„Wir alle müssen alles dafür tun, dass die Bahn das sicherste Verkehrsmittel bleibt.“ Mit diesen Worten kommentierte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer Claus Weselsky (GDL) den gestrigen Bericht in Report Mainz: Nach einer internen Mitarbeiter-Befragung der DB Netz AG herrschen danach teilweise massive Probleme an der Schiene – von Personalmangel, Nachwuchssorgen und veralteter Technik ist die Rede. Die GDL nimmt solche Berichte sehr ernst. „Weselsky: „Insider an der Front wissen am besten über die tatsächlichen Probleme vor Ort Bescheid. Sie machen auch auf Probleme aufmerksam. Oft erreichen die Missstände jedoch aufgrund der dicken ‚Lehmschicht‘ nicht die Entscheider, auf die es tatsächlich ankommt.“ Die GDL fordert schon seit langem, dass diese Meldewege besser werden. Das ist allerdings nur erreichbar mit einer grundlegenden Neuaufstellung der gesamten Infrastruktur. Derzeit existieren nämlich Doppel- und Dreifachstrukturen ohne Blick für die Gesamtheit des komplexen Systems.

Auf einem kleineren Netz fahren mehr Bahnen

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Betriebslänge des DB-Schienennetzes um fast 350 auf rund 33.300 Kilometer verringert. Es gibt zu wenig Ausweichgleise, Rangierbahnhöfe und Güterverkehrsstellen. Viele Brücken sind marode und auch die Langsamfahrstellen nehmen zu. Weselsky: „Seit Jahrzehnten wurde zu wenig investiert.“ Gleichzeitig hat sich die Leistung der DB-Wettbewerbsbahnen auf fast 370 Millionen Trassenkilometer mehr als verdoppelt. „Wir begrüßen das. Auf einem kleineren Netz fahren aber nun mehr Bahnen mit mehr Trassenkilometern, die das System Schiene noch anfälliger machen“, so der GDL-Bundesvorsitzende und weiter: „Jetzt fließen zwar die Milliarden. Um den ‚Masterplan Schienenverkehr‘ jedoch umzusetzen, reicht das bei Weitem nicht.“ Der Finanzbedarf des Bedarfsplans Schiene beträgt in den kommenden 20 Jahren 74 Milliarden Euro. Aktuell stehen jedoch im Schnitt lediglich 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für den Ausbau von Schienenwegen im Bundeshaushalt insgesamt zur Verfügung. Weselsky: „Außerdem können die Mittel gar nicht so schnell verbaut werden, weil erstens das Personal und zweitens Baugenehmigungen dazu fehlen. Nicht zuletzt werden die Milliarden immer noch in Prestigeobjekten versenkt oder fließen auf Umwegen in die DB-Transportgesellschaften.“

Wir brauchen mehr Kollegen an der Front

Bei der DB Netz AG sind zurzeit knapp 45.000 Mitarbeiter beschäftigt. Bis 2030 werden davon 39.000 ausscheiden. Im gleichen Zeitraum sollen jedoch nur 33.000 neu eingestellt/ausgebildet werden. Die GDL spricht sich wegen der enormen Aufgaben gegen eine Senkung der Beschäftigten aus. Weselsky: „Zwar kann beim Overhead viel eingespart werden. Aber das direkte Personal muss massiv erhöht werden, auch in den Werkstätten. Ein zweites „Chaos Mainz“ sollte sich die DB nicht leisten.“ 2013 konnte dieser Hauptbahnhof zwei Wochen lang wegen des Mangels an Fahrdienstleitern nicht angefahren werden. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit hat das DB-Management schon aufs Spiel gesetzt. „Was keinesfalls passieren darf, ist ein wie auch immer gearteter Verlust an Sicherheit im Bahnsystem“, so Weselsky. Aufgrund des enormen Personalbedarfs hält die GDL die geplanten corona-bedingten Einsparungen von zwei Milliarden Euro an Personalkosten im DB-Konzern für grundlegend falsch. „Wir brauchen mehr Kollegen an der Front und sie müssen auch gut bezahlt werden.“

Struktur muss grundlegend geändert werden

Kosmetische Veränderungen im DB-Konzern reichen für einen ökologischen Verkehrsumbau nicht mehr aus. Er kann nur dann gelingen, wenn das Angebot auf der Schiene stimmt und die Bahnen das sicherste und zuverlässigste Verkehrsmittel bleiben. Dazu ist eine grundsätzliche Änderung der Struktur des DB-Konzerns notwendig. Was dazu geschehen muss, hat die GDL bei ihrer Absage zu den DB-Sanierungstarifverträgen ausführlich begründet.

https://www.gdl.de/Aktuell-2020/Pressemitteilung-1599750733

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