Im ersten Quartal dieses Jahres legten die Privathaushalte in Deutschland überraschend wenig Geld zur Seite – ihre Bankeinlagen wuchsen nur um EUR 5,8 Mrd. Dies war selbst für das saisonal schwache Anfangsquartal wenig, und ein Einbruch des starken Einlagenwachstums, das in den letzten drei Jahren im Schnitt EUR 25 Mrd. je Quartal betragen hatte. Die jährliche Wachstumsrate gab nach, blieb aber aufgrund der starken Vorquartale immer noch bei kräftigen 4,3%.
Die Privathaushalte lösten hauptsächlich Spareinlagen auf (EUR -10,2 Mrd.). Auch Termineinlagen verzeichneten einen deutlichen Abfluss von EUR 2,9 Mrd. Im Gegensatz dazu stiegen Sichteinlagen in saisonal gewohnter Höhe (EUR 18,9 Mrd.). Auch wenn diese Präferenz der Fristigkeiten seit der Finanzkrise vorherrscht, lagen die Abzüge bei Spar- und Termineinlagen diesmal deutlich über den Vorquartalen.
Der Grund war die Corona-Pandemie, wie ein Blick auf die monatlichen Veränderungen zeigt. Während sich das Einlagenwachstum im Januar und Februar noch positiv entwickelte – entsprechend saisonaler Muster und bei den Sichteinlagen sogar über dem Niveau der Vorjahre – zogen die privaten Haushalte im März Guthaben in Höhe von EUR 11,1 Mrd. ab – nicht nur Spareinlagen (EUR -3,9 Mrd.) und Termineinlagen (EUR -2,4 Mrd.), sondern auch Sichteinlagen (EUR -4,8 Mrd.).[1]
Diese Reaktion erstaunt zunächst, da die Einkommenssituation der privaten Haushalte im ersten Quartal insgesamt noch stabil war, und der Konsum – auch wegen der Geschäftsschließungen und Kontaktsperren ab Mitte März – bereits deutlich rückläufig. Insgesamt steigerten die Haushalte aufgrund des Vorsichtsmotives oder mangels Gelegenheit ihre Ersparnisbildung deutlich. Im ersten Quartal sprang die Sparquote der privaten Haushalte auf 12,4% des verfügbaren Einkommens, ein Anstieg um 1,3 Prozentpunkte und die mit Abstand größte Zunahme in einem Quartal seit 1991.[2] Offensichtlich führte die steigende Spartätigkeit jedoch nicht zu verstärktem Einlagenwachstum. Vielmehr dürfte ein Teil der Mittel für Barabhebungen verwendet worden sein. Im März schnellte die Emission von Euro-Banknoten durch die Bundesbank auf EUR 13 Mrd. hoch. Diese Summe beinhaltet Abhebungen von Privatleuten, schließt aber auch den Bargeldbedarf von Unternehmen und Geschäften ein, sowie Nachfrage aus dem Ausland. (Die Kassenbestände der Banken sind nicht eingerechnet.)
Das Muster ist bekannt: Im September 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise mit dem Bankrott von Lehman Brothers, lösten Sparer in Deutschland Einlagen auf (EUR -4 Mrd.) und gleichzeitig schoss die Emission von Banknoten durch die Bundesbank hoch (EUR 18 Mrd.). Anschließend normalisierte sich die Bargeldnachfrage und die Bankeinlagen stiegen außergewöhnlich stark an. Auch jetzt scheinen viele Sparer durch die Pandemie verunsichert zu sein, sodass sie mehr Bargeld halten, um für alle Widrigkeiten gerüstet zu sein. Außerdem könnten die privaten Haushalte im ersten Quartal auch in anderen Vermögenswerten Geld angelegt haben, z.B. in Wertpapieren. Grundsätzlich gilt das Gleiche für Versicherungen und Immobilien, wobei solche Anlageentscheidungen meist langfristig getroffen und vertraglich abgeschlossen werden. In Investmentfonds investierten die privaten Haushalte nicht, sondern zogen im März eine hohe Summe ab. Auch für das gesamte erste Quartal ergab sich ein Mittelabfluss.
Mit dem Abklingen der akuten Unsicherheit – die Versorgung mit Lebensmitteln verlief ungestört, finanzielle und andere Infrastrukturen funktionierten reibungslos – gingen nicht nur die Hamsterkäufe, sondern auch das Bargeldhorten zurück. Seit April steigen die Einlagen stark an, um für drohende Einkommensverluste im wirtschaftlichen Abschwung Rücklagen zu bilden: Das Plus im April betrug EUR 28,2 Mrd.
Auf der Kreditseite hielten die Trends im ersten Quartal unverändert an. Das Wachstum der Immobilienkredite an private Haushalte nahm sogar weiter Fahrt auf, mit dem stärksten Ergebnis (EUR 12,3 Mrd.) für ein Anfangsquartal seit dem Jahr 2000. Die jährliche Wachstumsrate stieg auf 5,7%. Es bleibt abzuwarten, ob die Einkommensverluste durch steigende Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit die Kaufneigung der Privathaushalte dämpfen werden. Von der Zinsseite her ist angesichts der schwierigen Wirtschaftslage und der noch weiter gelockerten Geldpolitik keine Verteuerung der Immobilienkredite zu erwarten. Insgesamt könnte der Anstieg der Wohnimmobilienpreise gebremst werden. Zwei Drittel der Banken in Deutschland rechnen laut Bank Lending Survey mit einen Rückgang der Nachfrage nach Immobiliendarlehen im laufenden Quartal, selbst 2008 wurde die Lage nicht so pessimistisch beurteilt.
Auch die Ratenkredite weiteten die Privathaushalte im ersten Quartal aus, und zwar um überdurchschnittliche EUR 1,8 Mrd. Allerdings gibt es hier häufig starke Schwankungen. Debetsalden und sonstige Kredite nahmen leicht ab. Insgesamt wuchs der Kreditbestand der Haushalte um EUR 12,6 Mrd.
Für das laufende Quartal ist damit zu rechnen, dass die Privathaushalte ihre Bankeinlagen stark erhöhen werden, um in wirtschaftlich unsicheren Zeiten liquide Mittel vorzuhalten. Für die Immobilienfinanzierung ist zunächst kein größerer Effekt zu erwarten, kurz vor dem Abschluss stehende Immobilientransaktionen dürften kaum in großem Umfang abgesagt werden. Mittelfristig könnte das Wachstum der privaten Immobilienfinanzierungen jedoch – abhängig vom Arbeitsmarkt und der Einkommenssituation der Haushalte – abnehmen.
Siehe auch: „Bezahlen in der Krise: Corona, Karten und Bargeld“
[1] Deutsche Bundesbank, Bankenstatistik.
[2] Deutsche Bundesbank, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, saisonbereinigte Sparquote der privaten Haushalte.
Deutsche Bank AG
Taunusanlage 12
60325 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (69) 910-00
Telefax: +49 (69) 910-34225
http://www.db.com