Nach Bekanntwerden der massiven Fälle von Kindesmissbrauch und Ausbeutung in Münster ist eine Diskussion auf politischer Ebene um Strafmaßerhöhung im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch und Missbrauchsabbildungen von Kindern entbrannt. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht sprach sich nun für eine Erweiterung des Strafrahmens bezüglich beider Deliktsbereiche aus. Kindesmissbrauch soll demnach auch dann als Verbrechen eingestuft werden, wenn keine körperliche Gewalt ausgeübt wird. Die Verbreitung, Erwerb oder Besitz von „kinderpornografischen Schriften“ soll ebenfalls nicht mehr nur ein Vergehen, sondern als Verbrechen mit einer Mindesthaftstrafe von einem Jahr gelten. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig will dazu einen Antrag in der nächsten Bundesratssitzung einreichen. Mit den geplanten Änderungen würde der Gesetzgeber einen entsprechenden Beschluss der Innenministerkonferenz von 2019 umsetzen.
Missbrauchsabbildungen sind Handel und Ausbeutung von Kindern
ECPAT Deutschland e.V. begrüßt die geplante Ausweitung des Strafrahmens und fordert eine zügige Strafrechtsnovellierung, die auch den Begriff „Kinderpornographie“ durch „Missbrauchsabbildungen von Kindern“ ersetzt. Zudem fällt die Vermarktung und Ausbeutung von Kindern gemäß der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer unter das Delikt des Menschenhandels.
Bestehende Gremien und Erkenntnisse in Anwendung bringen statt neuer Dialogforen
Kinderschutz bedeutet mehr als nur juristische Maßnahmen. Auch wenn sich im Strafmaß die gesellschaftliche Ächtung solcher Handlungen spiegelt und es ein deutliches Signal an Täter_innen sendet: Für die Verhinderung dieser Delikte und den Schutz von Kindern braucht es sensibilisierte Fachkräfte. Betroffene Kinder und Jugendliche sowie hinter dem Menschenhandel liegende Strukturen können nur erkannt werden, wenn Fachkräfte aus Kinderschutz, Beratungsstellen, dem Gesundheitswesen, Strafverfolgung und Justiz entsprechend geschult sind und Hand in Hand an Fällen arbeiten. Bereits 2018 forderte die Kinderkommission des Deutschen Bundestags verpflichtende Qualifizierung aller an familiengerichtlichen Verfahren Beteiligten.
Es ist dringend an der Zeit, die vorliegenden Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Dazu bedarf es keines neuen Dialogforums, wie von Ministerin Lambrecht gefordert. Stattdessen müssen bestehende Gremien wie der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen, erst 2019 als interdisziplinärer Dialog zwischen Bund, Ländern und Kommunen beim Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) gegründet, genutzt werden.
Es braucht Netzwerke, um kriminelle Netzwerke zu besiegen – Das Bundeskooperationskonzept
Zudem veröffentlichte das BMFSFJ 2018 das Bundeskooperationskonzept „Schutz und Hilfen bei Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen“. Im Auftrag des Ministeriums unterstützt ECPAT Deutschland e.V. Kommunen und Bundesländer bei dessen Umsetzung – so flächendeckend wie möglich. Es braucht Netzwerke, um kriminelle Netzwerke zu besiegen.
Die Fachstelle ECPAT Deutschland
ECPAT Deutschland – die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder gegen sexuelle Ausbeutung – ist ein bundesweiter Zusammenschluss von 29 Organisationen, Hilfswerken und Beratungsstellen. ECPAT engagiert sich in den Arbeitsbereichen Politik, Justiz, Wirtschaft und Bildung und führt in Zusammenarbeit mit (nicht)staatlichen Partnern Maßnahmen und Projekte zur Sensibilisierung der Fachöffentlichkeit, zur Entwicklung von Präventivmaßnahmen und zur Schaffung von rechtlichen Grundlagen zum Schutz der Kinder durch. ECPAT unterstützt Behörden und Bundesländer mit Vernetzungs- und Fortbildungsmaßnahmen als Handlungsorientierung zur Thematik Menschenhandel und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen. Die Fachstelle wurde 2001 in Freiburg gegründet und ist Teil des Dachverbandes ECPAT International mit Sitz in Bangkok/Thailand.
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