Wir hatten erwartet, dass die treibende Kraft für chinesische Aktien die Liquidität aus den Industrieländern sein würde, die aus der beispiellosen quantitativen Lockerung im Westen in Verbindung mit der Ausweitung der Zinsdifferenzen zwischen USD/EUR und RMB resultiert. Bisher war dies aber in diesem Jahr nicht der entscheidende Faktor. Die Zuflüsse kommen nun von chinesischen Privatanlegern.
Dafür gibt es zahlreiche Gründe. 2020 war ein großartiges Jahr für den chinesischen A-Aktienmarkt. Die chinesischen inländischen Investmentfonds beschränken ihre Investitionen typischerweise auf nur 400 Aktien, wobei sich zwei Drittel ihrer Vermögenswerte auf 100 Aktien aus einem Gesamtuniversum von 4000 konzentrieren, so das Finanzmagazin Caixin. Dies hat die Bewertung der beliebten Titel in absurde Höhen getrieben, insbesondere in bestimmten Sektoren wie Spirituosen und Gewürze.
Die starke Performance des A-Aktienmarktes zog noch mehr Privatkundengelder in Investmentfonds an. Allein in der ersten Woche des Jahres 2021 wurden nicht weniger als 21 Investmentfonds aufgelegt, die insgesamt 120 Mrd. RMB (umgerechnet 18,5 Mrd. USD) einsammelten. Viele von ihnen erreichten bereits am ersten Tag der Vermarktung 10 Mrd. RMB.
Wenn es darum geht, dieses Geld zu investieren, sind die Möglichkeiten begrenzt: Außerhalb von Festlandchina dürfen chinesische Aktienfonds nur in Hongkong investieren, und zwar bis zu 50 % ihres Volumens. Nach der guten Performance der A-Aktienmärkte im letzten Jahr erreichte der Aufschlag der A-Aktien gegenüber den H-Aktien für doppelt gelistete Unternehmen im Oktober 2020 mit 50 % ein Elfjahreshoch. Hongkong-Aktien waren im Vergleich zu ihren A-Aktien-Pendants schon lange nicht mehr so günstig. Die Aufwertung des RMB gegenüber dem USD lässt die in Hongkong notierten Aktien noch attraktiver erscheinen, da alle H-Aktien in Hongkong-Dollar gehandelt werden, der an den USD gekoppelt ist. Dies hat eine Liquiditätsrotation vom chinesischen Festland nach Hongkong ausgelöst. Dies erfolgt über den Southbound Stock Connect, den 2016 eingerichteten Kanal, der es Anlegern vom Festland ermöglicht, in Hongkong notierte Aktien zu kaufen.
Ein weiterer Auslöser war Ende letzten Jahres das Blacklisting vieler chinesischer Unternehmen durch die USA, weil sie angeblich mit der chinesischen Volksbefreiungsarmee in Verbindung stehen. Viele in Hongkong gelistete chinesische Blue-Chip-Unternehmen wurden daraufhin von ETFs und US-Fonds abgestoßen. Dies eröffnete Anlegern vom Festland, die in Hongkong investieren, eine noch nie dagewesene Chance: 94 % des bisherigen Jahresumsatzes von China Mobile sind Zuflüsse über Southbound vom chinesischen Festland. Beim Ölriesen CNOOC sind es 74 %. Derartige Zahlen gab es zuvor noch nie.
Die Southbound-Zuflüsse machten seit Jahresbeginn bisher 7,7 % aller Transaktionen am Hongkonger Markt aus, verglichen mit 2,3 % im gesamten Jahr 2020. Laut Bloomberg kauften Festland-Investoren in den ersten drei Wochen des Jahres 2021 Hongkonger Aktien im Wert von knapp 29 Mrd. USD. Das ist fast ein Drittel dessen, was sie im gesamten Jahr 2020 gekauft hatten.
Wir gehen davon aus, dass dieser Trend noch eine Weile anhalten wird, zumindest solange die Investmentfonds in China weiterhin Geld vor Ort einsammeln und solange die A/H-Prämie hoch bleibt. Der anhaltende Aufwertungstrend des RMB ist die andere Triebfeder. Die Bewertung des Hongkonger Marktes könnte im Laufe der Zeit weiter nach oben getrieben werden, wenn die laufende Neubewertung der Megakonzerne auf andere Bereiche übergreift. Dennoch sind wir uns der Risiken der Euphorie bewusst.
Quellen: Bloomberg, Caixin, Citi, China Tonghai Securities
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