Die Initiative des Schweizer Bundesamts für Verkehr zu einem Gäubahn-Gipfel mit Bund, Bahn und Land wird vom ökologischen Verkehrsclub VCD unterstützt. Obwohl seit 1996 eine Verständigung mit der Schweiz über die Ertüchtigung und Beschleunigung der internationalen Bahnverbindung von Stuttgart nach Zürich über die Gäubahn vorliege, sei bisher in Deutschland nichts passiert, beklagt der VCD. Das Schweizer Bundesamt erhofft sich durch den Gipfel ein Konzept für den weiteren Ausbau und Fahrplan der Gäubahn, sowie den bestehenden Staatsvertrag von 1996 zu moderni­sieren und anzupassen.  

„Die Schweiz wartet seit Jahren bislang vergeblich auf eine Fahrzeitverkürzung auf der Strecke – seit dem Abzug der Neigetechnik-ICEs seien die Züge 20 Minuten länger unterwegs. Nun will die Autostadt Stuttgart im Rahmen des Städtebaus die Strecke sogar gänzlich kappen und die Züge jahrelang im Vorort enden lassen, um so schnell wie möglich eine Tiefgarage dort errichten zu können, wo heute die Züge der Gäubahn im Hauptbahnhof halten. “, beschreibt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb die Situation. 

„Die neuen Pläne des Bundes für einen neuen Gäubahntunnel zusammen mit den Plänen der Stadt Stuttgart, die Gäubahn ab Sommer 2025 zu unterbrechen, haben die Schweizer wachgerüttelt“ stellt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb fest. Die Schweizer hätten festgestellt, dass damit die Verbindung zwischen den beiden wichtigen Handelsmetropolen Zürich und Stuttgart auf Jahre hinweg unterbrochen würde und wollen dies nicht einfach so hinnehmen. Stuttgart sei für Fahrgäste aus der Schweiz und dem Süden von Baden-Württemberg ein wichtiger Umsteigeknoten. Mit dem zusätzlichen Umstieg im Stuttgarter Vorort wären viele Ziele in Deutschland nur noch sehr umständlich zu erreichen, betont der VCD. 

Baden-Württemberg und die Schweiz seien wichtige Handelspartner, jährlich werden Waren im Wert von über 32 Mrd. € ein- bzw. ausgeführt. Die Schweiz stehe sogar an erster Stelle bei den Einfuhren nach Baden-Württemberg und sei deshalb an guten Verkehrsverbindungen auf der Schiene interessiert, so der VCD.  

„In der Schweiz hat der öffentliche Verkehr mit Bus und Bahn einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland, dort käme niemand auf die Idee, eine internationale Bahnverbindung für den Bau einer Tiefgarage jahrelang zu unterbrechen“, kritisiert Matthias Lieb die falschen Weichenstellungen der Stuttgarter Stadtpolitik und das Schweigen von Bund und Land zu diesen Plänen. 

Im September 2020 hatten der VCD und PRO BAHN deshalb ein Alternativkonzept gegenüber dem vom Bund in die Diskussion gebrachten Gäubahntunnel auf den Fildern vorgestellt. Dabei forderten sie auch, einen neuen „Dialog Stuttgart 21 Plus“ zu eröffnen. Alternative Vorschläge sollen darin ergebnisoffen geprüft werden. „Die Initiative des Schweizer Bundesamts bietet hierfür eine ideale Möglichkeit“, betont Matthias Lieb. Gipfel und Dialog Stuttgart 21 Plus seien der richtige Weg zu einem neuen Umgang mit dem Projekt Stuttgart 21 und den Problemen auf der Gäubahn. 

Eine Unterbrechung der Strecke von Zürich nach Stuttgart über einem längeren Zeitraum könne weder im Interesse der Schweiz, noch von Land, Bund und Bahn sein. Neben den Geschäftsreisenden leide auch der Tourismus – von den vielen Pendlern nach Stuttgart ganz zu schweigen. Auch aus diesem Grund seien der Gäubahn-Gipfel und die Thematisierung der Unterbrechung sehr begrüßenswert, so der VCD abschließend. 

Hintergrund: 

Für die Beschleunigung der Gäubahn wurde im Jahr 1996 der Vertrag von Lugano geschlossen. https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001034/index.html

Damals hatten sich Deutschland und die Schweiz verpflichtet, die Strecke auszubauen, um die Fahrzeiten von damals 3 Stunden auf 2 ¼ Stunden zu verkürzen, auch mit dem Einsatz von Neigetechnikzügen. In der Schweiz wurde die Strecke teilweise zweigleisig ausgebaut und die Fahrzeiten verkürzt sowie mit dem Ausbauschritt 2035 bereits die nächste Kapazitätserhöhung beschlossen. In Deutschland gab es hingegen nur Planungen, bis heute wurden keine Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt. Vielmehr wurden die zeitweise eingesetzten Neigetechnikzüge von der Strecke abgezogen, so dass heute die Fahrzeiten von Stuttgart nach Zürich wieder länger als noch 1996 sind.  

Der Vertrag von Lugano regelt auch den Ausbau der Rheintalbahn und der Strecke Zürich – München. Zielhorizont des Vertrages ist das Jahr 2020. 

Während die beiden Strecken von Baden-Württemberg Richtung Schweiz jahrzehntelange Verspätungen haben (Fertigstellung Rheintalbahn nach 2040; Fertigstellung Gäubahn unbestimmt, da noch keine verbindliche Planung vorliegend) wird die Strecke von Bayern Richtung Schweiz im Dezember 2020 in Betrieb genommen – neu mit Neigetechnik-Zügen, während auf der Strecke von Stuttgart Richtung Zürich der Betrieb mit Neigetechnikzügen eingestellt wurde.  

Im Sommer 2025 soll nach den Vorstellungen der Projektpartner von Stuttgart 21 die Gäubahn im Stadtgebiet Stuttgart unterbrochen werden (um die neue S-Bahn-Station Mittnachtstraße anschließen zu können). Da die Gäubahn-Anbindung über den Flughafen nicht vor 2030 (plus x) fertiggestellt sein wird, droht eine jahrelange Unterbrechung der heutigen Direktverbindung Stuttgart – Zürich. Mit den neuen Plänen zum Gäubahntunnel und angesichts der hohen Kosten dieser Lösung ist eine Umsetzung noch deutlich später zu erwarten. 

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