Die Bundesregierung plant, die Erfassung von Kfz-Kennzeichen weiter zu legalisieren. Die Datenbanken sollen dann von Polizei, Zoll und anderen Fahndungsbehörden genutzt werden können. Eine entsprechende Rechtsgrundlage hat das Bundeskabinett am Mittwoch, 20.1.2021 auf den Weg gebracht. Der Strafprozessordnung (StPO) soll dafür ein §163g hinzugefügt werden, so planen es die Ministerinnen und Minister. [1]

„Damit soll bundesweit legalisiert werden, was schon auf Länderebene äußerst umstritten ist“, kommentiert Frank Rosengart die Regierungspläne. Frank Rosengart ist der Vertreter des Chaos Computer Clubs in der Jury der BigBrotherAwards und hatte im September 2020 den BigBrotherAward an das Land Brandenburg für die anlasslose und dauerhafte Kennzeichenerfassung auf der A 12 verliehen. [2] Auch Bayern steht seit längerem in der Kritik wegen Kfz-Kennzeichenerfassung. [3]

„Es ist zu erwarten, dass die geplante bundesweite Erlaubnis vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hat“, gibt Rena Tangens, Vorstandsmitglied von Digitalcourage zu bedenken. Denn schon 2008 stellte das höchste Gericht klar, dass es enge Grenzen für die Verhältnismäßigkeit dieses Grundrechtseingriffes gibt. Die geplante Neuerung in der StPO lässt aber vieles vage: So sollen Kfz-Kennzeichen „vorübergehend“ und „örtlich begrenzt“ beim Verdacht auf „erhebliche Straftaten“ erlaubt werden – „Das ist viel zu viel Ermessensspielraum“, so Tangens. „Außerdem: Einen Richtervorbehalt soll es offenbar nicht geben. Eine schriftliche Anordnung der Staatsanwaltschaft soll ausreichen – bei “Gefahr im Verzug" darf die Anordnung sogar mündlich und durch „die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“ [4] ergehen. Die Polizei kann sich also im Zweifel selbst dazu berechtigen." [1]

„Das steht in keinem Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in die Grundrechte durch Kennzeichenerfassung“, sagt Frank Rosengart. „Am Beispiel Brandenburg sehen wir, dass trotz strenger gesetzlicher Vorgaben die polizeiliche Praxis völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Leider haben dort sämtliche Kontrollmechanismen versagt, so dass über viele Jahre eine grundrechtswidrige Datensammlung auf Vorrat stattgefunden hat. Die butterweiche geplante neue Regelung in der StPO wird den Missbrauch noch leichter machen.“

BigBrotherAwards:
Die BigBrotherAwards – die „Oscars für Datenkraken“ – sind ein Datenschutz-Negativpreis, der seit dem Jahr 2000 jährlich an Firmen, Politiker, Institutionen oder auch Technologien geht, die Grundrechte und Datenschutz verletzen. Sie bekommen durch die Preisverleihung, was sie zumeist gar nicht mögen: Das Licht der Öffentlichkeit. Mehr Info und alle Preisträger:
https://bigbrotherawards.de

Chaos Computer Club:
Der Chaos Computer Club e. V. (CCC) ist die größte europäische Hackervereinigung und seit über dreißig Jahren Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen. Die Aktivitäten des Clubs reichen von technischer Forschung und Erkundung am Rande des Technologieuniversums über Kampagnen, Veranstaltungen, Politikberatung, Pressemitteilungen und Publikationen bis zum Betrieb von Anonymisierungsdiensten und Kommunikationsmitteln.

Quellen:
[1]https://www.heise.de/downloads/18/3/0/4/2/3/3/6/RegE_StPO_Fortentwicklung.pdf_jsessionid_4D6FCF97D337A3FC9909FF0068672168.1_cid324.pdf (Seite 16)
[2] https://bigbrotherawards.de/2020/behoerden-verwaltung-brandenburg-innenminister
[3] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Kfz-Kennzeichen-Scanning-Bayern-und-Brandenburg-speichern-Fahrer-auf-Vorrat-4420441.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Ermittlungsperson_der_Staatsanwaltschaft

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Digitalcourage engagiert sich seit 1987 (bis 2012 als FoeBuD e.V.) für Datenschutz, Grundrechte und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter. Seit 2000 organisiert der Verein die Verleihung der BigBrotherAwards in Deutschland. 2008 erhielt Digitalcourage die Theodor-Heuss-Medaille für besonderen Einsatz für Bürgerrechte.
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