Die geplante Absenkung des sog. Höchstrechnungszinses von 0,9 % auf 0,25 % ab 2022 macht es Versicherungen praktisch unmöglich, weiter die Riester-Rente anzubieten. Damit entfällt ein wichtiger Baustein der Altersvorsorge, den bisher ein Drittel aller Berechtigten nutzt. „Nur eine vollkommene Abschaffung der Beitragsgarantie und des Verrentungszwangs können dazu beitragen, mittels Aktien und Anlagen nach Nachhaltigkeitskriterien dieses Produkt wieder attraktiv zu machen“, erklärt Carsten Zielke, Analyst und Inhaber der Zielke Research Consult GmbH. Nur so könnten sich die Bürger im Alter unabhängiger von der gesetzlichen Rentenversicherung machen. Bei bestehenden Riesterverträge sollte man heute schon die Kapitalentnahme zur energetischen Sanierung oder Modernisierung des Eigenheims zulassen. Hier stünden mehrere Milliarden Euro zur Verfügung. „Die eigene Photovoltaik-Anlage liefert wohl mehr Ertrag als eine konservative Kapitalanlage“, so Zielke.

Schon 2019 war die Solvenzsituation deutscher Lebensversicherer angespannt, wie aus der SFCR-Auswertung der Zielke Research Consult GmbH vom Juli 2020 hervorgeht. Ursache sind die Zinsen, da die deutschen Versicherer im Gegensatz zu anderen EU-Ländern lebenslange Verrentungsgarantien geben müssen. Je länger die Zahlungsverpflichtung ist, desto stärker ist die Zinsintensivität.

Daraus folgt, da die Unternehmen auf stabile Bilanzen achten müssen, dass die Versicherer manche Produkte nicht mehr anbieten können. „Volkswirtschaftlich geht damit ein wichtiger Pfeiler der privaten Altersversorgung verloren“, sagt Zielke.

Mehr Engagement in Aktien

Bis 2019 gab es 10,5 Millionen Riesterverträge, die von der Zinsentwicklung besonders betroffen sind. Damit greift rund ein Drittel aller Berechtigten auf diese Form der Altersvorsorge zurück. Fällt die Möglichkeit des Riesterns künftig weg, würde das die Anreize für eine zusätzliche private Altersversorgung schwächen. Der Bürger soll sich nicht allein auf den Staat verlassen müssen – das war Ziel jeder Bundesregierung seit Helmut Kohl. Auch die demographische Entwicklung verbietet es, allein auf die Sorge durch die Gemeinschaft zu hoffen: Heute sind 19 Prozent der Bevölkerung Renten- oder Pensionsempfänger, 2035 werden es mehr als 25 % sein.

Um aus dem Problem herauszukommen, fordert Zielke ein stärkeres Engagement der Assekuranz in Aktien und den Abbau aller Regeln, die dies bisher verhindern. Gleichzeitig sollten Versicherer wie Versicherte auch mehr für Nachhaltigkeit tun. „Von daher plädieren wir für ein Riester-Konstrukt ohne Garantien, in dem auch stark in Aktien investiert werden kann. Zusätzlich sollte es möglich sein, mit den Geldern beispielsweise auch sein Haus energetisch zu renovieren“, sagt Zielke. Hätten die Versicherer schon seit 2009 wenigstens 15% ihrer Kapitalanlagen in Aktien investiert, hätten sie ihre Leistungen nicht absenken müssen.

Um eine höhere Aktienquote tatsächlich zu erreichen, bedürfe es Reformen, die es den Versicherern erlauben, Kursschwankungen am Aktienmarkt auszuhalten, ohne zum Verkauf der Papiere gezwungen zu sein. Hierbei sei es aber auch wichtig, dass die Abschreibungsregeln auf Aktien denen der angestrebten Haltedauer angepasst werden.

Aufgrund von Initiativen Zielkes gemeinsam mit dem französischen Versicherungsverband wurde das „Durationsmodell Aktien“ in das Solvency-II-Regelwerk aufgenommen. Allerdings seien die Regeln so eng gefasst, dass sie von deutschen Lebensversicherern nicht umgesetzt werden können.

Nachhaltiges Altersvorsorgerkonstrukt als Vorbild

Gleichzeitig sollten Investmentfonds im Riester-Ansparprozess in den Wettbewerb zu den Versicherern treten – nur ohne Kapitalgarantie sei das im Ansparprozess möglich. Zudem müsse der Verrentungszwang abgeschafft werden, den es nur in Deutschland gebe. Damit erhalte der Ansparprozess für das Alter eine zusätzliche Dynamik. „Natürlich bedeutet das, dass der Kunde heute nicht genau weiß, wie hoch seine private Rente im Alter sein wird. Allerdings kann er sich sicher sein, dass sie höher ist, als wenn er es heute schon wüsste“, verspricht Zielke.

Zusätzlich sollte es möglich sein, mit dem vorhandenen Kapital aus Riesterverträgen auch sein Haus energetisch zu renovieren. „Wohnen ist eine große Herausforderung unserer Zeit. Der Klimaschutz muss auch in diesem Zusammenhang zügig und innovativ vorangetrieben werden. In allen Regionen muss Wohneigentum energetisch saniert werden. Investitionen in eine moderne Heizung oder eine Photovoltaikanlage bringen uns voran“, so Zielke. Aktuell ist die Entnahme für diese Form der Modernisierung leider nicht möglich.

„Anstatt kosmetische Veränderungen am Riesterkonstrukt vorzunehmen – wie der GDV-Vorschlag einer Absenkung der Beitragsgarantie auf 80% – sollte die aktuelle Krise genutzt werden, um grundsätzlich ein nachhaltiges Altersvorsorgekonstrukt in Gang zu setzen, das sich auch international als Vorbild erweisen könnte. Hier kann die Versicherungswirtschaft genauso wie die Asset-Management-Branche ihren Beitrag leisten. So kommen die Ziele des Green Deal näher.“

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