Das Leistungsbilanzdefizit wird voraussichtlich von 0,1% des BIP (2019) auf 2,3% (2020) steigen. Dies erklärt sich mit einem Einbruch der Exporte aufgrund der schwachen Auslandsnachfrage (in den Hauptmärkten China, Japan und der USA), unterbrochenen Lieferketten und dem überaus strikten Lockdown in Manila und auf der großen und wirtschaftlich wichtigsten Insel Luzon, der die verarbeitende Industrie und die Geschäftstätigkeit stark beeinträchtigt hat. Der Kollaps der Exporte dürfte zusammen mit dem Einbruch sowohl der Tourismuseinnahmen als auch der traditionell stabilen und umfangreichen Heimatüberweisungen der Wanderarbeiter, die zusammen 2019 mehr als 27% der Leistungsbilanzzuflüsse ausmachten, den Rückgang beim inländischen Konsum überwiegen und so das Leistungsbilanzdefizit ausweiten. In der ersten Jahreshälfte war zunächst jedoch das Gegenteil zu sehen – der Rückgang der Importe infolge des Nachfrageeinbruchs im Inland war zunächst noch stärker als die negative Auswirkung auf die Exporte. Dies zeigt, wie unsicher die Prognosen für die kommenden Monate weiterhin sind. Daneben könnte die zunehmende globale Nachfrage nach elektronischen Geräten infolge der Covid-19 Pandemie einen wesentlichen Teil des philippinischen Exportsektors stützen. Nachdem der philippinische Peso in den ersten Monaten bei der Refinanzierung von Auslandsschulden unter Druck geraten war, zeigt er seither Widerstandskraft, was das Vertrauen in die Wirtschaft widerspiegelt. Angesichts der robusten Fundamentaldaten und wirksamen makroökonomischen Steuerung wird für die Zukunft nach der Pandemie eine Erholung erwartet. Allerdings ist die Wachstumsperspektive im Hinblick auf die Erholung der Inlandsnachfrage aufgrund der Einkommens- und Arbeitsplatzverluste während der Pandemie noch einige Zeit gedämpft. Bezüglich des Exportsektors könnte der globale Trend zu Protektionismus der offenen philippinischen Volkswirtschaft schaden, während sie von der zunehmenden regionalen Einbindung profitieren dürfte.
Angesichts der hohen Unsicherheit bewertet Credendo das kurzfristige Risiko eher höher, da die Entwicklung stark davon abhängt, wann die Pandemie unter Kontrolle ist (d.h. wann ein Impfstoff auf breiter Basis verfügbar ist). Wie im vergangenen Monat zu sehen war, führt eine erneute Zunahme der Infektionen für mehrere Wochen zu strengeren Beschränkungen – und somit auch zu schwächerem Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen, was eine stärkere Erholung verzögern dürfte.
Obwohl Covid-19 für die philippinische Wirtschaft einen beispiellosen Schock bedeutet, verfügt das Land über die Instrumente und die Kraft, ihn zu überwinden. Die Regierung beschritt den Weg einer quantitativen Lockerung (einschließlich Zinssenkungen) und eines finanzpolitischen Maßnahmenpakets (im Umfang von rund 3.3% des BIP), das vor allem Investitionen und Konsum stützte. Grundsätzlich verfügen die Philippinen über robuste Fundamentaldaten, die sich auch in der Bewertung des mittel-/langfristigen politischen Risikos widerspiegeln. Die Wirtschaft wächst kräftig (durchschnittlich 6,3% p.a. seit der Krise 2008/2009) und ist stark diversifiziert mit starkem verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistungssektor (einschließlich des wichtigen Outsourcing-Sektors). Die öffentliche Verschuldung ist moderat (weniger als 40% des BIP), das Land verfügt über ausreichende Währungsreserven (mit einer Importdeckung von mehr als 7 Monaten – daher verbleibt die Bewertung des kurzfristigen politischen Risikos auch in der Kategorie 2 von 7) – und eine relativ niedrige Auslandsverschuldung und Schuldendienst. Obwohl sich diese Faktoren kurzfristig verschlechtern werden, bleibt das makroökonomische Gesamtbild angesichts der stabilen und disziplinierten Regierungspolitik des vergangenen Jahrzehnts weiterhin positiv.
Selbst unter der unkonventionellen Herrschaft von Präsident Duterte – der überwiegend für seinen umstrittenen Anti-Drogen-Kampf bekannt ist – haben die Philippinen ihren wirtschaftlichen Erfolg fortgesetzt, da er die unternehmens- und investitionsfreundliche Politik fortführte. Die Bewertung des mittel-/langfristigen Risikos dürfte vom Ausbau der Infrastruktur (im Rahmen des Programms „Build Build Build“) und einer pragmatischen China-Politik (die wirtschaftliche Vorteile über Souveränitätsansprüche im südchinesischen Meer stellt) profitieren. Insgesamt ist die Präsidentschaft Dutertes jedoch von einer deutlich autoritäreren Haltung geprägt und es bleibt unklar, ob sein Nachfolger diese Aushöhlung der Demokratie (bei einem friedlicheren Verhältnis zu China) fortsetzen wird, wenn die sechsjährige Amtszeit Dutertes im Jahr 2022 endet. Zudem leidet das Land weiterhin unter politischer Gewalt, kommunalen Spannungen und Terrorismus, insbesondere auf der südlichen Insel Mindanao. 2019 gewährte die Regierung der Region Bangsamoro mit dem „Bangsamoro Organic Law“ weitgehende Autonomie, in der Hoffnung auf mehr Stabilität und Sicherheit in der Region. Einen Risikofaktor stellen jedoch weiterhin der IS sowie Rebellengruppen dar, die das Abkommen nicht mittragen und weiterhin terroristische Anschläge verüben – wie kürzlich geschehen. Die größte Gefahr geht von der IS-nahen Terrororganisation Abu Sajaf aus, deren Ziel die Errichtung eines asiatischen Kalifats auf den Philippinen ist. 2017 kämpfte das philippinische Militär mehrere Monate, um die zweitgrößte Stadt Marawi von der Besetzung durch mehrere Hundert Dschihadisten zurückzuerobern.
Unter Berücksichtigung aller genannten makroökonomischen Fundamentaldaten und Risikofaktoren sowie des beispiellosen wirtschaftlichen Schocks durch die Covid-19 Pandemie, bewertet Credendo das mittel-/langfristige politische Risiko dennoch positiv. Das Risiko wird weiterhin in die Kategorie 3 von 7 eingestuft, vorausgesetzt, dass die Pandemie im Lauf des Jahre 2021 unter Kontrolle gebracht wird.
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