In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit der Neue Zürcher Zeitung (NZZ) stellt Russell Napier eine kontroverse These auf. Laut dem Schotten wird die Inflationsrate bis Ende des kommenden Jahres auf 4 Prozent steigen, da Regierungen im Zuge der Corona-Krise die Kontrolle über die Geldmengensteuerung übernommen haben. Napier geht gar noch weiter und sieht eine Machterosion der Zentralbanken. Doch was ist dran an den Aussagen des ehemaligen Anlagestrategen? Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars mehr.

Markt-Monitoring und Ausblick

Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor stieg bis Mitte März auf – 0,161% und fällt seit Anfang Mai auf aktuell – 0,482%. Die überdurchschnittlich starke Kapitalnachfrage von staatlicher und nichtstaatlicher Seite hat sich wieder gelegt. Bis Ende 2020 erwarten wir wieder einen leichten Zinsrückgang in Richtung – 0,50%.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz/3M steht derzeit bei – 0,21%. Mit Sicht auf die nächsten 6-12 Monate rechnen wir eher weiterhin mit negativen, 10-jährigen SWAP-Sätzen.

Werden Notenbanken durch Regierungen ersetzt?

Zunächst bedarf es sich mit der Kernaussage Napiers zu befassen. Um Unternehmen zu unterstützen, die in Folge der Coronakrise von Liquiditätsproblemen betroffen sind, vergeben derzeit viele Staaten Bürgschaften an heimische Unternehmen. Diese Garantien erlauben es Banken Kredite zu vergeben, die sie sonst nicht ausgegeben hätten. Das war in der Form vorher nicht möglich. Normalerweise versuchen Zentralbanken über die Steuerung von Zinssätzen Unternehmen zur Aufnahme von Krediten zu motivieren oder zu demotivieren, um die Inflationsentwicklung zu steuern. Die Vergabe an sich geschieht jedoch alleine Ermessen der Geschäftsbanken. Die Eurozone erlebte im letzten Jahrzehnt trotz expansiver Geldpolitik mit negativen Zinssätzen ein relativ geringes Kreditwachstum. Lediglich die Vermögenspreise, wie z.B. Aktien und Immobilien, erlebten Rekordzuwächse. Ein Großteil der Liquidität floss, anstatt in die Realwirtschaft, in das Finanzsystem. Das könnte sich mit der Vergabe von Garantien durch Staaten ändern, da nun Bürgschaften für Unternehmen übernommen werden und damit Mittel gezielt in die Realwirtschaft fließen können. Napier geht davon aus, dass sich Politiker das Instrument der Bürgschaft zu Nutze machen werden, um die Inflation in die Höhe zu treiben und damit die relative Staatsverschuldung zu minimieren. Denn ein höheres nominales Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Folge von höheren Preisen bedeute eine geringere Verschuldung im Verhältnis zum BIP. Napier erachtet die zunehmende Einflussnahme von Politikern als einen langfristigen Trend und erwartet daher eine Inflation zwischen 4 und 8 Prozent in den nächsten 10 Jahren. Einhergehend damit erodiert nach Ansicht Napiers die Macht der Zentralbanken.

Bei der Frage, ob Regierungen sich die Übernahme von Bürgschaften zu Nutze machen oder nicht, geht es vor allem um das Selbstverständnis einer Regierung. Sehen Politiker die Rolle des Staates in der Steuerung der Inflation, um die Verschuldung zu minimieren oder geht es darum das zu leisten, was die Zentralbanken nicht zu leisten vermögen? Zentralbanken werden in der Regel von Staaten als unabhängige Institutionen ins Leben gerufen mit dem Hauptmandat die Inflation so zu steuern, dass die Wirtschaft sich ideal entfalten und entwickeln kann. Folgt man jedoch Napies Argumentation, werden Zentralbanken ab einem gewissen Punkt überflüssig in der Ausführung ihres Hauptmandats. Regierungen übergehen somit die selbst geschaffenen Zentralbanken. Ist das gewollt und richtig?

Geldpolitik ist Aufgabe der Zentralbanken, deren Unabhängigkeit essentiell ist. Regierungen könnten Bürgschaften ausnutzen, um die eigene Agenda durchzusetzen und gewisse Industriezweige zu bevorzugen. Derartige Marktverzerrungen schaden langfristig einer Volkswirtschaft und verhindern Innovationen. Zudem wechseln Regierungen oft zwischen verschiedenen Legislaturperioden. Nicht alle Parteien werden die gleiche Meinung vertreten, wenn es um Austeritätspolitik geht. Das widerspricht der Annahme Napiers, dass sich Regierungen dauerhaft an den positiven Effekten von Garantieprogrammen auf die Inflation bedienen.

Zwar könnte sich die weitreichende Übernahme von Bürgschaften positiv auf das Kreditwachstum und damit die Inflation auswirken, jedoch ist es äußerst fragwürdig, ob dies bewusst von Regierungen ausgenutzt wird, um die relative Staatsverschuldung zu senken. Zudem stellt sich die Frage, ob manche Staaten groß angelegte Garantieprogramme dauerhaft durchsetzen können, wenn die eigene Kreditwürdigkeit bereits auf der Kippe steht.

Der Neuwirth Finance Zinskommentar geht in die Sommerpause!

Unseren nächsten aktuellen Zinskommentar lesen Sie am 15. September.

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