In einem eigenen chromatografischen Team erarbeitet das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF laufend neue Methoden zum molekularen Fingerprinting von Polyolefincompounds, die auch in der Routineanalytik eingesetzt werden können. Jüngster technologischer Fortschritt ist ein Chromatograf, den das Forscherteam in Zusammenarbeit mit der Firma PolymerChar entwickelt hat. Er ist mit jeweils einem neu entwickelten Infrarot (IR)- und UV-Detektor ausgerüstet und deckt damit das gesamte Spektrum der Schwingungsspektroskopie ab. Daraus ergeben sich vollkommen neue Perspektiven für die Untersuchung von Polyolefinen, Olefincopolymeren und deren Compounds.

Sicherheitsrelevante Bauteile werden zunehmend aus Kunststoffen gefertigt. Angetrieben wird diese Entwicklung – insbesondere bei Polyolefinen – durch eine große Variabilität des Eigenschaftsprofils und die preisliche Attraktivität gegenüber traditionellen Werkstoffen. Die Anwendungseigenschaften von Polyolefinen werden in hohem Maße von deren molekularem Aufbau festgelegt. Wichtige molekulare Parameter sind dabei die chemische Zusammensetzung, die mittleren Molekulargewichte und die Molekulargewichtsverteilung. Bei Copolymeren rückt zudem deren chemische Heterogenität in den Vordergrund, welche in der Routineanalytik nur schwer zugänglich ist. In der Formulierungsentwicklung sind Additive zu einem zentralen Treiber geworden. Hier liegt eine besondere Herausforderung darin, Konsistenz hinsichtlich der Art und des Gehaltes von Additiven sicherzustellen. Der Bestimmung aller genannten Parameter geht das Fraunhofer LBF in seinem chromatografischen Team nach.

»Moderne chromatografische Methoden sind unentbehrliche Werkzeuge bei der Entwicklung von Polyolefinen und bei der Sicherstellung ihrer Qualität. Sie ermöglichen es, die in den Materialproben enthaltenen Polymerketten nach Größe oder Chemie zu trennen und dann zu quantifizieren. Das macht sie zu einem wertvollen Instrument bei der Analyse von Materialproben im Sinne einer Wareneingangskontrolle, beispielsweise zur Detektion von Fehlchargen, wie auch bei der quantitativen Bestimmung von Materialveränderungen infolge der Anwendung«, erklärt Dr. Robert Brüll, Group Manager Material Analysis am Fraunhofer LBF.

Chargenschwankungen präzise und schnell erfassen

Eine in der analytischen Routinepraxis weit verbreitete Methode zur molekularen Charakterisierung von Polyolefinen, wie auch anderen Polymeren, ist die Gelpermeationschromatografie (GPC). Diese ermöglicht eine Auftrennung der Probe nach Molekulargewicht. In der Regel wird nur die Konzentration der getrennten Moleküle bestimmt. Informationen zu deren Zusammensetzung werden jedoch nicht erhalten. »Die genaue Ermittlung der chemischen Zusammensetzung stellt eine Herausforderung an die eingesetzten Detektoren dar, und kann lediglich durch die Kombination entsprechender spektroskopischer Techniken erreicht werden. Gerade bei Polyolefinen bestand hier eine technologische Lücke, da diese aufgrund ihres teilkristallinen Charakters erst bei deutlich erhöhten Temperaturen in Lösung gehen, und daher entsprechend temperaturbeständige Instrumentierung benötigen«, betont Dr. Brüll.

Um diesen Bedarf zu decken, wurde vom Fraunhofer LBF in Zusammenarbeit mit der Firma PolymerChar ein entsprechender Chromatograf entwickelt, der Betriebstemperaturen bis zu 200 °C ermöglicht. Dieser ist mit jeweils einem neu entwickelten Infrarot (IR)- und UV-Detektor ausgerüstet, was das gesamte Spektrum der Schwingungsspektroskopie abdeckt. Damit ergeben sich vollkommen neue Perspektiven für die Untersuchung von Polyolefinen, Olefincopolymeren und deren Compounds. Beispielsweise lassen sich so Propylen-basierte Reaktorblends mit bisher nicht erreichbarer Genauigkeit untersuchen und Chargenschwankungen aufzeigen.

Formulierungen umfassend betrachten

Die Materialeigenschaften von Formulierungen werden heute mittels Additive flexibel und kostengünstig maßgeschneidert/designt. Existierende Methoden, die einen hohen Zeit- und Arbeitsaufwand benötigen, eignen sich jedoch nicht zu einer engmaschigen Qualitätskontrolle. Zudem können schwer extrahierbare Additive auf diesem Weg nicht analysiert werden. Hier eröffnen die neu entwickelten Detektoren (IR- und UV-Detektor) innovative Möglichkeiten für eine schnelle und akkurate Analyse von Additiven, indem in einem Arbeitsschritt die Formulierung chromatisch aufgetrennt und spektroskopisch erfasst werden. Hiermit kann das Spektrum der Additivanalytik stark erweitert werden.

Reaktive Extrusion

Die Reaktivextrusion ist eine sehr flexible und ökonomische Möglichkeit, Polyolefincompounds mit maßgeschneiderten Eigenschaftsprofilen herzustellen. Ein bekanntes Beispiel ist die Modifikation von Polyethylen oder Polypropylen mit Maleinsäureanhyrid (MAH) zur Erhöhung der Polarität. Die finalen Eigenschaften der modifizierten Polyolefine werden insbesondere von der Menge und der Verteilung der MAH-Gruppen geprägt. Durch die Möglichkeit, diese parallel zur Menge der getrennten Polymerketten separat zu detektieren, liefert der vom Fraunhofer LBF neu entwickelte Chromatograf in nur einem Untersuchungsschritt entscheidende Informationen zur Qualität des MAH-modifizierten Materials.

Über Fraunhofer Institut LBF

Das Fraunhofer LBF in Darmstadt steht seit über 80 Jahren für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für drei der wichtigsten Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility, wie die Elektromobilität und das autonome, vernetzte Fahren. Umfassende Kompetenzen von der Datenerfassung realen betrieblichen Feldeinsatz über die Datenanalyse und die Dateninterpretation bis hin zur Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Auslegung und Verbesserung von Material-, Bauteil- und Systemeigenschaften bilden dafür die Grundlage. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der gut 400 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 17 900 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.

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