Die KI-basierte Auswertung medizinischer Bilddaten erfordert üblicherweise für jede Fragestellung einen speziell entwickelten Algorithmus. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum präsentieren nun ein neues Verfahren, um selbstlernende Algorithmen für eine Vielzahl verschiedener Bilddatensätze zu konfigurieren – ohne dass dafür Expertenwissen oder außergewöhnliche Rechenleistung erforderlich wäre.

Bei der Auswertung medizinischer Bilddaten verspricht die künstliche Intelligenz (KI) Unterstützung und Entlastung für die Ärzte – insbesondere auch in der Krebsmedizin. Doch ob es darum geht, die Ausdehnung eines Hirntumors für die Therapieplanung zu vermessen oder die Rückbildung von Lungenmetastasen im Verlaufe einer Strahlentherapie zu dokumentieren: Zunächst müssen die Rechner die dreidimensionalen Bilddatensätze der CTs oder MRTs zu interpretieren lernen. Sie müssen unterscheiden können, welcher Bildpunkt zum Tumor gehört und welcher nicht. Diese Unterscheidung bezeichnen KI-Experten als semantische Segmentierung.

Für jede einzelne Aufgabenstellung – etwa ein Nierenkarzinom in CT-Bildern oder einen Brustkrebs im MRT zu erkennen – müssen Wissenschaftler spezielle Algorithmen entwickeln, die diese Unterscheidung vornehmen und Vorhersagen treffen können. Als Trainingsmaterial für das maschinelle Lernen dienen dabei Bilddatensätze, in denen Ärzte bereits per Hand markiert haben, was Tumor ist, was gesundes Gewebe und was andere wichtige anatomische Strukturen sind.

Die Entwicklung solcher Segmentierungs-Algorithmen erfordert Erfahrung und Expertenwissen. "Das ist nicht trivial und geht normalerweise mit zeitaufwändigem ,Versuch und Irrtum‘ einher", sagt Medizininformatiker Fabian Isensee, einer der Erstautoren der aktuellen Publikation. Zusammen mit seinen Kollegen in der Abteilung von Klaus Maier-Hein am DKFZ hat er nun eine Methode entwickelt, die sich dynamisch und vollautomatisch beliebigen Bilddatensätzen anpasst und so auch Personen mit geringeren Vorkenntnissen ermöglicht, selbstlernende Algorithmen für bestimmte Aufgabenstellungen zu konfigurieren.

Das nnU-Net genannte Verfahren kann mit einer großen Bandbreite an Bilddaten umgehen: Neben den klassischen bildgebenden Verfahren wie CT und MRT lassen sich damit auch Bilder aus der Elektronen- und Fluoreszenzmikroskopie bearbeiten.

In internationalen Fachwettbewerben erzielten die DKFZ-Forscher mit nnU-Net bei 33 von 53 verschiedenen Segmentierungsaufgaben den besten Platz – obwohl sie dabei gegen hochspezifische und von Experten für individuelle Spezialfragen entwickelte Algorithmen antraten.

Das Team um Klaus Maier-Hein stellt nnU-Net als Open-Source-Tool kostenfrei zum Download zur Verfügung. "nnU-Net ist sofort einsatzbereit, kann auf Bilddatensätzen trainiert werden und spezielle Aufgaben erfüllen – ohne dass dafür besondere computerwissenschaftliche Spezialkenntnisse oder eine außergewöhnliche Rechner-Ausstattung erforderlich wäre", erklärt Klaus Maier-Hein.

Bislang wird die KI-unterstützte Auswertung medizinscher Bilddaten hauptsächlich im Forschungskontext genutzt und hat noch keinen breiten Einzug in die klinische Routineversorgung von Krebspatienten gehalten. Doch Medizininformatiker und Ärzte sehen großes Anwendungspotenzial, beispielsweise wenn es um hochrepetitive Aufgaben geht, wie sie häufig im Rahmen großer klinischer Studien auftreten. "nnU-Net kann dabei helfen, dieses Potenzial zu heben", so Studienleiter Maier-Hein.

Fabian Isensee, Paul F. Jaeger, Simon A. A. Kohl, Jens Petersen, and Klaus H. Maier-Hein: nnU-Net: A Self-Configuring Method for Deep Learning-based Biomedical Image Segmentation.
Nature Methods 2020, DOI: 10.1038/s41592-020-01008-z

BU: nnU-Net verarbeitet eine Vielzahl von Datensätzen und Bildeigenschaften. Alle Beispiele stammen aus den Testsätzen verschiedener internationaler Segmentierungs-Wettbewerbe. Die Zielstrukturen für jeden Datensatz wurden in 2D auf die Rohdaten projiziert (links) und außerdem zusammen mit einem Volumen-Rendering der Rohdaten in 3D dargestellt (rechts).
a: Herz (grün), Aorta (rot), Luftröhre (blau) und Speiseröhre (gelb) in CT-Bildern, b: synaptische Spalten (grün) in elektronenmikroskopischen Aufnahmen, c: Leber (gelb), Milz (orange), linke/rechte Niere (blau/grün) in T1-Inphase MRT, d: Bauchorgane in CT-Bildern, e: Leber (gelb) und Lebertumoren (grün) in CT-Bildern, f: Herz: rechter Ventrikel (gelb), linker Ventrikel (blau). Myokard des linken Ventrikels (grün) im MRT, g: Prostata (gelb) im MRT, h: Knoten in der Lunge (gelb) in CT-Bildern, i: Nieren (gelb) und Nierentumore (grün) in CT-Bildern, j: Gehirn: Ödem (gelb), Tumor (violett), Nekrose (grün) im MRT, k: linke Herzkammer (gelb) im MRI, l: Lebergefäße (gelb) und Lebertumoren (grün) im CT, m: Lungenkrebszellen (violett) in der Fluoreszenzmikroskopie n: Zellkerne in der Fluoreszenzmikroskopie

Über Deutsches Krebsforschungszentrum

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.

Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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