Betriebsschließungsversicherung – auf die Klausel kommt es an
In der täglichen anwaltlichen Praxis kristallisiert sich heraus, dass sich vor allem die Betriebe berechtigte Hoffnung auf Versicherungsschutz machen dürfen, die über eine Betriebsschließungsversicherung verfügen. Anderweitige Versicherungen hingegen, wie etwa Ertragsausfall- und Betriebsunterbrechungsversicherungen, greifen selten. Es verwundert daher wenig, dass sich große Versicherungsunternehmen auffallend schnell um eine Regelung bemühten, die vor allem Hotels und Gasstätten mit Zahlungen in Höhe von 10 bis 15 Prozent des eigentlich vertraglich festgesetzten Tagessatzes bedienen. Gerne werden und wurden derartige Angebote auf Zahlung einer abschließenden Einmalzahlung „aus Kulanz“ mit kurzen Annahmefristen versehen. Ein solches Verhalten erscheint manch einem Betriebsinhaber sonderbar, hat doch eine Versicherung als großes Wirtschaftsunternehmen selten Geld zu verschenken. Daher lohnt es sich zu hinterfragen, was hinter dieser scheinbaren Großzügigkeit steckt.
Abfindungen – schnelles Geld = gutes Geld?
Frei nach dem Motto: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach!“ sahen und sehen sich aufgrund der ungewissen wirtschaftlichen Situation nicht wenige Unternehmer mehr oder minder genötigt, ein solches Abfindungsangebot anzunehmen. Denn die Alternative – Durchsetzen des vollen Anspruchs gegenüber dem Versicherer – ggf. via Klage kann mitunter einige Zeit beanspruchen. Angesichts eines möglicherweise langwierigen Gerichtsverfahrens, scheint ein etwaiges Obsiegen zum Pyrrhussieg zu verkommen, wenn doch vollkommen ungewiss ist, ob der Betrieb im Zeitpunkt des Richterspruchs überhaupt noch besteht.
Erste Urteile
Auf den ersten Blick ist eine solche Entscheidung durchaus nachvollziehbar. Scheinbar bestärkt wird manch ein Unternehmer in seiner Entscheidung mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung. So lehnte etwa das LG Mannheim in einem Urteil vom 29.4.2020 (AZ 11 O 66/20) einen Anspruch auf sofortige Zahlung aus einer Betriebsschließungsversicherung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes als unbegründet ab. Dies gilt es jedoch genauer zu betrachten: Vorliegend wurde der Weg des einstweiligen Rechtsschutzes gewählt. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Verfahrensart, die quasi vorgeschaltet zu einem etwaigen ausführlichen Gerichtsprozess in besonderen Ausnahmefällen schnell Tatsachen schaffen soll. Vorliegend wurde mit Hilfe dieser besonderen Verfahrensart angestrebt die Zahlungsverpflichtung des Versicherers durchzusetzen. Obwohl die sogenannte „Hauptsachefrage“, also die Frage, ob dieser Anspruch überhaupt besteht eigentlich erst im sich dem dann anschließenden Hauptsacheverfahren ausführlich geprüft werden muss.
Da somit die Hauptsache in gewisser Hinsicht schon vorweggenommen wird, hat ein solches Vorgehen nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Interessen des Betriebs auf sofortigen Erhalt der Leistung zur Überbrückung der akuten wirtschaftlichen Notlage derart gewichtig sind, als dass es ihm nicht zuzumuten wäre das Hauptsacheverfahren (inklusiver umfänglicher Prüfung der Vertragsbedingungen) abzuwarten. Dieses Interesse müsste gegenüber den Interessen des Versicherers auf derzeitige Nichtzahlung massiv überwiegen. Das Gericht führte in seiner Begründung aus, dass der einstweilige Rechtsschutz in diesem Einzelfall nicht geeignet ist, um eine durch die Pandemie begründete Notlage des klagenden Betriebs zu beseitigen. Es sei nicht absehbar, wie lange und in welchem Umfang die Beschränkungen andauern und ob die begehrte Versicherungsleistung nebst staatlicher Hilfen genügen werden, um die Notlage zu beseitigen. Dies könne erst im Laufe der künftigen Entwicklung festgestellt werden ein solches Risiko durch die Vorwegnahme der Hauptsache, also durch die sofortige Zahlungsverpflichtung des Versicherers, aufzubürden sei, so das Landgericht Mannheim, nicht begründet. Es bleibt also abzuwarten, wie im Hauptsacheverfahren entschieden wird. Entscheidend hierfür ist die konkret in den Versicherungsbedingungen verwendete Klausel.
Konkrete Klausel
Betriebsschließungsversicherungen liegt die Idee zu Grunde, den Ertragsausfall zu kompensieren, der dadurch entsteht, wenn ein einzelner Betrieb aufgrund von Maßnahmen nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz-IfSG) von einer Behörde geschlossen wird. In der Vergangenheit war dies vor allem dann der Fall, wenn ein Betrieb etwa deswegen geschlossen werden musste, weil eine Krankheit oder ein Krankheitserreger im Sinne des Infektionsschutzgesetzes, wie z.B. Masern oder Hepatitis, im jeweiligen Betrieb auftraten. Die besondere Problematik in Zusammenhang mit dem Covid- 19- Virus liegt nun darin, dass es sich bei diesem Virus um einen bislang unbekannten Erreger handelt. Explizit im Infektionsschutzgesetz ist das Virus daher nicht genannt. Somit kann eine Erkrankung mit diesem Virus also auch bis dato nicht in den bereits vorhandenen Versicherungsbedingungen speziell aufgeführt sein. Ob nun also eine Betriebsschließung aufgrund der Corona-Anordnungen vom Versicherungsschutz möglicherweise umfasst sind, hängt von der jeweiligen Klausel ab. Dabei zeichnen sich in der Praxis ab, dass vorwiegend drei verschiedene Klausel verwendet werden:
Katalogmäßige Aufzählung
Einige Versicherungsbedingungen definieren mittels abschließender Auflistung diverser Krankheiten den vertragsgemäßen Umfang. Weitere, ggf. im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unbekannte, Krankheiten werden nicht genannt und sind daher auch nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Hier besteht im Fall der Corona bedingter Schließungen kein Versicherungsschutz.
Beschränkter Katalog
Recht häufig verbreitet sind Klauseln die den Versicherungsumfang durch einen Katalog an Krankheiten aufführen, dabei aber auf das Infektionsschutzgesetz, insbesondere §§ 6 und 7 IfSG Bezug nehmen. Eine etwaige Klausel sieht dann den Versicherungsumfang durch einen Katalog „auf die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten um Krankheitserregern“ begrenzt. Nachfolgend werden dann im Einzelnen bestimmte Infektionen und Erregern genannt, die vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen. Nach überwiegender Meinung in der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass dabei die enthaltene Aufzählung offensichtlich deutlich enger gefasst ist als die im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten. Versicherungsschutz besteht daher nur für die speziell genannten Krankheiten nicht aber für das, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht bekannte, Corona-Virus.
Mehrdeutige Klauseln
Manch ein Versicherungsunternehmen verwendete Vertragsbedingungen, die pauschal auf die §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes in einer bestimmten Fassung Bezug nehmen, ohne dass ein weiterer Katalog an Infektionen und Erregern aufgeführt wird. Stattdessen wird in den Klauseln auf einen Anhang verwiesen, der eine Liste der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger „gemäß der §§ 6 und 7 IfSG“ enthält. Dieser Anhang gibt dann den gesamten Gesetzestext der §§ 6, 7 IfSG in einer bestimmten Fassung wieder. Hier stellt sich dann die Frage, ob durch die starre Bezugnahme auf das Infektionsschutzgesetz auch das Corona Virus erfasst ist. So führen die §§ 6,7 IfSG „namentlich“ einzelne Krankheiten bzw. Krankheitserreger auf, für welche eine Meldepflicht besteht. Das „Corona Virus“ ist dabei aktuell noch nicht erfasst. Allerdings wurde im Zusammenhang des neuartig aufgetretenen Corona Virus‘ per Verordnung (Inkrafttreten zum 1.2.2020) die Pflicht zur namentlichen Meldung nach den §§ 6, 7 IF SG auch auf das Corona Virus erweitert. Hier kann also, vorbehaltlichen der jeweiligen Einzelfallprüfung, durchaus die Ansicht vertreten werden, dass der Versicherungsschutz auch im Rahmen der coronabedingten Schließungen besteht.
Ein weiterer Nebenkriegsschauplatz stellt dann die Frage dar, ob die Schließungsanordnung betriebsbezogen erfolgen muss, und ob eine (präventive) Schließung aufgrund einer Landesverordnung auch mit umfasst ist. Eine umfassende Einzelfallprüfung ist daher stets erforderlich.
Weitergehende Haftungsansprüche – Maklerhaftung
was aber, wenn ein Betrieb – wohl aus dem Zugzwang einer wirtschaftlichen Notlage bzw. der ungewissen Zukunftsentwicklung – nun ein entsprechendes Abfindungsangebot angenommen hat? Möglicherweise mag diese Entscheidung im Hinblick auf die jeweilige Vertragsregelung sogar sinnvoll gewesen sein. Dies vor allem dann, wenn der konkrete Vertrag hier eben gerade keinen Versicherungsschutz vorsieht. Vor dem Hintergrund, dass die unterschiedlichsten vertraglichen Regelungen bestehen, die mitunter Versicherungsschutz gebieten können, stellt sich dann allerdings die Frage, ob nicht der jeweilige Versicherungsmakler gehalten gewesen wäre, seine Kunden auf die unterschiedlichen am Markt verfügbaren Produkte hinzuweisen. Denn einem Versicherungsmakler obliegt eine so genannte „Marktbeobachtungspflicht“. Dabei wird von einem Versicherungsmakler selbstverständlich nicht erwartet, dass er – überspitzt gesagt quasi durch „Blick in die Glaskugel“ – völlig unvorhersehbare Gefahren prognostiziert kann.
Allerdings kann vor dem Hintergrund, dass in den letzten Jahren virale Epidemien wie Ebola, Sars etc. verstärkt aufkamen und mitunter schreckliche Auswirkungen hatten durchaus zu erwarten sein, dass ein Interessent oder Bestandskunde nachweislich von seinem Versicherungsmakler zumindest auf die bestehenden unterschiedlichen Produkte hingewiesen wird. Sodass der jeweilige Versicherungsnehmer bewusst entscheiden kann, ob er sich auf das Risiko einlässt, seinen Betrieb nur vor genannten Krankheitserregern zu schützen oder eben auch neuartige Erreger und Krankheiten vom Versicherungsschutz mit umfasst sein sollen. Einen Haftungsanspruch gegenüber dem Versicherungsmakler darin begründet zu sehen, dass der unterbreitete Deckungsvorschlag als unzulänglich erwiesen hat, ist also nicht von der Hand zu weisen. Mitunter kann die Prüfung eines solchen Versäumnisses durchaus erfolgversprechend sein.
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