Die 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) wurde 125 Jahre nach Entdeckung der Röntgenstrahlung zum ersten Mal erfolgreich digital durchgeführt. An drei überaus spannenden Kongresstagen wurden aktuelle technologische Trends aus dem ständig wachsenden Gebiet der Medizinischen Physik vorgestellt. Rund 650 Expertinnen und Experten diskutierten neue Forschungsergebnisse und Spitzentechnologien in 30 Wissenschaftlichen Sessions mit 183 Vorträgen, 19 Postersessions und 14 Fachsitzungen.  

Ein Großteil des Programms befasste sich mit der Strahlentherapie, die aufgrund verbesserter Diagnostik mit immer komplexeren Verfahren eine zunehmend individuellere, auf einzelne Patienten zugeschnittene Therapie ermöglicht. Daneben hatten Fragen der Anwendung ionisierender Strahlung in Nuklearmedizin und Radiologie einen großen Raum. Breit diskutiert wurde die Umsetzung der Novellierung des Strahlenschutzrechts von Anfang 2019, nach welcher Medizinphysiker bei diesen Anwendungen enger involviert sind. Ein fester Programmbestandteil waren auch die Medizinische Physik des Hörens in der Audiologie, die Medizinische Optik sowie verwandte Gebiete. 

„Medizinische Physik hat den GANZEN Menschen im Blick“ 

Die aktuellen Schwerpunkte dieses seit jeher durch fachlich hochwertige Beiträge ausgewiesenen wissenschaftlichen Kongresses konnten die Teilnehmer aus 15 Ländern weltweit begeistern. Den diesjährigen Fokus legten die beiden Kongresspräsidenten Prof. Dr. rer. nat. Ulrich Wolf, Leitender Medizinphysiker der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Leipzig, und Prof. Dr.-Ing. Bernhard Sattler, Leitung Medizinische Physik und Strahlenschutz der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, auf eine umfassende Verbindung der verschiedenen fachwissen­schaftlichen Bereiche nach dem Motto: „Medizinische Physik hat den GANZEN Menschen im Blick".  

Eines der Highlights war eine von SIEMENS und United Imaging Healthcare gesponserte Sitzung zu neuen PET/CT-Systemen mit erweitertem axialen Gesichtsfeld bis zur Länge von fast 2m, die die Daten aus dem Inneren der Patienten nicht nur schichtweise nacheinander, sondern gleich komplett bis zur Länge des ganzen Körpers aufnehmen können. Mit einem auf den gesamten Körper ausgedehnten axialen Gesichtsfeld und der digitalen Detektortechnik ist es nun möglich, mit bisher ungekannter Empfindlichkeit, Schnelligkeit und damit zeitlicher Auflösung funktionelle, den Stoffwechsel betreffende Vorgänge darzustellen. Damit können nun besser Interaktionen und Abhängigkeiten nicht nur über Organe und Organsysteme verfolgt werden, sondern sogar auch über größere Bereiche bis hin zum ganzen Körper – ein riesiger Sprung für die Effektivität in der Datenaufnahme im Bezug auf die eingesetzte Menge der radioaktiven Substanzen. Sie können nun weiter minimiert werden und die Zeit, die Patienten im Gerät verbringen müssen, kann erheblich verkürzt werden. „Diese Bildgebungsmodalität wird ganz neue Forschungsfelder und klinische Anwendungsmöglichkeiten eröffnen und die Versorgung mit PET/CT-Diagnostik zunächst in Maximalversorgungshäusern revolutionieren“, zeigte sich Prof. Sattler überzeugt.  

Spannende Plenarvorträge renommierter Experten 

Der historische Bogen wurde von den Plenarvorträgen renommierter Experten aus der Medizinischen Physik und angrenzenden Disziplinen von der Entdeckung der Röntgenstrahlen bis zu modernsten Anwendungen gespannt. Die Entdeckung der Röntgenstrahlen ermöglichte vor 125 Jahren erstmalig einen Blick in den lebenden Menschen, indem zum ersten Mal nicht nur Äußeres zur Diagnose, sondern auch Informationen über innere Strukturen als Bild verfügbar waren. Prof. Dr.-Ing. habil. Andreas Keller vom Institut für Biomedizinische Technik und Informatik der Technischen Universität Ilmenau gab einen historischen Überblick von den Anfängen seit Entdeckung der Röntgenstrahlen bis hin zu technologischen Entwicklungen der Gegenwart. Hochinteressant war die Historie der Entwicklung von Röntgenröhren, wobei es galt, die klinischen Anforderungen mittels intelligenter technischer Lösungen beim Bau von Röntgenröhren bis an die Grenzen der physikalisch-technischen Machbarkeit auszuloten. Prof. Dr. Marc Kachelrieß, Leiter der Abteilung für Röntgenbildgebung und CT am Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ Heidelberg, setzte diesen Bogen mit seiner Präsentation zu modernsten Entwicklungen in der Computertomografie weiter fort. Das Gebiet der Molekularen Bildgebung hat in den letzten Jahren teilweise quantensprungartige Fortschritte gemacht“, so Prof. Sattler. PET und PET-CT-Hybridsysteme mit struktureller und funktioneller Bildgebung sowie die seit einigen Jahren verfügbare Kombination aus PET und MRT als ein weiterer Meilenstein der molekularen Bildgebung erlauben eine umfassende ganzheitliche Diagnostik.

Fortschritte in der Planung, Durchführung und Verifikation der Strahlentherapie 

Es wurden Fortschritte hin zur adaptiven Strahlentherapie vorgestellt, wo zum einen die Bestrahlungsplanung auf die momentane Position des Tumors als Zielgebiet der Strahlung im Körper mit dem modernsten Therapiegerät, dem MR-Linac, angepasst wird, zum anderen aus den Informationen über die Wirkung der Strahlentherapie die Dosisverteilung selbst noch besser auf die zu behandelnden Tumorbereiche gerichtet wird. Prof. Wolf hob die großen Fortschritte bei der Lokalisation von Tumoren und Metastasen hervor. Flankiert werde das durch Entwicklungen auf dem IT-Sektor mit schnelleren und verbesserten Verfahren der Bestrahlungsplanung, zur Steuerung und Kontrolle der Bestrahlung sowie zur Dokumentation und Auswertung der Ergebnisse. Auch die relativ aufwändige und teure Technologie der Partikeltherapie, die aufgrund der Wechselwirkungsphysik in speziellen Fällen Vorteile in der physikalischen Dosisverteilung bietet, nahm mit spannenden Beiträgen von Oncoray aus Dresden, einem Partner des DKFZ im Nationalen Strahlenforschungszentrum in der Onkologie, einen breiten Raum auf der Tagung ein.  

„KI“ in allen Bereichen der Medizinphysik 

Aktuelle Themen wie die immer stärkere Digitalisierung in der Medizin, Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) haben verstärkt Einfluss auf das Arbeitsumfeld in der Medizinphysik und waren daher in Strahlentherapie und Diagnostik wieder wichtige Diskussionspunkte. Sie spielen eine große Rolle für veränderte Arbeitsbedingungen von Medizinphysikern, wie Prof. Wolf feststellte: „KI kann uns helfen, viele Prozesse in Diagnostik und Therapie effizienter, präziser und auch weniger fehleranfällig zu machen.“ Prof. Sattler brachte es auf den Punkt: „Algorithmen können – nach sinnvollem Training – sehr viel schneller tausende Bilder miteinander vergleichen. Was sie aber im Vergleich zum Menschen nicht können, ist Assoziieren, Abwägen, Entscheiden. Der unglaubliche Nutzen von KI-Verfahren ist aber die Unterstützung dieser Dinge auf Basis einer Datenmenge, die kein Mensch auch nur ansatzweise auf die immer gleiche rationale Weise in Bruchteilen von Sekunden hinzuziehen kann.“ 

Interdisziplinärer Austausch digital gelungen 

Fort- und Weiterbildungsangebote zur Optimierung der bildgebenden Verfahren in Radiologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin und Audiologie waren wieder gut besucht. Es wurde einmal mehr deutlich, wie rasant sich die Medizinische Physik in allen Bereichen weiterentwickelt. Ergänzend zu den wissenschaftlichen Fachsitzungen, Poster- und Plenarvorträgen beteiligten sich Nachwuchswissenschaftler des DGMP Arbeitskreises Junge Medizinphysik wieder aktiv mit 3 selbst gestalteten Sitzungen aus den Forschungsgruppen sowie den Studiengängen zur Medizinischen Physik in Deutschland. Zur feierlichen Behnken-Berger-Preisverleihung wurden zwei weitere spannende Vorträge gehalten.  

Begleitend zum Fachkongress gab es 3 Industriesymposien und 10 weitere Industriesitzungen. Führende Hersteller neuer Geräte und innovativer Software standen für den intensiven Austausch mit wissenschaftlich und klinisch tätigen Medizinphysikern zur Verfügung.  

Insgesamt wurde der Kongress als großer Erfolg gewertet. „Die Kongressteilnehmer konnten sich diesmal nicht persönlich, sondern nur im Netz treffen. Die Bereitschaft war groß, diesen kommunikativ neuen und herausfordernden Weg mit uns und der DGMP zu beschreiten“, betonte Prof. Wolf. „Der Anteil vergleichsweise junger Wissenschaftler bei unserem fachwissenschaftlichen Austausch war auch in diesem Jahr erfreulich groß. “ 

Ausblick auf die Dreiländertagung der ÖGMP, DGMP und SGSMP 2021  

Schon jetzt laden die Tagungspräsidenten Univ.-Prof. Dr. DI Dietmar Georg und Univ.-Prof. Dr. DI Wolfgang Birkfellner zur Dreiländertagung der Österreichischen Gesellschaft für Medizinische Physik (ÖGMP), der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) und der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Medizinische Physik (SGSMP) vom 19. bis 22. September 2021 in das Austria Center Vienna (Wien/AT) ein. Weitere Informationen zur Tagung gibt es auf der Tagungshomepage www.dgmp-kongress.de

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