Vor mehr als hundert Jahren ging der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches davon aus, dass Eheleute ein Leben lang verheiratet sind und ihre Kinder in diesen Familien aufwachsen. Angesichts knapp 150.000 geschiedener Ehen in 2019 ist der Vertrag auf Lebenszeit wohl nicht mehr zeitgemäß. Es wird geheiratet, geschieden, erneut geheiratet. Die Kinder nehmen sie mit und bilden in Patchworkfamilien neue Gemeinschaften. Was aber bedeutet das fürs Vererben in diesen neuen Konstellationen? Unsere Experten berichten anhand von zwei beispielhaften Fällen.

Wenn die Exfrau nicht erben soll

Ein verheiratetes Paar mit einem Kind lässt sich scheiden. Nach der Scheidung lebt die Mutter in einer neuen Beziehung, während der Vater mit dem gemeinsamen Kind eine Patchworkfamilie mit einer neuen Partnerin und ihren Kindern bildet. Er möchte verhindern, dass seine frühere Ehefrau – die er bei der Trennung abgefunden hat – von ihm irgendetwas erbt, denn der Rest seines Vermögens soll der Absicherung seiner neuen Familie dienen. Nun stirbt er und nach seinem Testament erbt das eigene Kind die Hälfte, die neue Familie den Rest.

Wenn jetzt sein Kind beispielsweise durch einen Unfall umkommt, und zu diesem Zeitpunkt nicht verheiratet ist oder Kinder hat, geht die von ihm geerbte Hälfte des väterlichen Vermögens doch an die frühere Ehefrau. Sie erbt als Mutter ihres Kindes. Und so geschieht genau das, was der verstorbene Vater nach seiner Scheidung eigentlich hatte vermeiden wollen.

Wenn das leibliche Kind abgesichert werden soll

Ein Ehepaar lässt sich scheiden. Sie haben zwei Söhne, die künftig bei der Mutter leben und den Vater regelmäßig besuchen. Nach einiger Zeit heiratet der Mann seine neue Partnerin, mit der er ein gemeinsames Kind hat. Die frischgebackene Ehefrau besitzt eine Eigentumswohnung, mit der sie ihre leibliche Tochter absichern möchte, falls ihr etwas passiert. Sollte sie sterben, erben die Tochter und ihr Ehemann als gesetzliche Erben ihr Vermögen. Sollte ihm danach etwas zustoßen, erben die gemeinsame Tochter und die beiden Kinder aus erster Ehe gleichermaßen. Da die Ehefrau aber gezielt ihre Tochter absichern möchte, kann sie sich nicht auf die gesetzliche Erbfolge verlassen und muss aktiv werden und beispielsweise ein Testament machen.

Beratung vom Fachmann

Anhand der beiden Beispielsfälle sieht man, wie komplex das Thema Vererben und Erben in Patchworkfamilien ist. Wahrscheinlich werden Sie sich als juristischer Laie mit diesen Überlegungen überfordert fühlen. Am besten lassen Sie sich von einem Rechtsanwalt beraten. Idealerweise ist er auch Notar und könnte Sie bei einem Testament unterstützen. Diese Spezialisten können nur helfen, wenn sie genau über die Familienverhältnisse und Wünsche informiert werden. Daher raten die ARAG Experten, einige Fragen vorher zu klären. Beispielsweise, wer als Pflichtteilsberechtigter in Frage kommt oder ob alle Kinder – eigene und die des neuen Partners – gleichbehandelt werden sollen. Hat zwischen den ehemaligen Eheleuten ein Erbvertrag bestanden, der eine Scheidung überdauert? Macht es Sinn, bei der Trennung einen Erbvertrag zu schließen oder einen Erbverzicht zu erklären? Muss mit dem neuen Partner ein familienrechtlicher Vertrag geschlossen werden? Und ganz wichtig die Frage nach dem eigenen Vermächtnis: Wollen wir ein Testament oder einen Erbvertrag machen?

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