Frauen aus westlichen Ländern befürworten eine Einkommensumverteilung eher als Männer. Deutlich ist diese Geschlechterdiskrepanz nur dann, wenn der Verdienst unsicher ist und von der eigenen Leistung abhängt. Während Männer meist sogar über-optimistisch auf ihre Leistungen vertrauen, sind Frauen da realistischer. Sie nutzen die Chance auf einen Umverteilungsmechanismus als Absicherung gegen schlechte Leistungen und – davon abhängend – schlechte Bezahlung, auch wenn es objektiv keine Gründe dafür gibt.

„Die psychologische Grundlage für diese Art des Handelns scheint zu großen Teilen das durchschnittlich höhere Selbstbewusstsein von Männern im Vergleich zu Frauen zu sein“, sagt Gianluca Grimalda, Senior Researcher am IfW Kiel und Co-Autor der experimentellen Studie, die unter dem Titel „Overconfidence and gender gaps in redistributive preferences: Cross-Country experimental evidence“ im Journal of Economic Behavior & Organization veröffentlicht wurde. „In unseren Untersuchungen konnten wir 50 Prozent der Unterschiede in den Umverteilungspräferenzen von Männern und Frauen mit geschlechtsspezifischen Unterschieden im Selbstbewusstsein erklären.“

Ungleichheit realitätsnah im Labor nachgestellt

Um die Nachfrage nach Umverteilung und die Gründe dafür zu untersuchen, haben Grimalda und seine Co-Autoren unter Laborbedingungen Ungleichheit erzeugt, die einer realen Verteilung möglichst nahekommt. In Gruppen, in denen die einzelnen Personen unterschiedliche Einkommen zugewiesen bekommen haben, sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann über die Umverteilung für alle entscheiden, bei wechselnden Bedingungen. Mal hing der Verdienst vom Zufall ab, dann wieder von der relativen Leistung bei bestimmten Aufgaben. Typischerweise ist die Nachfrage nach Umverteilung geringer, wenn der Verdienst durch individuelle Leistung bestimmt wird.

Frauen, so ein zentrales Ergebnis in Übereinstimmung mit bisherigen Forschungsresultaten, fordern eine stärkere Umverteilung als Männer. Diese geschlechtsspezifische Diskrepanz verschwindet allerdings sowohl dann, wenn die Höhe des Endverdienstes sicher zu Beginn bekannt ist, als auch dann, wenn der Verdienst vom Zufall abhängt und nicht von der eigenen Leistung. „Geschlechtsspezifische Unterschiede im Wunsch nach Umverteilung treten nur dann auf, wenn der Verdienst unsicher ist und durch relative Leistung bestimmt wird“, fasst Grimalda zusammen.

Männer überschätzen die eigene Leistung und sehen so keinen Anlass für Umverteilung

Bei der eigentlichen Leistung zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Sowohl Männer als auch Frauen erwarten von sich im Durchschnitt eine bessere Leistung, als sie tatsächlich erbringen – ein häufiger Befund in den experimentellen Sozialwissenschaften, der als „overconfidence“ bezeichnet wird. Männer taten dies aber überproportional häufiger als Frauen, und die Hälfte der unterschiedlichen Präferenz für Umverteilung zwischen Männern und Frauen konnte so erklärt werden. Grimalda: „Wir schließen aus den Ergebnissen, dass Umverteilung als Versicherungsmechanismus genutzt wird, um sich bei einem unsicheren zukünftigen Einkommen vor einem zu niedrigen Verdienst zu schützen. Da Männer selbstbewusster sind als Frauen, haben sie weniger das Bedürfnis, Umverteilung für diesen Zweck zu nutzen. Frauen sind realistischer in ihren Erwartungen und fordern deshalb mehr Umverteilung.“

Auswirkungen auf Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Gesellschaft

Auch in anderen Studien zeigt sich, so die Autoren, dass geschlechtsspezifische Unterschiede im Selbstvertrauen im gesamten Arbeitsleben von Bedeutung sind, beispielsweise wenn es um die Wahl von mathematisch-naturwissenschaftlichen Studienfächern oder um das Thema gleiche Entlohnung für den gleichen Job geht. Bei der Erforschung von geschlechtsspezifischen Unterschieden auf dem Arbeitsmarkt spielt nicht nur Gerechtigkeit eine wichtige Rolle, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn die Fähigkeiten und Talente von Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht zum Tragen kommen, kann die Wirtschaft ihr volles Potenzial nicht ausschöpfen.

Zur englischen Zusammenfassung auf dem OECD-Blog

Zur Studie Overconfidence and gender gaps in redistributive preferences: Cross-Country experimental evidence

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