| APD | Buchrezension: „Die Smartphone-Epidemie – Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft“ Manfred Spitzer – Klett-Cotta Verlag; 27.01.2020, 367 Seiten (Taschenbuch) – 10,00 € – Kindle 8,99 € – ISBN-13: 978-3608985603.

Manfred Spitzer ist sich sicher: Smartphones schaden der Gesundheit, der Bildung und der Gesellschaft. Der moderne Mensch ist im Umgang mit den neuen Medien viel zu unkritisch. Der Professor für Psychiatrie an der Universität Ulm ist deshalb in seinem neusten Buch bemüht, die negativen Auswirkungen auf das Denken, Fühlen und Handeln mit Fakten zu belegen. In fünfzehn Kapiteln stellt er negative Auswirkungen von Medien vor, wie etwa ein gesteigertes Risiko zu Übergewicht, Schlafstörungen, Kurzsichtigkeit, Vereinsamung, Depressionen, Suizidalität und ein reduziertes Denkvermögen. Kinder und Jugendliche seien besonders gefährdet.

Siegeszug über den Globus
Neben den bekannten Risiken zeigt der Professor auch weniger bekannte Gefährdungen auf, wie z.B. ein schwindendes Grundvertrauen in die Menschheit und ein reduziertes Demokratieverständnis. Auch eine gesteigerte Individualisierung, Radikalisierung, der Wahrheitsverlust und der allgemeine Verlust von Privatsphäre seien Folgen der Digitalisierung, die sich seit 2007 mit der Erfindung und Vermarktung des Smartphones durch die Firma Apple deutlich beschleunigt habe. Seitdem sei das „Schweizermesser des digitalen Zeitalters“ auf einem globalen Siegeszug und beanspruche bereits ein Drittel der Wachzeit seines Nutzers. Die offizielle Technologiefolgenabschätzung sei mangelhaft.

Der Autor ist generell der Meinung, dass die Öffentlichkeit viel zu unkritisch mit den neuen Medien umgeht und spricht von einem Hype, der jedoch großes Suchtpotential enthält. Der Journalismus, das Bildungssystem und das Gesundheitssystem stünden der Digitalisierungswelle viel zu positiv gegenüber, was der neusten Studienlage widerspreche. Das Buch besteht deshalb größtenteils aus Artikeln, die Spitzer bereits in Fachjournalen veröffentlicht und für das Buch neu überarbeitet und ergänzt hat. Die Kapitel sind unabhängig voneinander zu lesen und die Inhalte teilweise redundant. Spitzer nutzt neueste Studienergebnisse aus den Fachblättern „Science und Nature“.

Weltuntergangsstimmung
Spitzer‘s Thesen sind umstritten: Im Vorwort berichtet er, wie seine früheren medienkritischen Bücher wie Vorsicht Bildschirm!, Digitale Demenz und Cyperkrank! für Aufruhr gesorgt und ihm den Vorwurf der Radikalisierung eingebracht hätten. Das mag daran liegen, dass Spitzer nicht unbedingt ausgewogen schreibt, sondern eine Mission vertritt. Dies führt neben einer sehr direkten und teilweise polemischen Ausdrucksweise auch dazu, Studien einseitig heranzuziehen, um seine Meinung zu stützen. Im Ergebnis bekommt das Buch dadurch einen apokalyptischen Unterton. Doch Spitzer will ausdrücklich keine Angst machen, sondern aufklären, damit Kinder und Jugendliche nicht unnötig Risiken ausgesetzt würden.

Der Ausblick fehlt
Der Rezensentin fehlt ein Abschlusskapitel, das mit einem positiven Ausblick zusammenfasst. Der Leser wird mit dem Schlusssatz „Wir sollten uns Gedanken machen!“ allein gelassen und pauschal aufgefordert sich und seinen Umgang mit den modernen Medien zu reflektieren. Es bleiben Fragen wie: Wo beeinträchtigt das Smartphone meine Gesundheit, meine familiären Beziehungen, meine Aufmerksamkeit, meine Empathiefähigkeit und Willensbildung? Und ganz grundsätzlich: Bin ich von der Epidemie nun infiziert oder nicht? Oder wird mir die Krankheit nur eingeredet?

Claudia Mohr

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