spenden, die um 4,4 Millionen Euro zugenommen haben. Für die Hilfe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gingen etwa 2,3 Millionen Euro zweckgebundene Spenden ein, für die Unterstützung der Menschen nach der Explosion in Beirut etwa 1,5 Millionen Euro.

Die Einnahmen aus öffentlichen Zuwendungen von der Bundesregierung, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen lagen mit 14,9 Millionen Euro etwa 1,4 Millionen unter dem Niveau des Vorjahres (2019: 16,3 Millionen Euro). Das ist allerdings nur eine Momentaufnahme, da die Drittmittel immer in Raten ausgezahlt werden und somit Schwankungen unterliegen. Im Vergleich zum Vorjahr konnte die Diakonie Katastrophenhilfe ihre Gesamteinnahmen mit 50,3 Millionen Euro um knapp drei Prozent steigern (2019: 49 Millionen Euro).

 

Über den Diakonisches Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e.V.

Die Diakonie Württemberg ist die soziale Arbeit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der Freikirchen. Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein Dachverband für 1.400 Einrichtungen mit fast 50.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.

Bundesweit sind rund 525.000 hauptamtlich Mitarbeitende und etwa 700.000 freiwillig Engagierte in der Diakonie aktiv. Der evangelische Wohlfahrtsverband betreut und unterstützt jährlich mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland.

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