Katastrophale Lebensbedingungen in den Aufnahmelagern für Geflüchtete, illegale Pushbacks an den europäischen Außengrenzen und schleppende Asylverfahren für Schutzsuchende: All dies sind Folgen des EU-Türkei-Deals von 2016. Das kritisiert die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam heute anlässlich des fünften Jahrestages des Abkommens. Trotz dieses offensichtlich gescheiterten Ansatzes will die EU an ihrer Abschottungspolitik festhalten und im Rahmen ihres neuen Migrations- und Asylpaktes weiter fortsetzen. Oxfam und sieben weitere Organisationen fordern in einem offenen Brief einen grundlegenden Kurswechsel, der den Schutz geflüchteter Menschen gewährleistet.

Raphael Shilhav, Oxfams EU-Migrationsexperte im Büro Brüssel, kommentiert:

„Seit dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Deals haben sich die Nachrichten von den griechischen Inseln fortwährend verschlimmert. Die EU versperrt mit ihrer Politik Schutzsuchenden systematisch den Weg in die Sicherheit. Deshalb sind die Menschen gezwungen, unter menschenunwürdigen Bedingungen zu leben. Sie schlafen in unbeheizten Zelten oder Containern und haben nur begrenzten Zugang zu fließendem Wasser und Strom. Vor allem Frauen berichten uns, dass sie sich nicht sicher fühlen, dass sie Gewalt, Belästigung und Ausbeutung ausgesetzt sind. Für diese dramatische humanitäre Krise ist die EU verantwortlich.

Die Verantwortlichen in Brüssel und den europäischen Hauptstädten dürfen ihre Augen vor der Realität auf den griechischen Inseln nicht länger verschließen und müssen ihren Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte nachkommen. Anstatt mit dem Migrationspakt diese gescheiterte Politik in ganz Europa zu wiederholen, müssen sie die Sicherheit und Würde von Flüchtlingen und anderen Migranten garantieren."

In ihrem offenen Brief fordern Oxfam und sieben weitere Organisationen:

  1. Niemand darf inhaftiert werden, weil er Asyl sucht: Die neuen Pläne für Aufnahmezentren auf den griechischen Inseln sehen haftähnliche Bedingungen vor. Schutzsuchende Menschen dürfen so nicht untergebracht werden. Der Vorschlag der EU berücksichtigt auch nicht die besonderen Bedürfnisse von Menschen, die nach einer langen und gefährlichen Reise in Europa ankommen, insbesondere von Frauen und Mädchen.
  1. Asylsuchende müssen unter menschenwürdigen Bedingungen leben: Die EU darf ihre Menschenrechtsverpflichtungen nicht durch die rechtlich fragwürdige Schaffung einer Übergangsphase umgehen, in der das EU-Asylrecht nicht vollständig gilt. Asylsuchende, die europäisches Territorium erreichen und hier Asyl beantragen, genießen ohne Ausnahme den Schutz durch EU-Recht und nationale Gesetze.
  1. Asylsuchende müssen Zugang zu rechtlichem Beistand und Unterstützung haben: Das Asylverfahren ist kompliziert und Asylsuchende dürfen nicht von Informationen und rechtlichem Beistand durch NGOs und den UNHCR abgeschnitten werden. Der Versuch der EU, die Asylverfahren durch zügigere Grenzverfahren zu beschleunigen, sperrt Hilfsorganisationen aus und verletzt die Rechte der Asylsuchenden.
  1. Es muss eine wirksame unabhängige Aufsicht geben: Externe Kontrolleur*innen müssen Zugang zu den Aufnahmezentren haben, insbesondere Parlamentarier*innen und NGOs. Zudem stehen die EU und ihre Mitgliedsstaaten in der Verantwortung, unabhängige und effektive Kontroll- und Beschwerdemechanismen zu schaffen.

Redaktionelle Hinweise:

  • Expert*innen stehen in Brüssel und online für Interviews in englischer Sprache zur Verfügung.
  • Den von Oxfam und sieben weiteren Organisationen (Amnesty International, Caritas Europe, Danish Refugee Council, Greek Council for Refugees, Human Rights Watch, International Rescue Committee, Refugee Rights Europe) unterzeichnete Offenen Brief finden Sie hier.
  • Oxfam veranstaltet am 18. März 2021 gemeinsam mit Refugee Rights Europe eine Online-Veranstaltung zum Thema "5 Jahre EU-Türkei-Deal: Wie weiter in der EU-Flüchtlingspolitik?“ Anmeldungen hier.
  • Anlässlich des fünften Jahrestages des EU-Türkei-Deals hat Oxfam eine Online-Chronologie erstellt.
  • Der EU-Türkei-Deal wurde am 18. März 2016 unterzeichnet. In dem Abkommen erklärt sich die Türkei bereit, „…die rasche Rückführung aller Migranten zu akzeptieren, die keinen internationalen Schutz benötigen und von der Türkei aus nach Griechenland einreisen, und alle in türkischen Gewässern aufgegriffenen irregulären Migranten zurückzunehmen.“ In der Folge wurden Asylsuchende gezwungen, auf den griechischen Inseln zu bleiben, um ihre Rückkehr in die Türkei zu beschleunigen. Tausende Menschen sitzen deshalb zum Teil seit Jahren auf den griechischen Inseln fest, unter menschenunwürdigen Bedingungen. Der EU-Migrationspakt versucht, diesen Ansatz zu kopieren, wobei eins der wichtigsten Elemente die Schaffung einer so eines Screening-Verfahrens, währenddessen das EU-Asylrecht noch nicht vollständig gilt. Werden diese Pläne umgesetzt, würden die Grundrechte in Europa nicht mehr für alle Menschen gelten.
  • Oxfam ist seit 2015 auf Lesbos tätig. Seit 2019 arbeitet Oxfam über lokale Partner, um Geflüchteten Zugang zu Rechtshilfe und finanzieller Unterstützung zu ermöglichen.  
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Oxfam ist eine internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation, die weltweit Menschen mobilisiert, um Armut aus eigener Kraft zu überwinden. Dafür arbeiten im Oxfam-Verbund 20 Oxfam-Organisationen Seite an Seite mit rund 3.500 lokalen Partnern in 67 Ländern.

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