Der 27. Januar, an dem 1945 sowjetische Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz befreiten, ist seit 25 Jahren in Deutschland der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und seit 2005 Internationaler Holocaust-Gedenktag der Vereinten Nationen.
Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke erklärt: „Dieser Tag hat für Deutschland und das Land Brandenburg eine besondere Bedeutung – für unser Selbstverständnis, für das kollektive Gedächtnis, für unseren Wertekanon. Er ist wichtig für die Überlebenden, und er wird immer wichtiger für die Jungen, die in Frieden aufgewachsen sind und sich das unfassbare Leid in einem Konzentrationslager nicht vorstellen können. Niemand kann es sich vorstellen, der es nicht erlebt hat.
Für das Parlament und für mich als Präsidentin steht fest: Wir Deutsche werden bis ans Ende der Zeit Verantwortung tragen für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von Deutschen begangen worden sind. Dieses Bekenntnis ist für unser Miteinander in einer freiheitlichen Demokratie unverzichtbar und eine tief empfundene Anteilnahme am verlustreichen Leben der Angehörigen und Nachfahren der Ermordeten. Antisemitismus, Diskriminierung von Minderheiten und rassistische Gewalt und Hetze sind Gefahren für unser gesamtes gesellschaftliches Leben, denen sich jeder Einzelne selbst widersetzen muss.“
Stiftungsdirektor Axel Drecoll: „Für die Hinterbliebenen, die Kinder und Kindeskinder der Opfer, ist die NS-Verfolgung Teil ihrer Familiengeschichte. Die Folgen der Verbrechen sind für sie bis heute deutlich zu spüren: Enge Verwandte kehrten nicht mehr zurück oder waren nach der Befreiung physisch versehrt und schwer traumatisiert. Auch und gerade für die Angehörigen sind daher Gedenken und kritische Auseinandersetzung mit der NS-Terrorherrschaft eminent wichtig.
Der Gedenktag am 27. Januar sollte unseren Blick auch auf die breite Beteiligung der Gesellschaft an den NS-Verbrechen lenken. Gerade diese Verstrickung oder bestenfalls indifferente Haltung der Mehrheitsgesellschaft sollte uns auch heute noch beunruhigen. Sie führt uns die Zerbrechlichkeit unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates deutlich vor Augen. Sie zeigt, dass wir uns die Gültigkeit fundamentaler Wert – die Würde jedes Menschen, Respekt und Solidarität – immer wieder neu erarbeiten und gegen Angriffe verteidigen müssen.“
Da sich in diesem Jahr der Überfall des NS-Regimes auf die Sowjetunion zum 80. Mal jährt, stehen die Opfer der größten Massenmordaktion im KZ Sachsenhausen im Mittelpunkt des Gedenkens. Dabei wurden zwischen Anfang September und Anfang November 1941 mehr als 10.000 sowjetische Kriegsgefangene von der SS erschossen. Der von 1939 bis 1943 als politischer Häftling im KZ Sachsenhausen inhaftierte Emil Büge wurde als Schreiber in der Politischen Abteilung Zeuge der Massenmordaktion, über deren Beginn er später berichtete:
„Am Sonntag, den 31. August 1941, trifft der erste Transport von 448 Russen von Stalag Nummer 315 ein. Es sind Juden und 22 Soldaten, unter denen sich drei Tote befinden (…). Ein Junge von 14 Jahren ist dabei, vier von 15 Jahren, sieben von 16. (…) Am 1. September sind bereits bis zum Mittag sieben Tote unter ihnen zu verzeichnen. Die Leute bekommen dann mittags einen Liter Essen, und abends werden sie in Trupps von etwa 20 in einem geschlossenen Auto (…) abgeholt und zum Industriehof gebracht, wo sie in der dafür vorbereiteten Baracke durch Genickschuss umgelegt werden. Damit die übrigen Delinquenten nicht am Knallen der Schüsse merken, was passiert, wird über einen Radio-Lautsprecher dazu Musik gespielt, die aber nicht so laut ist, dass wir Häftlinge in den in der Nähe befindlichen Blocks (…) die Schüsse nicht hören könnten. Das ganze mit 11.000 Häftlingen belegte Lager (…) wird Zeuge der entsetzlichen Tragödie. Bis nachts um zwei oder drei Uhr sind alle Russen tot, und anschließend beginnt die Verbrennung der Leichen in vier fahrbaren Feldöfen zur Kremierung von Leichen.“
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