Am 16. Juni 2020 wurde die deutsche Corona-Warn-App der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Im Vorfeld gab es eine öffentliche Diskussion darüber, wie weit diese App in die Privatsphäre der Nutzenden eindringen darf. Die Anwendung ist äußerst privatheitsfreundlich, da sie keinerlei private Informationen der Nutzenden speichert oder übermittelt, sondern lediglich registriert, wenn sich zwei Geräte über einen längeren Zeitraum in einem geringen Abstand zueinander befunden haben. Nutzende können freiwillig in die App eingeben, wenn sie positiv auf Covid-19 getestet wurden. Die App benachrichtigt dann alle registrierten Begegnungen der letzten 14 Tage. Dabei wird lediglich ein anonymisierter Zufallscode in einer Datenbank genutzt. Rückschlüsse auf konkrete Personen sind nicht möglich.

Menschliches Verhalten wird von persönlicher Wahrnehmung beeinflusst

Obwohl diese Contact-Tracing-App sehr privatheitsschonend arbeitet, ist es nicht selbstverständlich, dass Menschen dies auch so wahrnehmen und der App vertrauen, da das menschliche Verhalten in erster Linie von der persönlichen Wahrnehmung oder persönlichen Vorstellungen beeinflusst wird. Vor diesem Hintergrund wurde am Lehrstuhl Sozialpsychologie der Universität Duisburg-Essen eine Untersuchung (geleitet von Prof. Dr. Nicole Krämer, Dr. Yannic Meier und Dr. Judith Meinert) durchgeführt, die verschiedene psychologische Faktoren betrachtet, die bei der Entscheidung, die App zu nutzen, eine wichtige Rolle spielen können. Als theoretisches Rahmenmodell wurde der sogenannte Privacy Calculus-Ansatz herangezogen. „Diesem Modell zufolge ‚kalkuliert‘ jeder Mensch seine Privatheitsbedenken und wägt die Vor- und Nachteile einer Anwendung gegeneinander ab, zum Beispiel wenn er oder sie im Internet etwas von sich preisgibt oder Anwendungen nutzt, die auf persönliche Daten zugreifen“, erklärt Forum-Privatheit-Mitglied Prof. Dr. Nicole Krämer.

Vertrauen spielt zentrale Rolle – und kann durch Wissen wachsen

Im Juni und Juli 2020 wurden in Deutschland 952 repräsentativ ausgewählte Smartphone- Nutzende im Alter von 18 bis 73 Jahren zur Corona-Warn-App befragt. „Als entscheidungsrelevante Faktoren wurden ‚Vertrauen in die App‘ sowie ‚individuelle Informiertheit über die App‘ abgefragt“, erläutert Dr. Judith Meinert das Studiendesign. Dr. Yannic Meier fasst das Ergebnis zusammen: „Es zeigte sich, dass die App-Nutzenden (38%), ein höheres Wissen über die App, mehr Vertrauen in die App, eine höhere Wahrnehmung der Vorteile der Anwendung sowie geringere Privatheitsbedenken bezüglich der App-Nutzung hatten als die Nicht-Nutzenden (62%). Die Proband:innen der Studie wurden, unabhängig davon, ob sie die App bereits nutzten oder nicht, dazu befragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie die App zukünftig nutzen bzw. weiter nutzen würden. Insgesamt wurde deutlich, dass das Vertrauen in die Anwendung sowie in deren Anbieter:innen eine ganz entscheidende Rolle spielen – neben der Tatsache, dass wichtig ist, dass ein Nutzen erkannt wird.“ Einerseits ist es somit wichtig, nachvollziehbar darzustellen, wie die App funktioniert, damit potenzielle Nutzer:innen eigenständig beurteilen können, ob die App privatheitsschonend ist. Andererseits müssen die positiven Aspekte der App-Nutzung beworben werden, da die Nutzungsabsicht primär von der Wahrnehmung der Vorteile der Corona-Warn-App abhängt.

Informierte Entscheidungen auf der Basis von Transparenz und Fakten treffen

Menschen, die mit der Corona-Warn-App vor allem Vorteile für die Allgemeinheit verbanden, wiesen eine deutlich gesteigerte Absicht auf, die App in Zukunft (weiterhin) zu nutzen. „Damit zeigt die Studie, wie wichtig es ist, gut über die Vorteile für das Gemeinwohl zu informieren. Auf der anderen Seite ist es wichtig, transparent zu machen, ob und inwieweit eine App in die Privatsphäre des Einzelnen eingreift, damit Menschen am Ende eine informierte Entscheidung auf Basis dieser Fakten treffen können. Im Fall der deutschen Corona-Warn-App ist der Eingriff in die Privatsphäre, auch im Verhältnis zu anderen Corona-Warn-Apps allerdings vorbildlich, weil privatheitsfreundlich“, so Prof. Nicole Krämer. „Das ist sicher mitverantwortlich dafür, dass andere Faktoren als die Privatheitsbedenken sich in unseren Daten als einflussreicher erwiesen haben.“

Die Studie kann als Vorveröffentlichung unter https://psyarxiv.com/xk3t2/ heruntergeladen werden.

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