Vertreter*innen indonesischer Gemeinden haben heute bei der Bundesregierung Beschwerde gegen HeidelbergCement, einen der weltweit größten Zementhersteller, eingereicht. In der Beschwerde an die Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze werfen sie dem Unternehmen vor, durch eine geplante Kalksteinmine und ein Zementwerk ihre Existenzgrundlage, Wasserressourcen sowie das lokale Ökosystem zu gefährden. Durch das Projekt am Kendeng-Karstgebirge in Zentraljava sind auch Gebiete bedroht, die von hoher spiritueller Bedeutung für die dort ansässigen indigenen Samin-Gemeinden sind.

Mindestens 35.000 Menschen aus den drei Unterdistrikten Sukolilo, Kayen und Tambakromo könnten durch die Folgen des Bergbaus im Kendeng-Karstgebiet ihren Zugang zu lebensnotwendigen Wasserressourcen für Eigenbedarf und die Landwirtschaft verlieren. Die lokalen Gemeinden lehnen das Projekt entschieden ab und haben sich geweigert, ihre Zustimmung (gemäß dem Prinzip des „free, prior and informed consent“) für jeglichen Bergbau auf ihrem Territorium zu erteilen.
„Jeder Mensch braucht einen sicheren Ort zum Leben und genügend Nahrungsmittel. Wir fordern das Unternehmen auf, die geplante Zerstörung unserer Umwelt und Existenzgrundlage zu stoppen“, so ein Vertreter der Gemeinden am Kendeng-Gebirge, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann.

Als Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterhält Deutschland eine Nationale Kontaktstelle, die sich mit Beschwerden gegen deutsche Firmen wegen etwaiger Verstöße gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen im Ausland befasst. Die Leitsätze umfassen Menschenrechts- und Umweltstandards.

In Indonesien und Deutschland kam es wiederholt zu Protesten gegen das Projekt, zuletzt bei der Jahreshauptversammlung von HeidelbergCement im Juni. Indonesische Anwälte haben die Rechtmäßigkeit der Betriebslizenz des Unternehmens vor indonesischen Gerichten angefochten. HeidelbergCement hat die Kritik gegen das Projekt weitgehend zurückgewiesen und sich einem ernsthaften Dialog mit Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen widersetzt.

Eine indonesische Bürgerbewegung, deren Mitglieder aus den umliegenden Landkreisen stammen, hat die Beschwerde für die vom geplanten Zementwerk und dem Steinbruch betroffenen Gemeinden eingereicht. Sie bringen vor, dass der DAX-Konzern HeidelbergCement die OECD-Leitsätze im Zuge des Vorgehens seiner Tochtergesellschaft PT Indocement verletzt hat. Inclusive Development International, die Heinrich-Böll-Stiftung und FIAN Deutschland unterstützen die Bürgerbewegung in dem Beschwerdeverfahren.

„Als eines der größten deutschen börsennotierten Unternehmen muss HeidelbergCement mit allergrößter Sorgfalt darauf achten, dass die eigene Geschäftstätigkeit sowie die seiner Tochterunternehmen weltweit Menschenrechte und ökologische Gerechtigkeit respektiert. Mit der Beschwerde wird auf die Probe gestellt, wie ernst es Deutschland ist, deutsche Unternehmen im Rahmen des OECD-Mechanismus über wirtschaftliches Fehlverhalten zur Rechenschaft zu ziehen“, so Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung.

Die Beschwerdeführer fordern HeidelbergCement dazu auf:

– eine unabhängige Umwelt- und Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung zu beauftragen und offen zu legen;
– die Menschenrechte aller betroffenen Gemeinden zu respektieren, einschließlich des Rechts der freiwillig vorab und in Kenntnis der Sachlage gegebenen Zustimmung der indigenen Samin („free, prior and informed consent“) und Abbruch des Projekts, wenn keine gegenseitige Einigung erzielt werden kann;
– sämtliche mögliche Vorkehrungen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die betroffenen Gemeinden keinen Repressalien für die Einreichung dieser Beschwerde ausgesetzt werden.

Diese Forderungen und die Beschwerde der betroffenen Gemeinden werden unterstützt und mitgetragen von MISEREOR, Watch Indonesia!, Rettet den Regenwald und der Stiftung Asienhaus.

Eine Folgenabschätzung des indonesischen Präsidialamtes und des indonesischen Ministeriums für Umwelt und Forstwirtschaft aus dem Jahr 2017 bestätigt viele der Befürchtungen. Die Studie zeigt auf, dass Bergbau am Kendeng-Gebirge die Lebensgrundlagen der lokalen Gemeinden gefährdet und lebenswichtige Wasserquellen – welche sowohl für die Landwirtschaft als auch als Trinkwasser von entscheidender Bedeutung sind – zerstört. Der Bericht beschreibt im Detail die schwerwiegenden Auswirkungen von Bergbauaktivitäten in dem Gebiet auf das lokale Ökosystem, darunter die Zerstörung der Lebensräume seltener Pflanzen- und Tierarten.

„Der Mangel an Transparenz bei HeidelbergCement sowie die deutliche Opposition der indigenen Gemeinden gegen das Projekt zeigen augenscheinlich, dass das Unternehmen seiner Verantwortung zur Achtung der OECD-Leitsätze und der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nicht nachkommt“, kritisiert Natalie Bugalski, Legal Director von Inclusive Development International. „Es ist abzusehen, dass das Projekt irreversible Umweltschäden und schwerwiegende Auswirkungen auf die Menschenrechte haben wird. HeidelbergCement sollte den Beweis für das Gegenteil erbringen oder das Vorhaben abbrechen“, so Bugalski weiter.

„Die Bundesregierung muss ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und umgehend handeln. Die Rechte auf Nahrung und Wasser der Gemeinden am Kendeng-Gebirge müssen gegen drohende Verletzungen durch das Tochterunternehmen von HeidelbergCement geschützt werden. Die Ernährungssicherheit Tausender lokaler Bauern und Bäuerinnen steht auf dem Spiel“, ergänzt Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland.

HeidelbergCement ist seit Anfang der 2000er Jahre durch den Erwerb von Tochterunternehmen, darunter PT Indocement, die das Kendeng-Projekt entwickelt, in Indonesien aktiv. Der Fall ist nicht der erste, bei dem die soziale und ökologische Bilanz des Unternehmens im Rampenlicht steht: 2016 veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht, in dem detailliert beschrieben wird, wie die Geschäftstätigkeit von HeidelbergCement in den besetzten palästinensischen Gebieten zu Verletzungen von Menschenrechten und des Humanitären Völkerrechts beiträgt. Im Jahr 2018 schrieb Western Sahara Resource Watch einen offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden von HeidelbergCement, in dem Bedenken hinsichtlich der Aktivitäten des Unternehmens in der Westsahara geäußert wurden, die möglicherweise die illegale militärische Besetzung dort befördern.

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