Vor etwa einem Jahr erreichte uns ein Anruf aus einer bayerischen Kita. Eine Erzieherin berichtet uns von einem 5-jährigen Mädchen, das, wie alle anderen Kinder auch, nach der Frühstückspause hinaus in den Garten gehen sollte, um zu spielen. Doch statt freudig hinaus zu stürmen, blieb sie vor der Erzieherin stehen und erklärte, dass sie nicht hinaus müsse wenn sie nicht wollte, da sie ein Recht auf Mitbestimmung hat. Dies stände so in den Kinderrechten.
Inzwischen erreichten uns noch weitere Geschichten und Berichte darüber, dass Kinder immer häufiger ihre Rechte kennen, da diese unter anderem auch immer häufiger Thema in Kindergarten und Schule sind. „In erster Linie freut uns das natürlich! Es ist gut und wichtig zu sehen, dass mehr und mehr Kinder über ihre Rechte Bescheid wissen. Denn nur so können sie auch künftig in allen relevanten Bereichen gelebt werden“, meint Alexandra Schreiner-Hirsch, Pädagogische Leitung des Kinderschutzbundes Landesverband Bayern e. V. (DKSB LV Bayern) dazu.
Doch stellen die Kinderrechte inzwischen Eltern, Erzieher*innen oder auch Lehrkräfte vor bislang ungeahnte Herausforderungen. Denn, wie reagiert man adäquat, wenn ein Kind auf sein Recht pocht, dieses aber beispielsweise im Widerspruch mit Pflichten oder Rechten der Eltern steht.
Hierzu ist es zunächst notwendig, über die zehn wichtigsten Kinderrechte im Bilde zu sein: Hierzu zählen Gleichheit (Artikel 2), Gesundheit (Artikel 24). Bildung (Artikel 28), Spiel und Freizeit (Artikel 31), Freie Meinungsäußerung und Beteiligung (Artikel 12 und 13), Schutz vor Gewalt (Artikel 19, 32 und 34), Zugang zu Medien (Artikel 17), Schutz der Privatsphäre und Würde (Artikel 16), Schutz im Krieg und auf der Flucht (Artikel 22 und 38) und Elterliche Fürsorge (Artikel 18).
Pocht eine 11-jährige Jugendliche beispielsweise auf den Schutz ihrer Privatsphäre und verbietet den Eltern ins Zimmer zu kommen, kann dies in den meisten Fällen in Ordnung sein. Doch was ist, wenn die Eltern einen begründeten Verdacht hegen, dass ihr Kind in seinem Zimmer etwas macht oder lagert, was gegen die Werte der Eltern oder das Jugendschutzgesetz ist? „In solchen Fällen sollten die Eltern mit ihrem Kind grundsätzlich das Gespräch suchen. Schließlich ist auch die „Elterliche Fürsorge“ ein Recht und gleichzeitig die Pflicht, der Eltern nachkommen müssen. Dennoch gilt es – insbesondere im Umgang mit Jugendlichen: Der Ton macht die Musik“ und entscheidend für die Kooperationsbereitschaft der Kinder, ist die Beziehung, wie sie bis dahin war, erklärt die erfahrene Pädagogin weiter.
Ein anderes Beispiel: Ein 12-jähriger Junge bittet seine Eltern um ein Tablet und verweist auf das Recht auf Bildung und einen adäquaten Zugang zu Medien. Die Eltern besitzen ein älteres Laptop, welches aber noch funktionstüchtig ist. „In diesem Fall könnte man auf das bestehende Laptop verweisen, dass dem Recht in vollem Umfang nachkommen würde. Er könnte es sich aber auch zum Geburtstag wünschen, vorausgesetzt, die Eltern könnten dies finanzieren. Auch gibt es aufgrund der Corona-Situation über Schulen die Möglichkeit einen Laptop kostenfrei zu beantragen, falls er den aktuellen Anforderungen, auch an Online-Unterricht, nicht mehr gerecht würde“, fährt Frau Schreiner-Hirsch fort.
Ein sehr schönes Beispiel ist auch das eines 7-jährigen Mädchens, das beim gemeinsamen Abendessen mit den Eltern ihren Vater fragt, warum er, wenn er Hilfe benötigt, immer ihren Bruder wählt und sagt, er bräuchte einen starken Mann. Sie wäre doch auch stark. Schließlich sind alle Kinder gleich und sollten die gleichen Rechte haben. „Bei einer solchen Nachfrage, kann man dem kleinen Mädchen eigentlich nur Recht geben und beispielsweise versprechen, das nächste Mal nach einem „starken Kind“ zu fragen.“
Grundsätzlich gilt es, künftig die wichtigsten Kinderrechte zu wissen und auch zu beherzigen. „Die meisten Eltern leben diese bereits, ohne es zu wissen. Trotzdem lohnt es, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Nicht nur, um argumentativ gewappnet zu sein – sondern auch, um die Kinder in ihren Anliegen ernst nehmen zu können“, empfiehlt Frau Schreiner-Hirsch und fährt fort: „Man sollte immer bedenken, dass die Kinderrechte keine Selbstverständlichkeit sind.
Wir, der Kinderschutzbund, kämpfen gemeinsam mit anderen Kinderhilfsorganisationen seit Jahrzenten dafür, dass diese endlich Teil des Grundgesetzes werden, um – vor allem – benachteiligte Kinder zu schützen. Dass sie nun endlich Einzug in unsere Gesetzt halten, ist ein großes Geschenk, für das es sich gelohnt hat, zu kämpfen.“
Denn, wer gehört wird, ernst genommen wird und beteiligt wird, hält sich eher an Regeln und Vereinbarungen.
Wollen auch Sie sich aktiv oder durch eine Spende für den Kinderschutz in Bayern stark machen? Hier finden Sie weitere Informationen: www.kinderschutzbund-bayern.de/mithelfen.
Der Kinderschutzbund Landesverband Bayern e.V. ist Dachverband für 56 Orts- und Kreisverbände. Er ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband und anerkannter freier Träger der Kinder und Jugendhilfe nach §75 SGB VIII. Im Bundesverband des Kinderschutzbundes sind 16 Landesverbände und über 430 Orts- und Kreisverbände vertreten. Bundesweit haben sich über 50.000 Mitglieder zusammengeschlossen, die mit über 10.000 Ehrenamtlichen und rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine kindgerechte Zukunft schaffen wollen. Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) hat sich seit seiner Gründung 1953 in Hamburg zur größten Lobby für Kinder in Deutschland entwickelt. Er setzt sich für die Rechte aller Kinder ein. Dabei macht er keinen Unterschied zwischen Herkunft, Geschlecht, Konfession, Behinderung und Nichtbehinderung.
Der DKSB versteht sich als moderner Dienstleister und bietet Kindern und deren Familien in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Einrichtungen zahlreiche Hilfsangebote und Projekte an. Darüber hinaus leistet er auf politischer Ebene Lobbyarbeit und informiert Politiker, Medien und Öffentlichkeit über Missstände. Mehr unter www.kinderschutzbund-bayern.de.
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