Abschalteinrichtungen, die die Wirkungen von Emissionskontrollsystem verringern, verstoßen gegen europäisches Recht und sind unzulässig. Generalanwältin Eleanor Sharpston hat in ihrem Schlussantrag deutliche Worte im Abgasskandal gefunden. Sollte der EuGH in dem Verfahren zum Aktenzeichen C-693/18 dem Antrag der Generalanwältin folgen, wäre dies nicht nur ein harter Schlag für VW, sondern auch für viele andere Autohersteller wie Daimler.

Auch wenn es in dem Verfahren vor dem EuGH um einen VW mit dem durch den Dieselskandal bekannt gewordenen Motor des Typs EA 189 geht, reicht die Einschätzung der Generalanwältin viel weiter. Denn nicht nur das von VW beim EA 189 verwendete sog. AGR-System ist nach Auffassung der Generalanwältin eine unzulässige Abschalteinrichtung. Vielmehr seien Abschalteinrichtungen grundsätzlich illegal, wenn sie im realen Straßenverkehr zu einem erhöhten Emissionsausstoß führen.

Damit kommen auch andere Funktionen wie das Thermofenster, bei dem die Abgasreinigung in bestimmten Temperaturbereichen reduziert bzw. ganz abgeschaltet wird, ins Spiel. Daimler benutzt diese Funktion bei zahlreichen Mercedes-Modellen und begründet dies damit, dass dies aus Motorschutzgründen notwendig sei, beispielsweise um den Motor vor Versottung zu schützen. „Mit dieser Argumentation kommt Daimler nicht mehr durch. Die Generalanwältin machte klar, dass Abschaltfunktionen nur in ganz engen Ausnahmen zulässig sind, etwa um den Motor vor unmittelbaren oder plötzlichen Schäden zu schützen, nicht aber vor Verschleiß oder Verschmutzung. Thermofenster, die schon bei Temperaturen, die über viele Wochen im Jahr üblich sind, für eine Reduzierung der Abgasreinigung sorgen, gehören nicht zu diesen Ausnahmen“, erklärt Rechtanwalt Franz Braun, CLLB Rechtsanwälte.

Die Generalanwältin führte aus, dass eine Abschalteinrichtung vorliegt, wenn durch dieses Konstruktionsteil Parameter wie beispielsweise Temperatur erkannt werden und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im realen Fahrbetrieb verändert wird. Rechtsanwalt Braun: „Das ist bei Thermofenstern der Fall. Hier kann die Abgasreinigung in Abhängigkeit von der Temperatur reduziert werden.“

Zudem stellte die Generalanwältin klar, dass die Autohersteller nach der Verordnung Nr. 715/2007 dafür sorgen müssen, dass die Grenzwerte für den Emissionsausstoß während des gesamten normalen Betriebs eingehalten werden. „Auch das ist bei Thermofenstern nicht der Fall“, so Rechtsanwalt Braun.

Die Chancen, Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen Daimler durchzusetzen, sind damit weiter gestiegen. Der Bundesgerichtshof hatte Mercedes-Kunden bereits mit Beschluss vom 28. Januar 2020 den Rücken gestärkt (Az.: VIII ZR 57/19). Der BGH hatte klargestellt, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung auch dann vorliegen kann, wenn es keinen Rückruf des Fahrzeugs durch das Kraftfahrt-Bundesamt gibt. Der Rückruf sei keine Voraussetzung. Auch der Kläger müsse nicht im Detail darstellen können, wie die Abschalteinrichtung funktioniert. Er reiche, wenn er hinreichende Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung liefert. Dann müsse das Gericht dem Kläger auch Gehör schenken und dürfe z.B. ein Sachverständigengutachten nicht ablehnen.

„Damit hat der BGH die Beweisführung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Daimler bereits erheblich erleichtert. Nach den deutlichen Ausführungen der EuGH-Generalanwältin sind die Chancen auf Durchsetzung der Schadensersatzansprüche noch einmal wesentlich gestiegen“, sagt Rechtsanwalt Braun.

Mehr Informationen: https://www.diesel-abgasskandal.de/mercedes-abgasskandal/

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