Die Covid-19-Pandemie gibt weltweit den Takt an. Sie stürzt die Wirtschaft in eine gravierende Krise. Wie gelingt der Neustart danach? Mit welchen Werkzeugen lässt sich die Wirtschaft wiederaufbauen – und zwar nachhaltiger und widerstandsfähiger als zuvor? Klar ist: Wirtschaftshilfen in Billionenhöhe legen Wege fest, die Deutschland und Europa für die nächsten Jahrzehnte prägen werden.

Der WWF Deutschland fordert, dass die Bundesregierung die jetzt notwendigen Konjunkturpakete mit Weitsicht und in einer zukunftsgewandten Richtung ausgestaltet. Das WWF-Positionspapier „Ziele – Pfade – Transparenz: Mit nachhaltigem Wirtschaftswachstum aus der Krise“ bringt die Debatte von großen Botschaften auf die Ebene praktischer Umsetzung. Es zeigt die Instrumente, mit denen Politik, Finanz- und Realwirtschaft die Konjunkturhilfen an den Pariser Klimazielen, dem European Green Deal und den globalen Nachhaltigkeitszielen der UN, den Sustainable Development Goals, ausrichten. „Die Gesellschaft trägt alle staatlichen Mittel, die wegen der Covid-19-Krise bereitgestellt werden. Gesamtgesellschaftliche Ziele müssen zur Maxime bei der Festlegung der Kriterien und Bedingungen für den Zugang zu den Mitteln erhoben werden“, sagt Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland.

Für die Vergabe von Konjunkturhilfen sind die entscheidenden Werkzeuge: unternehmerische Klimaziele im Einklang mit der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen und eine transparente Berichterstattung über die Verwendung der Mittel. Richten Unternehmen ihre Geschäftsmodelle nicht langfristig an dem 1,5-Grad-Ziel von Paris und damit den Zielen aus, die die Bundesregierung unterschrieben hat, können sie keine staatlichen Konjunkturmittel erhalten. „Mit den Konjunkturhilfen, die unsere Gesellschaft jetzt schultert, können wir grundlegende Weichen noch rechtzeitig stellen – stellen wir sie falsch, ist es höchstwahrscheinlich, dass die Klimakrise mit gravierenden Effekten dann unvermeidbar über zwei Grad hinausläuft”, sagt Brandes.

„Die EU-Taxonomie kann als Ampel für die Zahlung von staatlichen Hilfen funktionieren“, sagt Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland. Die EU-Kommission hat seit 2018 diesen Standard entwickelt, das Europaparlament, die Bundesregierung und alle EU-Mitgliedsstaaten haben im Rahmen der Taxonomie-Verordnung nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten definiert. Die Taxonomie betrachtet diese mit Blick auf Emissionsvermeidung und auf Anpassungseffekte gegen die Klimakrise, die im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen.

„Es ist der uns momentan beste verfügbare internationale Standard zur Betrachtung von ökonomischen Aktivitäten in Bezug auf notwendigen Veränderungen zur Vermeidung von Klima- und Umweltrisiken“, sagt Kopp. „Die EU-Taxonomie lässt sich als Grundlage in vielen Sektoren anwenden und bietet damit einen breiten Zugang zu Begründung und Lenkung für Konjunkturhilfen. Wichtig ist, dass die Mittelvergaben an allen Sektoren ausgerichtet werden, um eine umfassende Transformation der Wirtschaft zu fördern.“ Die Taxonomie muss deshalb unbedingt noch weiterentwickelt werden. Auch Aktivitäten und Unternehmen müssen berücksichtigt werden, die nach den aktuell definierten Standards noch nicht nachhaltig und „grün“ sind, aber einen Transformationspfad entwickeln und ihr Geschäftsmodell an klaren und wissenschaftlichen Kriterien im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen umstellen.

Transparenz über die Zielerreichung ist Grundvoraussetzung für Entscheidungen über Mittelvergabe. Sowohl vor als auch nach der Zahlung müssen Unternehmen darüber angemessen berichten, wie die öffentlichen Gelder bei ihren Aktivitäten eingesetzt werden. Sie müssen nachweisen, dass sie nicht zu schädlichen Entwicklungen und Auswirkungen auf Klima, Biodiversität, Meere und Süßwasser führen. Kopp sagt: „Klima- und Nachhaltigkeitsinformationen sind heute schon berichtspflichtig – jedoch nur in Teilbereichen. Sie müssen den gleichen Stellenwert wie klassische Finanzinformationen bekommen.“ Die Offenlegung muss über die Einrichtung angemessener Strukturen wie etwa eines Transparenzregisters erfolgen.

„Kurzfristig Arbeitsplätze und Unternehmen zu retten, war unbestritten ein wichtiger und richtiger Schritt“, sagt Eberhard Brandes zu den staatlichen Hilfen in der Covid-19-Krise. „Jetzt müssen wir den praktischen Grundstein für langfristige Investitionen und eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung legen, die uns gegen weitere Krisen wie die Erderhitzung und dem Verlust der Artenvielfalt schützt – mit den Strukturen, die wir brauchen und den Instrumenten, die wir haben. Es ist jetzt an der Zeit, das Gegeneinander-Ausspielen von Ökologie und Ökonomie zu beenden, da es weder richtig noch zielführend ist. Wir müssen unsere Wirtschaft so wiederaufbauen, dass wir im Einklang mit Natur und Umwelt in der Lage sind, langfristig in den planetaren Grenzen und global fair zusammenzuarbeiten. Nur so werden wir in Zukunft auch widerstandsfähig gegen Schocks wie der Covid-19-Pandemie aufgestellt sein.“

Hintergrund

Das WWF-Positionspapier „Ziele – Pfade – Transparenz: Mit nachhaltigem Wirtschaftswachstum aus der Krise“ ist in Kooperation mit der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch e.V. entstanden. Des Weiteren hat der WWF Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Wirtschaftsweise als deutsche Kurzversion und englische Langversion erarbeitet.

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