• 62 Prozent wollen intensivere Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU, aber nur 32 Prozent sehen dafür aktuell eine Chance
  • Kooperationen im Energiesektor werden weiterhin sehr positiv bewertet
  • 75 Prozent lehnen US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 ab
  • Positive Einstellung zum russischen Impfstoff Sputnik V

Die Bundesbürger wünschen sich mehrheitlich eine engere Kooperation zwischen Europäischer Union (EU) und Russland: Zwei von drei Deutschen (62 Prozent) sprechen sich für intensivere Beziehungen zwischen der EU und Russland aus. Diese Ergebnisse ermittelte eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft mit Unterstützung von Wintershall Dea.

„Wenn es nach den Wünschen der deutschen Bevölkerung gehen würde, könnten die EU und Russland ihre Beziehungen auf vielen Feldern deutlich ausbauen“, kommentierte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses Oliver Hermes. „Die Wirtschafts- und Energiebeziehungen bekommen durchweg gute Noten. Eine große Mehrheit kann sich einen gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum unter Einschluss Russlands vorstellen, will das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 fertig bauen, mit Russland beim Thema Wasserstoff kooperieren, wünscht sich mehr Reisefreiheiten für russische Jugendliche und ist offen für den russischen Impfstoff Sputnik V.“

Auf dieser Positiv-Agenda ließe sich eigentlich aufbauen, so Hermes. Die politischen Konflikte der vergangenen Jahre führten aber dazu, dass beide Seiten dieses große Potenzial immer weniger ausschöpfen könnten: „Die Hoffnungen, dass die EU und Russland in den nächsten Jahren wieder zueinander finden, sind besorgniserregend gering: 60 Prozent gehen davon aus, dass die Zusammenarbeit auf ein Minimum beschränkt bleibt“, so der Ost‑Ausschuss-Vorsitzende. „Aber die grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Russland ist sehr hoch. Dies ermutigt uns von Seiten der Wirtschaft, weiter auf diese Kooperation zu setzen.“ Hermes appelliert daher an die jetzige und künftige Bundesregierung, die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung zu berücksichtigen und an einer Verbesserung der Beziehungen zu arbeiten. Auch Russland müsse hierzu aber seinen Beitrag leisten.

Der wachsende Pessimismus über die politische Zukunft spiegele sich auch in den Einstellungen der Befragten zu den EU-Wirtschaftssanktionen wider, die im Zuge des russischen Vorgehens in der Ukraine eingeführt worden waren. Mit 49 Prozent sei eine knappe Mehrheit der Befragten für eine Beibehaltung (34 Prozent) oder Ausweitung (15 Prozent) der Sanktionen, 44 Prozent wollten die Sanktionen reduzieren oder ganz abschaffen. Kein Verständnis gibt es für zusätzliche US-Sanktionen gegen das Pipelineprojekt Nord Stream 2. Diese werden von 75 Prozent der Befragten abgelehnt, nur 17 Prozent wollen das fast fertiggestellte Projekt noch stoppen. Selbst eine solide Mehrheit unter den Wählern von FDP (82 Prozent) und Grünen (69 Prozent) wünscht sich die Fertigstellung der Pipeline. Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes fühlt sich von den Umfrageergebnissen bestätigt: „Während es von einigen Parteien immer noch Gegenwind gegen das Pipelineprojekt Nord Stream 2 gibt, obwohl es rechtlich genehmigt und nahezu fertiggestellt ist, zeigen die deutschen Wählerinnen und Wähler für Blockaden kein Verständnis.“

Deutsch-russische Energiepartnerschaft auch für Wasserstoff

Nach dem in Deutschland beschlossenen Ausstieg aus Kohle und Kernkraft gilt Erdgas als Brückenenergie auf dem Weg in ein klimafreundlicheres Energiezeitalter, in dem auch Wasserstoff eine größere Rolle spielen soll. Um diesen Übergang zu beschleunigen, wird aktuell stark über die Nutzung von aus Erdgas erzeugtem Wasserstoff und die Einlagerung des anfallenden, klimaschädlichen Kohlendioxids nachgedacht. 58 Prozent der Befragten wären dafür, aus Erdgas hergestellten Wasserstoff aus Russland zu importieren, 30 Prozent können sich dies nicht vorstellen. „Die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist eine der großen energiepolitischen Herausforderungen. Das Klima schonen und gleichzeitig die Energieversorgung sichern – das bietet der Einsatz von Wasserstoff aus Erdgas als wichtiges Standbein für eine emissionsfreie Zukunft, und das geht mit Energie aus Russland“, so Mario Mehren, Sprecher des Arbeitskreises Russland im Ost-Ausschuss und Vorstandsvorsitzender von Wintershall Dea.

Positiver als oft behauptet, werde in der Bevölkerung auch die deutsch-russische Energiezusammenarbeit insgesamt gesehen: Im Vergleich zu einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2020 konnte Russland als Energielieferant deutlich Vertrauen hinzugewinnen: 51 Prozent der Befragten halten das Land aktuell für einen verlässlichen Energiepartner (2020: 41 Prozent). Damit liegt Russland hinter Kanada (52 Prozent) und Norwegen (78 Prozent) an dritter Stelle. Die USA folgen mit deutlichem Abstand auf Platz vier, konnten aber unter der neuen Regierung Biden zumindest Ihre Werte deutlich von zehn auf 31 Prozent verbessern.

Skeptischer zeigen sich die Befragten beim Bezug von erneuerbarer Energie etwa aus Wind- oder Sonnenkraft aus Russland. 52 Prozent fänden einen Import von erneuerbarer Energie aus Russland gut, 43 Prozent äußern sich ablehnend. „Russland wird bei der Erzeugung von grüner Energie bislang wenig zugetraut. Dabei hat das größte Land der Erde aufgrund seiner Größe und natürlichen Gegebenheiten ein riesiges Potenzial, klimaneutrale und grüne Energie in großen Mengen zu erzeugen“, so Mehren.

„Wenn wir Klimaschutz weltweit voranbringen wollen, führt an einer Zusammenarbeit mit Russland auf diesem Gebiet kein Weg vorbei“, sagt der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes. Diese Zusammenarbeit sei auch ein zentrales Thema auf dem heutigen Wirtschaftstag Russland in Rostock. „Wir schlagen dort vor, die erfolgreiche deutsch-russische Energiezusammenarbeit zu einer Energie- und Klimaallianz weiterzuentwickeln“, so Hermes.

Nicht nur Ostdeutsche würden Sputnik V nutzen

Eine Kooperation mit Russland zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird in Deutschland sehr positiv gesehen: Den russischen Impfstoff Sputnik V würden insgesamt 60 Prozent der Befragten nutzen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Mit 71 Prozent Zustimmung sind die Werte hier in Ostdeutschland deutlich höher, es gibt mit 58 Prozent der Befragten aber auch eine solide Mehrheit in Westdeutschland. 38 Prozent der Befragten würden Sputnik V hingegen nicht nutzen wollen.

Die von Ost-Ausschuss und Wintershall Dea in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage wurde im Zeitraum 29. April bis 10. Mai durchgeführt. Befragt wurden 1.001 repräsentativ ausgewählte Deutsche ab 18 Jahren. Die komplette Umfrageauswertung ist auf der Internet-Seite Klare Mehrheit wünscht engere Beziehungen zu Russland | Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft verfügbar.

Über den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. (gegründet 1952) fördert die deutsche Wirtschaft in den 29 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas, des Südkaukasus und Zentralasiens. Der deutsche Osthandel steht insgesamt für rund ein Fünftel des gesamten deutschen Außenhandels und ist damit bedeutender als der Handel mit den USA und China zusammen. Der Ost-Ausschuss hat rund 350 Mitgliedsunternehmen und -verbände und wird von sechs Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – BDI, BGA, Bankenverband, DIHK, GDV und ZDH – getragen.

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