Die Regierungspartei setzt die Entmachtung der Dritten Gewalt unbeirrt fort. Das umstrittene Disziplinargesetz Polens findet in einem spektakulären Fall erstmals Anwendung. Proteste in ganz Europa.

Die Disziplinarkammer für polnische Richter setzt ungeachtet einer Eil-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, mit der die Republik Polen am 8.4.2020 verpflichtet worden war, die Anwendung des umstrittenen Gesetzes zur Justizreform auszusetzen und sämtliche Verfahren vor der Disziplinarkammer des obersten Gerichts zu unterbrechen, ihre Verhandlungen fort. Sie entscheidet am Dienstag, den 9.6.2020 darüber, ob der Richter Igor Tuleya, der eine der spektakulärsten Entscheidungen der letzten Jahre getroffen hatte, dafür strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sein wird. Dies ist ein eindeutiges Zeichen sowohl gegenüber der politischen Opposition in Polen, als auch gegenüber der Richterschaft, dass alle Richter, die das Regierungshandeln einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen wollen, damit rechnen dürfen, ihr Amt zu verlieren und selbst im Gefängnis zu landen.

Gegen dieses Vorgehen wenden sich Richtervereinigungen in ganz Europa. "Wenn ein Richter, der auf Antrag dafür zuständig ist, ein bestimmtes Regierungshandeln zu überprüfen, im Falle einer unliebsamen Entscheidung damit rechnen muss, von einem Disziplinargericht verfolgt zu werden, das mit Richterinnen und Richtern besetzt ist, die nahezu ausschließlich von eben jener Regierungspartei benannt wurden, so ist die Gewaltenteilung insoweit aufgehoben" erläutert Brigitte Kreuder-Sonnen, Sprecherin der Neuen Richtervereinigung, die sich an den Protestaktionen beteiligt. Und weiter: "Ohne unabhängige Richter kann ein Rechtsstaat nicht funktionieren. Und eine Disziplinarkammer, die meint, sie könne Entscheidungen des EuGH einfach ignorieren, dokumentiert allein damit schon, was von ihr zu halten ist."

Dabei hatte die Vorsitzende der Disziplinarkammer vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung vom 8.4.2020 noch am 4.5.2020 empfohlen, die anhängigen Verfahren bis zu einer Hauptsache-Entscheidung auszusetzen. Eine besondere Eilbedürftigkeit ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, weil das Geschehen, das von strafrechtlicher Relevanz sein soll, nämlich die öffentliche Verkündung eines Beschlusses (der nach  Auffassung der vom Justizminister geleiteten Staatsanwaltschaft nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit hätte bekanntgegeben werden dürfen), aus dem Jahr 2017 datiert. "Auch diese Entscheidung, gerade jetzt vor der anstehenden Präsidentschafts-Wahl die strafrechtliche Verfolgung zu eröffnen, ist ein offensichtlich politisch motiviertes Vorgehen, das die Befürchtung, die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts sei nichts weiter als ein Instrument einer politisch motivierten Säuberung der Justiz, spektakulär bestätigt."

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