2020 sind bei der Gutachter- und Schlichtungsstelle der Landesärztekammer Hessen 858 Anträge wegen vermuteter Behandlungsfehler gestellt worden – gegenüber 872 Anträgen im Vorjahr. „Die weiterhin hohen Antragszahlen sind ein positives Zeichen“, sagt der hessische Ärztekammerpräsident Dr. med. Edgar Pinkowski. „Sie zeigen, dass Patientinnen und Patienten über ihre Rechte gut informiert sind – und dass die Arbeit der Gutachter- und Schlichtungsstelle viel Vertrauen genießt.“ Die Corona-Pandemie ist ohne negative Auswirkungen geblieben, weder auf die Zahl der Anträge noch auf die Bearbeitungsdauer bei der Gutachter- und Schlichtungsstelle.

Bei der gutachterlichen Überprüfung erwies sich nur ein Teil der Patientenvorwürfe als tatsächliche Behandlungsfehler: Im Jahr 2020 bejahte die Gutachter- und Schlichtungsstelle in 93 (21,4%) der 434 gutachterlich abschließend geprüften Verdachtsfälle Behandlungsfehler von Ärztinnen und Ärzten sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich (gegenüber 27,1% im Jahr 2019).

Die meisten Behandlungsfehlervorwürfe (Praxis und Krankenhaus) betrafen auch im Jahr 2020 die Fachgebiete Orthopädie, Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie, Handchirurgie und Neurochirurgie sowie Innere Medizin: So entfielen von den 434 gutachterlich geprüften Patientenvorwürfen 87 auf die Orthopädie, 70 auf die Unfallchirurgie, 40 auf die Allgemeinchirurgie, 22 auf die Innere Medizin, 17 auf die Handchirurgie und 16 auf die Neurochirurgie.

In 217 der 434 gutachterlich überprüften Verdachtsfälle ergingen Kommissionsentscheidungen. „Die Kommissionsverfahren erhöhen dank des zugrundeliegenden Mehraugenprinzips die Glaubwürdigkeit der eingeholten Gutachten.“ Im Kommissionsverfahren – einem zweitinstanzlichen Verfahren vergleichbar – wird das eingeholte Gutachten von mindestens zwei weiteren ärztlichen Sachverständigen und einem Juristen noch einmal überprüft.

„In der Medizin geht es jeden Tag um die Gesundheit und das Leben von Patienten. Da ist jeder Fehler ein Fehler zu viel“, betonte Pinkowski. „Dennoch lässt sich aus den gesunkenen Fallzahlen in Hessen eine hohe Qualität in Klinik und Praxis ablesen – und das trotz des Ausnahme-Coronajahres.“ Ärztinnen und Ärzte setzten sich engagiert für ihre Patienten und deren Sicherheit ein, so Pinkowski weiter. Patientensicherheit sei der Grundwert ärztlichen Handelns. Um diesem gerecht zu werden, habe die Ärzteschaft vielfältige Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fehlerprävention entwickelt, die in Kliniken und Praxen längst zum Alltag gehörten.

An Arbeitgeber und Politik appellierte Pinkowski einmal mehr, das Gesundheitswesen nicht zum Spielball kommerzieller Zwänge zu machen, Ärztinnen und Ärzte von administrativen Tätigkeiten zu entlasten und auf die Einhaltung der Arbeitszeit zu pochen, um die Patientensicherheit zu erhöhen. „Speziell in diesen Pandemiezeiten sind die Kolleginnen und Kollegen in Kliniken und Praxen gefordert wie nie und auf jede denkbare Unterstützung angewiesen.“

Die organisatorisch bei der Landesärztekammer angesiedelte, unabhängige Gutachter- und Schlichtungsstelle wird von Juristen, ehemaligen Vorsitzenden Richtern des Bundes und der Länder, geleitet. Sie überprüft ärztliche Behandlungen auf behauptete Fehler in einem freiwilligen, für die Antragsteller kostenlosen Verfahren. Das Verfahren vor der Gutachterstelle soll zur Klärung von Streitigkeiten zwischen Patienten und Ärzten beitragen, die durch den Vorwurf eines Behandlungsfehlers entstanden sind.

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