Weltweit erholen sich die Volkswirtschaften langsam, aber sicher von der Corona-Pandemie, wie sich aus vielen Wirtschaftsdaten ablesen lässt. Allerdings dürften diese Daten in der nächsten Zeit schwanken. Ein gutes Beispiel dafür sind die Arbeitsmarktdaten in den USA, die kürzlich eine starke Divergenz zwischen den tatsächlich geschaffenen Arbeitsplätzen von 266.000 gegenüber den Erwartungen von einer Million Arbeitsplätzen aufwiesen. Auch bei den Inflationsdaten übertraf die Realität die Erwartungen extrem: Die Gesamtinflation betrug 4,2% gegenüber den erwarteten 3,6%. Laut Florence Barjou, CIO bei Lyxor Asset Management, könnten dies zwei Seiten derselben Medaille sein: Die Inflationsrisiken steigen und bestehende Portfolios müssen angesichts dieses immer noch unterbewerteten Szenarios überdacht werden.

„Die Inflationsdaten für den April zeigten einen massiven Anstieg der Kerninflation auf 3,0 %, den höchsten Wert seit über 25 Jahren“, analysiert Florence Barjou. Zwar sei ein großer Teil des Anstiegs, nämlich fast ein Drittel, auf Basiseffekte zurückzuführen. Diese seien aber vom Markt bereits eingepreist gewesen und die Überraschung nach oben unterstreiche andere Faktoren, die hier eine Rolle gespielt haben könnten. „Zu diesen Faktoren gehört ein breiter Druck auf der Angebotsseite, wobei die Engpässe laut jüngsten Branchenumfragen zunehmen“, so Frau Barjou. In den USA dürften die aufgestaute Verbrauchernachfrage und ein sehr unterstützendes politisches Umfeld in Verbindung mit reichlich Liquidität und umfangreichen keynesianischen Ausgabenprogrammen langfristig ebenfalls einen Aufwärtsdruck auf die Preise ausüben.

8,1 Millionen offene Stellen in den USA 

Die entscheidende Frage sei, ob diese Faktoren abklingen werden – wie dies bei Basiseffekten üblicherweise der Fall ist, oder ob sie eine dauerhafte Wirkung haben werden. „Hier liefert der Arbeitsmarkt teilweise eine Antwort“, erläutert Frau Barjou. „Für die Fed scheint die enttäuschende Arbeitsmarktentwicklung im April einen ‚erstmal Ruhe bewahren‘-Rahmen zu rechtfertigen. Die hohe Zahl von 8,1 Millionen offenen Stellen scheint dem jedoch eher zu widersprechen.“ Kurzfristig könnte diese Lücke nur ein Problem des Zusammenbringens von Nachfrage und Angebot auf dem Arbeitsmarkt sein, langfristig führt ein Arbeitskräftemangel aber fast immer zu Lohnsteigerungen und in der Folge auch zu Preissteigerungen.  Einige große Konzerne in den USA, wie beispielsweise McDonald’s und die Bank of America, haben bereits damit begonnen, den Mindestlohn anzuheben, teilweise um bis zu 25%.

„Die Fed-Sitzung im Juni wird uns weitere Einblicke geben, wo die Fed steht,“ so Frau Barjou. „Wir erwarten jedoch, dass die Fed an ihrem gemäßigten Vorgehen festhalten wird. Zu erwarten ist, dass die Geldpolitik der Fed bis Ende 2023 unverändert bleiben sollte.“ Nachdem die Zentralbanken weltweit in den letzten zehn Jahren gegen eine Deflation gekämpft hatten, liegt jetzt eine Asymmetrie in Richtung Inflationsrisiken vor. Konkret kann dies bedeuten, dass die Fed den Richtungswechsel verpassen und hinter der Kurve zurückbleiben könnte, sollte die Inflation weiter nach oben schießen.

Flache Renditekurve in den USA nicht nachhaltig

„Die US-Renditekurve ist in den letzten drei Monaten, anders als in Europa, erstaunlich flach geblieben“, analysiert Frau Barjou. Zehnjährige Renditen hätten sich kaum verändert und seien mehr oder weniger bei 1,6% stehen geblieben. „Wir glauben nicht, dass dies nachhaltig ist. Eine Entwicklung in Richtung 2% oder mehr halten wir für realistischer.“

Frau Barjou erläutert, dass ein vorsichtiger Schritt der Fed, der die allmähliche Aufhebung ihrer Zurückhaltung signalisiert, von den Märkten gut aufgenommen werden würde: „Aktienmärkte tendieren historisch dazu, von starkem Wachstum und steigender Inflation zu profitieren, solange die Inflation nicht überschießt.“ Lyxor meide daher weiterhin festverzinsliche Staatsanleihen mit Ausnahme von inflationsgeschützten Wertpapieren. Langfristig sei Lyxor weiterhin von Aktien, die durch höhere Unternehmensgewinne und eine zusätzliche Normalisierung bei den wertorientierten oder Value-Aktien und zyklischen Themen unterstützt werden, überzeugt.

„Kurzfristig könnten ein Mangel an zusätzlichen positiven Katalysatoren sowie überhöhte Bewertungen Ausgangspunkt für Volatilität sein,“ so Frau Barjou. „Wir bevorzugen tendenziell eher unterbewertete Regionen wie Europa, Großbritannien und Japan, da wir in den USA und den Schwellenländern die Gefahr einer anhaltenden unterdurchschnittlichen Wertentwicklung sehen.“ Auch Rohstoffe seien wegen ihrer zyklischen Positionierung und ihrer inflationsabsichernden Eigenschaften attraktiv für Investoren.

Sollte die Wirtschaft jedoch dauerhaft von einer niedrigen zu einer über dem Fed-Ziel liegenden Inflation übergehen und die Politik zu lange locker bleiben, würden die Risiken finanzieller Instabilität zunehmen. Denn sollte die Fed hinter die Kurve zurückfallen, müsste die Fed rabiater vorgehen, was den Weg für einen breiteren Ausverkauf an den Kapitalmärkten ebnen würde.

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1Lyxor International Asset Management, Stand 31.12.2020.
2 Bloomberg. Daten stammen aus dem Zeitraum 31.12.2019 bis 31.12.2020

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