Seit November folgt ein Lockdown dem anderen. Unter den immerwährenden Verlierern der Pandemie ist die Gastronomie weit vorne mit dabei. Umso wichtiger ist es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und sich in dieser Zeit selbst neu zu erfinden, statt lediglich auf eine mögliche Öffnung zu warten.

Nach dem ersten Lockdown im Frühling des vergangenen Jahres hatten die meisten Schank- und Speisewirtschaften von Mitte Mai bis Anfang November offen. Eine Zeit, in der sie alle viel Geld für Luftreiniger, Desinfektionsmittel und Plexiglastrennwände investiert haben. Trotz dieser Investitionen und finanziellen Einbußen aufgrund des Mindestabstandes zwischen den Tischen, waren die Gastronomen für jeden Gast dankbar, den sie bedienen konnten. Und dann kam der nächste Lockdown, der noch mindestens bis zum 18. April fortdauern wird.

Die verschiedenen Gesichter des Lieferservices

Die naheliegendste Option sich über Wasser zu halten, besteht im Lieferdienstservice oder TakeAway-Geschäft. Wer sich die Gebühren eines externen Lieferdienstes sparen möchte, vertreibt seine Produkte über einen eigenen Webshop, wie beispielsweise Hitchcoq in Düsseldorf. Das in Augsburg, Düsseldorf, Jena und München ansässige Restaurant 905 ging mit einer selbst entwickelten App sogar noch einen Schritt weiter, um das Bestellerlebnis so intuitiv wie möglich zu gestalten. Natürlich haben nicht alle Gastronomen derartige Kapazitäten. An dieser Stelle kommen Lieferdienste wie Lieferando ins Spiel. Das einstige Berliner Start-up gehört zu den großen Gewinnern der Pandemie. Allein im 3. Quartal 2020 gingen 9,1 Millionen mehr Bestellungen ein als noch zur selben Zeit im Vorjahr.

Das außer Haus Geschäft mag zum Überleben vielleicht reichen, zum Leben bedarf es jedoch innovativeren Ideen. Wie Lee Greene von Foodhub NRW zu sagen pflegt: „Corona wird den Gastronomen, die nur Gastgeber sind, aber keine Unternehmer, den Todesstoß versetzen.“

3 erfolgreiche Unternehmerinnen aus NRW

Besagtes Unternehmertum bewiesen im vergangenen Jahr unter anderem drei Powerfrauen aus dem Rheinland: Da wäre zum Beispiel Isabelle Tebrügge, mit ihrem Bio-Feinkostladen und integriertem Café Feinisa in Düsseldorf. Die Mittzwanzigerin öffnete ihren Laden unmittelbar vor dem ersten Lockdown. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, erweiterte sie ihr Sortiment kurzerhand um frische Lebensmittel für den täglichen Bedarf, stampfte über Nacht einen Onlineshop aus dem Boden und schloss innerhalb weniger Monate Kooperationen mit verschiedenen nachhaltigen Lieferdiensten wie den BringBuddies, den AngelBikes oder Liefergrün ab.

Bereits fest in der Düsseldorfer Feinkostszene verankert ist Stefania Lettini. Vor 16 Jahren eröffnete sie ihren italienischen Feinkostladen Lettinis. Zwar gab es auch schon vor der Pandemie einen Onlineshop, doch ihre digitalen Live-Veranstaltungen wurden aus der Pandemienot heraus geboren. Bereits Anfang April 2020 fand unter dem Namen Tasting A Casa die erste Onlineverkostung statt. Im Oktober kamen mit Cooking A Casa digitale live Kochevents hinzu. Neben ihrem eigenen Laden hat Lettini eine Marke aufgebaut, deren Produkte auch andere Feinkostläden deutschlandweit vertreiben. Außerdem kocht sie regelmäßig in der ZDF-Sendung Volle Kanne.

In Köln erfindet sich Mayoori Buchhalter immer wieder selbst neu. Die BIOSpitzenköchin hat mit dem BioGourmetClub in Köln ohnehin schon ein dreifach-Konzept, das aus einer Kochschule, einer Akademie und einem Restaurantbetrieb gehört. Seit dem ersten Lockdown wurde aus dem Mittagstisch ein TakeAway-Konzept mit selbstmitgebrachten Boxen und zusätzlich bietet sie selbstgemachte immunsystemstärkende haltbare Lebensmittel für Zuhause an. Als neue Vertriebskanäle kamen in den vergangenen Monaten der regionale Laden Stadt Land Gemüse sowie der Bioladen Hulc hinzu. In naher Zukunft wird es ihre Produkte auch in Unverpacktläden, bei den Marktschwärmern sowie Himmel un Ääd geben. Außerdem bietet Buchhalter seit dem ersten Lockdown eine Vielzahl ihrer Kochkurse online an: „Der Vorteil an den Onlinekochkursen ist ja nicht nur, dass sie das bestehende Kursangebot auch inhaltlich ergänzen, sondern sie bieten auch denjenigen eine Möglichkeit teilzunehmen, die nicht aus Köln oder dessen Umgebung kommen“, so Buchhalter.

Von kreativen ToGo-Ideen bis hin zum fertigen Menü der gehobenen Küche

Natürlich muss man sein Konzept nicht gänzlich umkrempeln, manchmal reichen auch schon kleine Kniffe, um Kunden weiterhin an sich zu binden. Die Kölner Cocktailbar CocktailContor bietet – sofern es erlaubt ist – seine Cocktails beispielsweise auch ToGo an, was vor Corona nur schwer vorstellbar gewesen wäre. Über ihren Onlineshop vertreiben sie zudem sogenannte Cocktail-Premixes, die in Flaschen vekauft eine solide Basis für hochwertige Cocktails darstellen und Zuhause lediglich um wenige frische Zutaten, wie etwa Säfte, ergänzt werden müssen.

Die Kinobar des Kieler Programmkinos Studio Filmtheater bietet in diesen Zeiten Popcorn ToGo an. An zuvor öffentlich bekanntgegebenen Tagen gibt es hier den altbewährten Kinoklassiker frisch aufgepoppt für das heimische Kinofeeling. Wer seinen Mitarbeitern, Freunden oder der Familie etwas Gutes tun will, greift auf das Popcorn-Catering zurück. Natürlich können damit die laufenden Kosten nicht ansatzweise gedeckt werden, eine Möglichkeit, im Gedächtnis der Gäste zu bleiben ist es jedoch allemal.

Ebenfalls erfinderisch zeigt sich im hohen Norden Marcel Görke in seinem Gourmetrestaurant Heimatjuwel. Sein Hauptaugenmerk liegt auf mehrgängigen Menüs, die fürs Wochenende vorbestellt werden und Zuhause lediglich warm gemacht werden müssen. Zu besonderen Anlässen wie Valentinstag, Ostern oder Weihnachten gibt es Themenboxen – eine Flasche Wein meist inklusive. Auch er gehört zu denen, die erst seit der Pandemie einen eigenen Onlineshop auf ihrer Webseite integriert haben, auf der nicht nur besagte Menüs vorbestellt werden können, sondern phasenweise auch sogenannte Home Office Boxen, in denen fünf in Gläsern eingekochte Gerichte darauf warten, eine Woche lang jeden Tag Zuhause erhitzt zu werden. Aktuell gibt es diese Angebote nur zum Abholen, doch einen deutschlandweiten Versand schließt Görke eines Tages nicht aus.

Die Kulinarische Schnitzeljagd als Marketingevent für die Gastro

So vielversprechend diese neuen Modelle auch sind, so hoffen wir alle noch viel mehr darauf, dass die fortwährenden Lockdowns auch wieder vorüber sein werden, oder zumindest für eine gewisse Zeit pausieren und die Gastronomen wieder Gäste in ihren Läden empfangen dürfen. Dann ist es wichtiger denn je, auf sich aufmerksam zu machen und die Kunden von seinem Konzept zu überzeugen. Ein kostengünstiges und effektives Marketinginstrument stellt die Teilnahme an kulinarischen Genusstouren dar. Ein Anbieter, der bereits im vergangenen Jahr seine Coronakonformität unter Beweis stellen konnte, ist die Kulinarische Schnitzeljagd. Das Düsseldorfer Start-up veranstaltete im letzten Sommer 20 Tagesevents mit mehr als 200 Gastronomen und knapp 5000 Teilnehmern in 10 verschiedenen Städten – alles unter Einhaltung des geltenden Hygieneschutzkonzeptes. Der Clou: Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Touren handelt es sich hier nicht um geführte Kleingruppen, die gemeinsam von A nach B laufen. Stattdessen werden ca. 12 inhabergeführte Läden innerhalb eines Tages von den Teilnehmern individuell besucht. Der Ticketverkauf für die diesjährigen Touren, die aktuell für ab Ende Mai geplant sind, hat für die ersten Städte bereits begonnen. Dazu zählen Bochum, Düsseldorf, Hamburg, Kiel, Köln und Mönchengladbach. Weitere Städte kommen voraussichtlich in den nächsten Wochen hinzu. Die Karten gibt es bis zwei Wochen vor dem jeweiligen Event für 30,00 € im Vorverkauf über die Homepage der Kulinarischen Schnitzeljagd sowie in den teilnehmenden Läden. 

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