Die achte Folge der Internet-Serie „Storie Alfa Romeo“ blickt zurück auf eines der erfolgreichsten Modelle in der Historie der Marke: Mehr als 680.000 Alfa Romeo 156 wurden zwischen 1997 und 2005 verkauft. 1998 als „Auto des Jahres“ ausgezeichnet. Der Alfa Romeo 156 war eine außergewöhnliche Kombination aus Sportlichkeit, Innovation und Historie – und verkörperte damit perfekt die DNA der Marke. Experimentelle Karosseriefarben in der Tradition des Alfa Romeo Montreal und des Konzeptfahrzeugs Carabo. Innovative Technologie machte den Alfa Romeo 156 zum Meilenstein auch im Motorsport – innerhalb von zehn Jahren gewann die Rennversion 13 internationale Titel.

Fast eine Million Menschen nutzten einen „Tag der offenen Tür“ bei den Alfa Romeo Händlern, um im Spätherbst 1997 die Premiere einer wegweisenden neuen Limousine zu erleben – des Alfa Romeo 156. Und was sie sahen, überzeugte. Über 100.000 Bestellungen gingen innerhalb weniger Monate ein. Bis zum Produktionsende 2005 wurden schließlich mehr als 680.000 Stück gebaut. Diese Zahl macht den Alfa Romeo 156 zu einem der kommerziell erfolgreichsten Modelle in der 110-jährigen Geschichte der Marke.

Der internationalen Presse wurde der Alfa Romeo 156 im Centro Cultural de Belém in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon vorgestellt. Die Botschaft war klar: Der Alfa Romeo 156 kombiniert dynamischen Stil mit einer perfekten Balance aus Leistung und sportlichem Fahrverhalten. Die neue Limousine entsprach zu 100 Prozent der Philosophie von Alfa Romeo. Die Vorgaben für die Entwickler waren sehr ehrgeizig, das Resultat war eine der besten Mittelklasselimousinen mit Vorderradantrieb.

Alfa Romeo und der Vorderradantrieb

Die ersten Autos wurden mit Hinterradantrieb gebaut, aber von Anfang an faszinierte auch das Konzept des Vorderradantriebs die Konstrukteure. Diese Idee schwirrte auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Entwicklungsabteilung von Alfa Romeo. Orazio Satta Puliga und Giuseppe Busso waren vom Potenzial dieser Technologie überzeugt und starteten ein Entwicklungsprogramm mit dem Ziel, die Mittelklasselimousine Alfa Romeo 1900 zum ersten Fahrzeug der Marke mit Vorderradantrieb zu machen. Zwar fiel die Entscheidung letztlich in eine andere Richtung. Doch bereits Anfang der 1950er Jahre wurde bei Alfa Romeo die Idee eines Kleinwagens mit Vorderradantrieb geboren, was in der Entwicklungsabteilung zu Studien über verschiedene Arten von Antriebssträngen führte. Keines dieser Projekte erreichte allerdings die Produktionsphase.

Dennoch blieb Vorderradantrieb ein Thema. Ende der 1960er Jahre entschied Alfa Romeo, sein Angebot um einen Kleinwagen unterhalb der Giulietta zu erweitern. Mit einem zusätzlichen kompakten Modell sollten Produktionszahlen und Umsatz gesteigert werden. Alfa Romeo vertraute das gesamte Projekt Rudolf Hruska an. Der Ingenieur aus Österreich war zuvor verantwortlich für verschiedene Versionen der Giulietta gewesen. Hruskas Aufgabe war einmalig. Er sollte nicht nur ein neues Modell konstruieren, sondern auch gleich das Werk dazu. Das Ergebnis war der Alfasud, das erste Fahrzeug von Alfa Romeo mit Vorderradantrieb.

Der Alfasud entstand sowohl auf einem weißen Blatt Papier als auf der grünen Wiese. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, in denen eine Automobilfabrik einzig für die Herstellung eines bestimmten Modells geplant und gebaut wurde. Das betreffende Fahrzeug unterlag keinerlei technischer Einschränkungen, sollte allerdings vorgegebene Produktziele erfüllen. „Der Alfasud musste offensichtlich Vorderradantrieb haben. Und er musste ein luxuriöser Kleinwagen sein, ein Fünfsitzer mit einem sehr großen Kofferraum“, beschrieb Hruska das Projekt einige Jahre später.

Der 1,2-Liter-Boxermotor mit jeweils zwei horizontal gegenüberliegenden Zylindern wurde dem konventionellen Vierzylinder-Reihenmotor vorgezogen, da er niedriger baute und für ein aerodynamisches Profil der Karosserie besser geeignet war. Die beispiellose Schrägheck-Karosserie verbesserte den Zugang zum Kofferraum. Weil der Tank unter statt hinter der Rücksitzbank positioniert war, verblieb ein Volumen von 400 Litern für den Kofferraum. Dieser innovative, funktionale und außerdem sichere Ansatz war wegweisend auch für andere Hersteller.

Das Karosseriedesign des Alfasud war der erste wichtige Auftrag für Giorgetto Giugiaro. Um die Einschränkungen bei Größe und Raumaufteilung zu berücksichtigen, erfand der junge Stylist das charakteristische Schrägheck. Die Verbindung zur aerodynamischen Front stellte er durch eine klare und stromlinienförmige Seitenlinie her. Giugiaros Entwurf erwies sich als großer kommerzieller Erfolg.

Die Produktion des Alfasud startete 1972. Im selben Jahr überschritt die Zahl aller jemals gefertigten Alfa Romeo die Grenze von einer Million. Der Alfasud allein sollte diesen Wert nahezu verdoppeln. Zwischen 1972 und 1984 wurden 900.925 Einheiten des Kleinwagens produziert, nicht mitgerechnet die Karosserieversion Sprint. Bis heute ist der Alfasud einer der meistverkauften Alfa Romeo aller Zeiten.

Von Rationalisierung zur Marken-Identität

Seit 1933 war Alfa Romeo im Besitz der italienischen Staatsholding IRI (Istituto per la Ricostruzione Industriale), die 1986 die Marke an die Fiat Gruppe verkaufte. Wie bei nahezu allen industriellen Integrationsprozessen waren die ersten Jahre unter neuem Eigentümer hauptsächlich der Rationalisierung der Produktions- und Lieferketten gewidmet.

In den 1980er Jahren lautete das alles beherrschende Thema für die Automobilhersteller „Synergien schaffen“. Fertigungsprozesse und Produkte wurden zunehmend standardisiert. Viele Komponenten wurden aus Kostengründen an mehreren Modellen gemeinsam genutzt. Die Designer waren verpflichtet, strenge Auflagen einzuhalten. Forderungen, wie die Form der Türen mehrfach zu verwenden, lähmten die Kreativität der Entwicklungsabteilungen.

Auch beim Publikum kam dieser Gleichteile-Trend nicht gut an. Viele Interessenten forderten wieder besser unterscheidbare Modelle. Daraufhin lockerten die Hersteller ihre Designregeln erneut, parallel dazu nahm die Bedeutung der Marken-Identität wieder zu. Dieser Wendepunkt hatte starken Einfluss auf das Autodesign am Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert.

Sportliches Fahrverhalten, hohe Motorleistung, Innovation (und natürlich Stil)

Für Alfa Romeo bedeutete diese Trendwende eine Rückkehr zu seinen Ursprüngen. Der erste große Schritt, um die Einzigartigkeit der Marke wieder aufleben zu lassen, war die Wiederbelebung der Rennabteilung Alfa Corse. Alfa Romeo hatte sich schon 1911, ein Jahr nach der offiziellen Gründung, zum ersten Mal im Motorsport engagiert. Später gehörte der noch junge Enzo Ferrari zu den Werksfahrern.

Ab 1993 startete Alfa Corse in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM). Werksfahrer Nicola Larini gewann im Alfa Romeo 155 V6 Ti gegen die starke einheimische Konkurrenz auf Anhieb den Titel. Der Italiener siegte 1993 in elf von 20 Rennen, darunter auch in beiden Läufen auf der berühmten Nordschleife des Nürburgrings.

Neben der Sportlichkeit war Design stets ein Schwerpunkt in der Modellstrategie von Alfa Romeo. Der Alfa Romeo 164 von 1987, das erste Flaggschiff der Marke mit Vorderradantrieb, wurde vom Studio Pininfarina entworfen. Im gleichen Zeitraum wurde aber die Rolle des hausinternen Centro Stile Alfa Romeo immer wichtiger.

Im Werk Arese, Heimat auch des Centro Stile, änderten sich die Technologien, die Menschen und der Produktionsprozess. Neue computergestützte Systeme für Design und die Fertigung von Prototypen wurden eingeführt. Das Team des Centro Stile war in den Konstruktionsprozess von Fahrzeugplattformen integriert und beteiligte sich auch an technologischen Entscheidungen. Die Strategie lautete: Was funktional ist, muss auch schön sein, und umgekehrt. Stil und Funktion gehören zusammen – bei Alfa Romeo bezeichnet als „notwendige Schönheit“.

Design einer ganzen Baureihe

Das Centro Stile verantwortete nicht nur das Design eines einzelnen Modells, sondern ganzer Baureihen. So stellte Alfa Romeo 1995 das Schrägheck-Modell 145 vor, ein Jahr später ergänzte der Alfa Romeo 146 mit kurzem Stufenheck das Angebot der Marke im C-Segment. Es folgte die Baureihe 916 mit dem Coupé Alfa Romeo GTV und dem Alfa Romeo Spider, deren Design in Zusammenarbeit mit Pininfarina entwickelt wurden.

Den eigentlichen Wendepunkt markierte der Alfa Romeo 156. Der Stil der Mittelklasse-Limousine war eine außergewöhnliche Mischung aus Leistungsfähigkeit, Innovation und historischen Zitaten. Der für Alfa Romeo charakteristische Kühlergrill, das Scudetto, dominierte das Design der Fahrzeugfront. Die markanten vorderen Kotflügel strahlten Kraft und festen Stand auf der Straße aus. Die Dachlinie und das Verhältnis zwischen Glas und Metalloberflächen ähnelten eher einem Coupé als einer Limousine. Betont wurde dieser Effekt durch die fast unsichtbar in die Türrahmen integrierten Griffe der hinteren Türen. Die sauberen Flanken betonten das schlanke und dynamische Profil des Alfa Romeo 156. „Er scheint sich zu bewegen, selbst wenn er steht“, kommentierte Walter de Silva, zu dieser Zeit Leiter des Centro Stile Alfa Romeo.

Die Farbpalette des Alfa Romeo 156 enthielt experimentelle Lackierungen, die zuvor in ähnlicher Form beim Konzeptfahrzeug Carabo (1968) und beim Alfa Romeo Montreal (1970) zu sehen war. Die Designer des Centro Stile fanden Inspiration im benachbarten Werksmuseum, das damals im selben Gebäude wie heute untergebracht war. In Anlehnung an die Farbe des ausgestellten Alfa Romeo 8C 2900 B von 1938 erfanden sie den Mehrschichtlack Nuvola Blau, der mit einem Glimmereffekt das Auto regelrecht zum Glitzern bringt.

Ausgeprägte Sportlichkeit

Der Alfa Romeo 156 war auch aus technischer Sicht ein außergewöhnliches Auto. Die Aufgabenstellung für die Entwickler war, das Konzept der „fortschrittlichen Sportlichkeit“ durch die Kombination von Leistungsfähigkeit, Leichtigkeit und guter Beherrschbarkeit umzusetzen. Diese Formel bestimmte schon immer den Charakter eines Alfa Romeo.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurden innovative Materialien in der Produktion verwendet, darunter Magnesium und Stahlbleche mit unterschiedlichen Stärken, sogenannte „Tailored Blanks“. Die aufwändig konstruierte Vorderachse wies eine sogenannte Ackermann-Geometrie auf, die für ein direktes Lenkgefühl sorgte. Besondere Sorgfalt wurde auch auf die mechanische Abstimmung des Fahrwerks angewendet, das ein präzises Fahrverhalten garantierte.

Der Alfa Romeo 156 überzeugte die Autofans, er war die aufregendste Limousine einer ganzen Ära. Die Rennversion feierte außerdem zahlreiche Erfolge im Motorsport. Innerhalb von zehn Jahren gewann der Alfa Romeo 156 insgesamt 13 internationale Titel.

Die Erfindung der Common-Rail-Direkteinspritzung

Zum Start des Alfa Romeo 156 wurden sechs Motorvarianten angeboten. Ein V6-Benziner wurde von drei Twin-Spark-Aggregaten mit Doppelzündung begleitet. Diese Technologie, erstmals von Alfa Romeo Konstrukteur Giuseppe Merosi schon 1914 eingesetzt, war im Laufe der Jahre das Merkmal einer ganzen Reihe legendärer Motoren der Marke. Im Alfa Romeo 156 wurden zwei Zündkerzen pro Zylinder erstmals mit vier Ventilen kombiniert.

Mitte der 1990er Jahre war in Europa Benzin der am weitesten verbreitete Kraftstoff. Aber diese Regel sollte sich ändern – auch dank Alfa Romeo. Der Alfa Romeo 156 war das erste Serienauto der Welt, in dem Dieselmotoren mit Direkteinspritzung nach dem heute weit verbreiteten Common-Rail-Verfahren eingesetzt wurden. Die am Kürzel JTD erkennbaren Turbodiesel mit 1,9 beziehungsweise 2,4 Litern Hubraum verblüfften Fachleute und Publikum gleichermaßen. Zum ersten Mal boten Dieselmotoren Leistung, Geräuschdämpfung und Komfort auf dem Niveau von Benzinern.

Alfa Romeo 156 und Alfa Romeo 147 – die „Autos des Jahres“

Der Alfa Romeo 156 eroberte weltweit die Herzen. 1998 gewann er als erstes Modell der Marke die international wichtigste Auszeichnung als „Auto des Jahres“.

2000 präsentierte Alfa Romeo das auf derselben technischen Plattform basierende Modell 147, das sich außerdem weite Teile der Karosserie mit dem großen Bruder teilte. Auch der Alfa Romeo 147 wurde als „Auto des Jahres“ ausgezeichnet (2001).

Die weiteren Folgen zur „Storie Alfa Romeo" finden Sie unter:

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