Der in Deutschland lebende vietnamesische Blogger und Demokratie-Aktivist Bui Thanh Hieu wurde von der Hacker-Gruppe Ocean Lotus angegriffen, die Verbindungen zur vietnamesischen Regierung haben soll. Auch weitere Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger sind betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt Amnesty Tech, ein interdisziplinäres Team aus Technologie- und Menschenrechtsexpertinnen und -experten.

Die Untersuchungen werden am Mittwoch, 24. Februar ab 02:02 Uhr hier veröffentlicht. Den Bericht finden sie vorab hier. ­­­­­­­­BERLIN, 23.02.2021 – Das Security Lab von Amnesty Tech schützt Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger weltweit vor technischen Angriffen. Es fand in Phishing-E-Mails an zwei prominente vietnamesische Menschenrechtsverteidiger, von denen einer seit 2013 in Deutschland lebt, sowie an eine vietnamesische NGO mit Sitz in den Philippinen Beweise dafür, dass für diese Angriffe zwischen 2018 und November 2020 die Hacker-Gruppe Ocean Lotus verantwortlich ist.

Wie die Untersuchung von Amnesty Tech ergab, wurde der Blogger und Demokratie-Aktivist Bui Thanh Hieu zwischen Februar 2018 und Dezember 2019 mindestens viermal Opfer von Späh-Software. Der bekannte Aktivist war wiederholt von vietnamesischen Behörden schikaniert worden, bevor er Zuflucht in Deutschland suchte, wo er seit 2013 lebt.

„Die jüngsten Angriffe durch Ocean Lotus zeigen, welchen Repressionen vietnamesische Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler im In- und Ausland ausgesetzt sind. Diese rechtswidrige Überwachung verstößt gegen das Recht auf Privatsphäre und unterdrückt die Meinungsfreiheit“, so Likhita Banerji, Expertin bei Amnesty Tech und Co-Autorin des Berichts.

Meinungsäußerungen im Internet werden im Zuge eines umfassenden Vorgehens gegen kritische Stimmen in Vietnam zunehmend kriminalisiert. Aktivistinnen und Aktivisten werden inhaftiert, schikaniert, angegriffen und zensiert, um sie zum Schweigen zu bringen. All dies geschieht auf der Grundlage vage formulierter und sehr weit gefasster Gesetze, die im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsstandards stehen. Amnesty International hat die vietnamesischen Behörden mit den Erkenntnissen konfrontiert, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung allerdings noch keine Antwort erhalten.

„Die vietnamesische Regierung muss eine unabhängige Untersuchung durchführen. Jede Weigerung, dies zu tun, würde den Verdacht, dass die Regierung an den Angriffen von Ocean Lotus beteiligt ist, nur weiter erhärten. Für den Schutz der Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger und eine solche unabhängige Untersuchung muss sich auch die Bundesregierung gegenüber der vietnamesischen Regierung einsetzen“, fordert Lena Rohrbach, Expertin für Menschenrechte und Digitalisierung bei Amnesty International in Deutschland.

Die Organisation Vietnamese Overseas Initiative for Conscience Empowerment (VOICE), die auf den Philippinen ansässig ist, vietnamesische Flüchtlinge unterstützt und sich für die Menschenrechte einsetzt, wurde im April 2020 ins Visier genommen. Ehemalige Mitarbeitende der NGO und ehrenamtliche Mitglieder wurden ebenfalls wiederholt schikaniert. Sie erhielten Reiseverbote oder die Behörden nahmen ihnen bei der Wiedereinreise nach Vietnam ihren Reisepass ab. Ein weiterer Blogger in Vietnam, dessen Name aus Sicherheitsgründen hier nicht genannt wird, wurde zwischen Juli und November 2020 dreimal angegriffen.

„Die Internetfreiheit wird in Vietnam in nie dagewesener Weise angegriffen. Doch trotz dieser Gefahren setzen sich mutige Aktivistinnen und Aktivisten weiterhin für die Menschenrechte ein. Die erbarmungslosen Repressionen, denen sie ausgesetzt sind und zu denen auch gezielte Cyber-Angriffe gehören, müssen ein Ende haben“, so Likhita Banerji.

Hintergrund

Alle Cyber-Angriffe erfolgten über E-Mails, in denen die Adressierten aufgefordert wurden, ein wichtiges Dokument über einen Link zum Herunterladen einer Datei zu teilen. In den jeweiligen Dateien befand sich Spyware für Mac OS- oder Windows-Betriebssysteme. Eine Analyse der E-Mails durch Amnesty Tech zeigte, dass Ocean Lotus hinter den Angriffen steckte, denn die Hacker-Gruppe ist für die Verwendung bestimmter Tools, Methoden und Netzwerkstrukturen bekannt. Cyber-Security-Firmen haben wiederholt festgestellt, dass die Hacker-Gruppe politische Dissidentinnen und Dissidenten aus Vietnam sowie ausländische Regierungen und Unternehmen im Visier hat.

Der gezielte Einsatz digitaler Überwachungstechnologien gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger ist nach internationalen Menschenrechtsstandards rechtswidrig. Die rechtswidrige Überwachung verstößt gegen das Recht auf Privatsphäre und schränkt die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sowie auf friedliche Versammlung ein.

Im Januar 2019 trat in Vietnam ein repressives Gesetz zur Cybersicherheit in Kraft, das der Regierung weitreichende Befugnisse einräumt, um die Internetfreiheit einzuschränken, Technologieunternehmen zur Herausgabe großer Datenmengen zu zwingen und Nutzerinhalte zu zensieren.

Amnesty International hat die systematische Unterdrückung in Vietnam durch Zensur, physische Angriffe, Kriminalisierung und die Schikanierung von Aktivistinnen und Aktivisten im Internet vor kurzem in einem Bericht dokumentiert. Der Bericht „Let Us Breathe“ zeigt auf, das Facebook und Google zunehmend zu Komplizen der Zensur durch die vietnamesischen Behörden werden.

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