Der vernichtende Bericht der Europäischen Rechnungsprüfer stützt die Kritik des NABU an der geplanten Fehmarnbeltquerung. Nach Ansicht des Umweltverbandes haben sich die Rahmenbedingungen des zu Beginn des Jahrtausends geplanten Mammut-Vorhabens im Laufe von zwei Dekaden fundamental verändert. Über Jahre hat der Bahngüterkehr zwischen Skandinavien und dem europäischen Festland abgenommen. Das hatte eine vom NABU beauftragte Studie der Hamburger Verkehrsexperten von HTC 2019 nachgewiesen. Zudem wurde der schleichende Niedergang des privaten Straßenverkehrs angesichts des parallelen Flugverkehrs nie in den Verkehrsprognosen abgebildet. Die Verkehrsprognosen sind auch deswegen fragwürdig, weil allein ein Drittel des Verkehrsaufkommens dem kleinen Grenzverkehr zwischen Lolland und Fehmarn zuzuordnen ist.
Auch über den Tunnel hinaus läuft das Gesamtvorhaben für Deutschland aus dem Ruder. Laut Zwischenbericht des Bundesrechnungshofs stieg der Kostenanteil für die notwendige Hinterlandanbindung zur Fehmarnbeltquerung zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Lübeck, zu der sich Deutschland gegenüber Dänemark verpflichtet hat, von ursprünglich 840 Millionen auf vom Bundesrechnungshof geschätzte rund 5 Milliarden Euro. Dabei bietet der deutsch-dänische Staatsvertrag den Mitgliedsstaaten eine Ausstiegsklausel. In Artikel 22 ist festgelegt, dass vor allem bei Veränderungen der finanziellen Basis Deutschland und Dänemark die Lage aufs Neue erörtern werden.
Angesichts dieser veränderten Rahmenbedingungen fordert der NABU seit Jahren, das deutsch-dänische Vorhaben auf den Prüfstand zu stellen. „Die Angst vor der Realität macht beiderseits des Belts blind für vernünftige Entscheidungen. Und die kann nur der sofortige Stopp des Projektes sein. Wenn aber Deutschland und Dänemark das Vorhaben wirklich durchziehen, droht das totale Desaster, wenn man den Bericht des Europäischen Rechnungshofs wirklich ernst nimmt. Ein finanziell hochriskantes Vorhaben mit total überzogenen Verkehrsprognosen führt zu einem unnötigen ökologischen Gau im Fehmarnbelt“, sagt Malte Siegert, Fehmarnbeltexperte des NABU und Leiter Umweltpolitik beim NABU Hamburg.
So wird die Frage des tatsächlichen Bedarfs des Vorhabens auch eine wesentliche Rolle im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht spielen, das am 22. September 2020 in Leipzig beginnen wird. Eine unnötige Zerstörung wertvoller Natur mitten in einem europäischen Meeresschutzgebiet trotz eines marginalen Bedarfs für das gigantische Tunnelprojekt ist nach Ansicht des NABU nicht hinnehmbar. Allenfalls sei ein gebohrter Tunnel für die Bahn im Fehmarnbelt denkbar. Dieser wäre zumindest mit der europäischen Idee, Güterverkehr vor der Straße auf die Schiene zu verlagern („from road to rail“) vereinbar, nicht aber der weitere Ausbau an klimaschädlichem Straßenverkehr.
Die beste Alternative ist nach Ansicht des NABU jedoch, die bestehende Bahnverbindung über Flensburg und die Storebeltbrücke adäquat zu ertüchtigen. Das sei ökologisch wie ökonomisch sinnvoller. „Es hat sich so ziemlich alles geändert an diesem Vorhaben. Nur nicht die verantwortungslose politische Haltung“, kritisiert Malte Siegert.
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