„Allerdings bieten die leicht gestiegenen Mitgliederzahlen keinen Grund zum Aufatmen“, erklärt Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der hessischen Ärztekammer. Vielmehr müsse die Statistik in den richtigen Kontext gerückt werden. „So beobachten wir seit Jahren einen unaufhaltsamen Rückgang beim ärztlichen Nachwuchs“, so Pinkowski. Während aktuell 6.046 Mitglieder unter 35 bei der Ärztekammer gemeldet sind (zum Vergleich: 2020 waren es noch 5.943), waren es Anfang der 1990er Jahre 5.393 junge Ärztinnen und Ärzten – bei einer damaligen Gesamtzahl von 22.894 Mitgliedern. Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass die hessische Bevölkerung seit 1990 um über 500.000 Einwohnerinnen und Einwohner stark gewachsen sei: von 5.763.310 im Jahre 1990 auf 6.288.080 2019 (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt: „Bevölkerung in Hessen seit 1950“, 2020). „Vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft, die aufgrund immer vielfältigerer Krankheitsbilder – Stichwort Komorbidität – immer häufiger ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen muss, bereitet uns diese Entwicklung seit Jahren große Sorge. Auch in der Corona-Pandemie wird einmal mehr deutlich, wie hoch der Bedarf an Ärztinnen und Ärzten in der Patientenversorgung ist“, so der Ärztekammerpräsident.
Der Ärztemangel wird zusätzlich dadurch verschärft, dass immer mehr junge Ärztinnen und Ärzte vor einer Niederlassung zurückschrecken. Gründe dafür sind das vermeintlich hohe Investitionsrisiko und die von den Krankenkassen erhobenen Regress-Forderungen. Auch sind immer mehr Ärztinnen und Ärzte unter 35 in Teilzeit tätig, um Familie und Beruf besser vereinen zu können. Dies führt wiederum zu fehlender Arztzeit in Kliniken wie Praxen. So ging die Bundesärztekammer (BÄK) 2019 davon aus, dass es 160 bis 200 Studienanfänger bedürfe, um 100 Mediziner, die heute in Vollzeit tätig sind, in Zukunft zu ersetzen. Außerdem steht der Ruhestand der sog. Babyboomer-Generation in den Jahren 2024, 2025 bevor. Schon jetzt sind rund 54% der hessischen Niedergelassenen über 55 Jahre alt.
„Leicht steigende Mitgliederzahlen können den sich zuspitzenden Ärztemangel nicht aufhalten“, resümiert der Ärztekammerpräsident. „Abhilfe schaffen kann hier nur eine entschiedene Erhöhung von Medizinstudienplätzen – so wie von der Landesärztekammer seit Jahren immer wieder gefordert“.
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