Neven ist elf Jahre alt und wirkt wie ein ganz normaler Junge. Ein bisschen zu klein vielleicht, ein bisschen zu blass vielleicht. Im Alter von einem Jahr hat er die Diagnose bekommen: Diamond-Blackfan-Anämie. Eine angeborene, schwere, chronische Blutarmut, bei der die roten Blutzellen gar nicht oder nur unzureichend gebildet werden. Diese Form der Anämie gehört zu den seltenen Erkrankungen, den sogenannten "Waisen der Medizin". Pro eine Million Neugeborene sind nur fünf bis sieben Kinder betroffen. In ganz Südbrandenburg sind aktuell nur vier Fälle bekannt.

„Schon wenige Wochen nach der Geburt hat unsere Hebamme bemerkt, dass etwas nicht stimmt“, erinnert sich Mama Petra aus Raddusch. „Mein kleiner Blasschnabel – so hat sie Neven immer genannt und uns zum Kinderarzt geschickt“.

In der Kinderklinik des Carl-Thiem-Klinikums bekommt Neven nach einer Blutuntersuchung eine Bluttransfusion – die erste von vielen. Dann werden bei Neven eine Kochenmarkpunktion und eine genetische Diagnostik durchgeführt, danach steht die Diagnose fest: Diamond-Blackfan-Anämie. Alle vier bis sechs Wochen bekommt Neven daraufhin Bluttransfusionen. Gemeinsam mit den Kinderhämatologen am CTK wird die Therapie auf Cortison umgestellt und Neven spricht auf die dauerhafte Cortisontherapie an.

In den vergangenen Jahren war Mama Petra – wie viele andere betroffene Eltern auch – gezwungen, sich zu einer Expertin bezüglich der seltenen Krankheit ihres Sohnes zu entwickeln. Von Anfang an liest sie sehr viel über die Krankheit, ist in engem Austausch mit anderen Betroffenen und natürlich den Kinderhämatologen des Carl-Thiem-Klinikums. „Neven und ich haben uns hier immer sehr gut aufgehoben und behandelt gefühlt. Eine andere Klinik war für uns nie eine Option“, sagt sie. Um weitere Expertenmeinungen einzuholen, sind die Eltern mit Neven in die Uniklinik Freiburg gefahren, mit denen die Cottbuser Kinderhämatologen in Verbindung stehen. Von dort hat sie die Empfehlung, die Therapie jetzt wieder umzustellen. Wieder zurück auf die Bluttransfusionen. Die Ärzte hoffen so, Nevens Wachstum vor und während der Pubertät anzuregen.  In Cottbus bekommen Neven und seine Familie große Unterstützung durch PD Dr. med. Georg Schwabe. Der Kinderarzt und Kinderonkologe ist nicht nur Chefarzt des Sozialpädiatrischen Zentrums des CTK, sondern hat am Klinikum auch das Zentrum für Unerkannte und Seltene Erkrankungen (ZUSE) gegründet. Das Zentrum bildet einen Rahmen für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kliniken, Instituten des CTK, wissenschaftlichen, Studieneinrichtungen und Praxen. Ziel ist es, die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen in Cottbus und in der Lausitz zu verbessern.

Seit einigen Monaten engagiert sich Dr. Schwabe auch im Förderverein des CTK – dieser hat sich die Unterstützung der Erforschung und Therapie seltener und unbekannter Erkrankungen auf die Fahnen geschrieben. Z.B. um innovative Therapiekonzepte zu entwickeln, die Verbindung zu anderen Zentren zu verbessern und um betroffene Familien zu unterstützen. Auch Neven fährt mit seiner Familie jedes Jahr zu Treffen der Diamond-Blackfan-Anämie-Selbsthilfe nach Hessen. Der Austausch mit anderen betroffenen Eltern gebe ihr Kraft, erzählt Mama Petra. Und die Informationen zu neuen Studien Zuversicht. Wieder in Cottbus tauscht sie sich dann immer mit Dr. Schwabe dazu aus: „Gemeinsam tasten wir uns an Nevens Therapieoptimierung heran“.

Im vergangenen Jahr waren die Aktivitäten des Förderverein coronabedingt eingeschränkt. Aber für dieses Jahr hat sich Dr. Georg Schwabe viel vorgenommen. Für seine jungen Patienten, die Krankheiten haben, die kaum ein Arzt kennt. „Unser Ziel ist es, Patientinnen und Patienten mit unerkannten und seltenen Erkrankungen vor Ort in Cottbus gemeinsam mit den großen Universitätskliniken auf höchstem medizinischem Niveau zu diagnostizieren und zu behandeln.“

Neven wird jetzt für die Bluttransfusionen wieder häufiger ins CTK kommen. Bei einem ersten Termin auf der Station erinnert sich eine der Krankenschwestern „Dich kenn ich doch noch als Baby“. Krankenhausaufenthalte werden vermutlich in der Zukunft wieder zu Nevens Leben dazugehören. Doch aus Freiburg hört man bereits, dass an neuen Medikamenten zur Behandlung der Diamond-Blackfan-Anämie geforscht wird – ein wichtiger Hoffnungsschimmer für Neven und seine Familie. Es gibt ihnen das Gefühl, dass sie nicht mehr zu den „Waisen der Medizin“ gehören, sondern dass die Medizin sich intensiv um sie kümmert.

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