Insgesamt führe die wirtschaftliche Erholung zu Verzerrungen auf den Aktienmärkten: „Wir glauben, dass der Markt zu leichtfertig bereit ist, Unternehmen mit geringer Qualität auf der Grundlage starker makroökonomischer Wachstumsraten zu kaufen, unabhängig davon, ob die Unternehmen selbst gute langfristige Aussichten haben oder nicht“, erklärt Ewert. Daher sei eine genaue Analyse der Einzeltitel erforderlich.
Ein gutes Beispiel hierfür sei die Reisebranche. So dürfte der Reiseverkehr mit der Zeit zwar zurückkehren, aber die Aufhebung der Beschränkungen werde wahrscheinlich Stück für Stück und Land für Land erfolgen. Ein Jahr mit relativ schwachen Umsätzen und Gewinnen müsse zwar nicht unbedingt die langfristigen Unternehmensbewertungen beschädigen, aber es entstünden Risiken für Unternehmen mit schwachen Bilanzen und Chancen für Unternehmen mit stärkeren Bilanzen. „Es ist es jetzt an der Zeit, selektiv zu sein, anstatt auf den Markt auf Makroebene zu reagieren. Ein Fokus auf Fundamentaldaten und aktives Management ist entscheidend“, so die Expertin.
Auch der Rentenmarkt bedürfe einer genauen Beobachtung. Europa trete in eine Phase ein, in der die Anleger mehrere aufkommende Risiken sorgfältig prüfen und aktiv steuern müssten, angefangen bei der Inflation und steigenden Renditen. Creditspreads hätten zudem kürzlich historische Tiefststände erreicht, weswegen das Potenzial für eine weitere Verengung sehr begrenzt sei. Darüber hinaus seien die europäischen Ausfallraten im Februar gestiegen und würden in den nächsten Monaten wahrscheinlich weiter ansteigen.
Politische Veränderungen in Europa
Auf der politischen Ebene sei in Europa ein starker Wandel zu erwarten. Ein Beispiel sei Italien, wo der frühere EZB-Chef Mario Draghi überraschenderweise zum neuen Premierminister gewählt worden sei. Dadurch habe sich Italiens Regierung innerhalb kürzester Zeit von einer der am wenigsten glaubwürdigen Regierungen in Europa in eine der glaubwürdigsten gewandelt. „Seine Ernennung könnte dramatische Auswirkungen auf die italienischen Reformen im kommenden Jahr haben. Sie wird wahrscheinlich auch Einfluss darauf haben, wie andere Länder Reformen angehen“, so Ewert.
Weitere Veränderungen könnten sich zudem durch anstehende Wahlen in wichtigen EU-Mitgliedsländern ergeben: Deutschland geht im September und Frankreich im April 2022 zur Wahl. Die Ergebnisse dieser Wahlen seien umso wichtiger, da nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union der deutsch-französischen Beziehung künftig noch mehr Bedeutung zukomme. Hinzu komme, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in Deutschland nicht noch einmal zur Wahl antreten werde.
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