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Veränderte Realitäten
Es ist kaum drei Wochen her, da gingen die beiden Worpsweder Fotografen Jürgen Strasser und Rüdiger Lubricht noch davon aus, am 21. März die dritte Ausgabe des RAW Photofestivals zu eröffnen. Was 2016 als erster Versuch zweiter mutiger Festivalmacher gestartet war, sollte in der dritten Ausgabe einen deutlichen Sprung nach vorne machen.

Insgesamt sieben Ausstellungen waren geplant, davon vier in den Häusern des Worpsweder Museumsverbundes. Für den Barkenhoff, die Große Kunstschau, das Haus im Schluh und die Worpsweder Kunsthalle hatten Strasser und Lubricht Ausstellungen konzipiert, die in einen Dialog mit dem jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkt des Hauses treten sollten. Renommierte Fotografen hatten zugesagt und ihre Werke bereits real oder in digitaler Form nach Worpswede gesandt. In Rüdiger Lubrichts Studio ging das Licht kaum aus. Tagelang wurden die Ausstellungsprints gedruckt, kaschiert und gerahmt. Auch organisatorisch liefen die Festivalvorbereitungen auf vollen Touren, so sollte etwa einer der bedeutendsten Preise für junge Fotografie, der Otto-Steinert-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie, am Eröffnungstag in Worpswede verliehen und in einer Ausstellung in der Galerie Altes Rathaus präsentiert werden.


Ab dem 10. März 2020, also elf Tage vor Festivalbeginn, sollte durchgestartet werden: Aufbau aller Ausstellungen in den Museen und Galerien des Ortes. An sieben Orten gleichzeitig und mit einem kleinen Kernteam von Kuratoren und Aufbauhelfern.
 »Das erfordert schon eine gewisse Logistik«, so der künstlerische Leiter Rüdiger Lubricht. Bildertransporte fuhren durch den Ort, an manchen Tagen waren mehrere kleine Teams gleichzeitig unterwegs und hängten Bilder oder montierten großformatige Fotos. Immer im Blick: die bedrohliche Entwicklung der Corona-Zahlen in Deutschland und in der Welt. Und schneller als alle dachten, wurde das Festivalmotto »Changing Realities« zur Realität.

Improvisation statt Resignation
Eine Woche vor Festivalbeginn, ausgerechnet am Freitag dem Dreizehnten, wurde es zur Gewissheit: Das Land Niedersachsen untersagte aufgrund der Corona-Krise alle Veranstaltungen und auch die Schließung der Museen stand bevor.

Ein Albtraum schien wahr zu werden: Ein Festival ohne Eröffnung, ohne Ausstellungen, ohne Begleitprogramm und ohne Besucher. Festivaldirektor Jürgen Strasser entschied umgehend, sich den neuen Realitäten zu stellen und disponierte sofort um. Ab jetzt war es ein Wettlauf mit der Zeit. Denn die Produktion virtueller Ausstellungen und eine Online-Eröffnung zum ursprünglichen Startzeitpunkt waren von nun an das Ziel.

Zunächst mussten die noch nicht fertigen Ausstellungen zu Ende aufgebaut werden. Allerdings nun unter Corona-Bedingungen und mit einem noch kleineren, aber eingespielten Team. Mit vier Ausstellungstechnikern und drei Kuratoren wurde genagelt, gemessen und ausgerichtet.
Zugleich ging das Kreativteam von RAW-FREI-HAUS an den Start: Festivalleiter Jürgen Strasser holte den freien Kurator und Texter Björn Herrmann sowie den Filmemacher und Kameramann Matthias Sabelhaus an Bord – beide bereits RAW-erfahren. Das Dreierteam entwickelte innerhalb eines Wochenendes die Programmplanung mit Ausstellungsrundgängen, Künstlergesprächen und Mini-Konzerten und schon am Dienstag vor der geplanten Eröffnung sollte dafür Drehbeginn sein. In Windeseile wurden die letzten Bilder montiert, die Ausstellungen beschildert und wie für eine reale Eröffnung vorbereitet.

Vier Tage vor der geplanten virtuellen Eröffnung rückte Kameramann Matthias Sabelhaus im Haus im Schluh an, um die ersten Impressionen der fertigen Ausstellung »Fokus Mensch« einzufangen. Ohne eigenes Team und mit kleinem Equipment, denn aus Gesundheitsgründen sollte mit möglichst wenig Menschen und größtmöglichem Abstand gedreht werden. Timing war nun gefragt, denn während in einem Haus schon Aufnahmen entstanden, wurde anderenorts noch weiter aufgebaut. Eine logistische Mammutaufgabe für die Teammitgleder, die sich teilweise nur noch auf den Wegen zwischen den Ausstellungsorten begegneten.

»Zum Glück ist Worpswede klein! «, so Festivaldirektor Jürgen Strasser, der mit dem Fahrrad trotzdem etliche Kilometer zurücklegte. Weitere Schwierigkeiten traten auf: Eine der Ausstellungen konnte nicht mehr am Originalstandort installiert werden. Daher entschied das Team kurzerhand, die bereits fertige und abgefilmte Ausstellung in der Worpsweder Kunsthalle teilweise wieder abzuhängen. Dann wurde für einen Nachmittag eine komplett neue Ausstellung eingerichtet, um die Bilder aller Künstlerinnen und Künstler filmisch dokumentieren zu können. Ein Kraftakt, der inklusive Rückbau auf die ursprüngliche Ausstellung an einem einzigen Tag gemeistert wurde. Dabei war dem Team die aktuelle Lage stets bewusst: »Wenn sich einer von uns mit dem Virus  ansteckt, ist das Projekt RAW-FREI-HAUS nicht zu realisieren«, erinnert sich Jürgen Strasser an die schwebende Bedrohung. Doch die Worpsweder hatten Glück und alle blieben gesund.

Wettlauf gegen die Uhr
Am Tag vor der Eröffnung glich die Worpsweder Kunsthalle einem kleinen Fernsehstudio. Festivaldirektor Jürgen Strasser und der künstlerische Leiter Rüdiger Lubricht nahmen ihre Eröffnungsstatements auf. Um den Hall in den großen Ausstellungssälen zu dämpfen, wurden großflächig Teppichfliesen ausgelegt.
Es gelang nicht nur, ein Videogrußwort der Schirmfrau, Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta, zu bekommen. Auch der Cellist Stephan Schrader von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen ließ sich überzeugen, seinen für die Eröffnung geplanten Beitrag am selben Tag in den virtuellen Raum zu verlegen. Er sollte mit seinem Instrument und einer Loop-Station zu Bildern aus den Ausstellungen improvisieren und kam extra für die Aufnahmen nach Worpswede. Im Haus im Schluh wurde ein weiteres Studio improvisiert und Schrader spielte kurze Stücke zu insgesamt neun Bildern ein.

Die letzten Stunden vor der Online-Eröffnung wurden zum Marathon. Kaum waren die Bilder mit dem Cellisten im Kasten, begann schon der Schnitt. Pünktlich um 19.00 Uhr sollte die Eröffnung über die Bilderschirme der Fotofreunde flimmern.

Doch Corona hatte auch in der Medienwelt alles verändert. Unter der weltweiten Last waren die Streamingdienste beinahe zusammengebrochen und die Freunde der Fotografie mussten etwas länger als geplant auf die rund halbstündige Online-Eröffnung warten, da sich der Upload unvorhergesehen verzögerte.

Strammes Programm und keine Erholung
Bereits am folgenden Tag war das RAW-FREI-HAUS-Team wieder in Aktion. Denn ein ehrgeiziger Produktionsplan war einzuhalten. Zunächst sollten alle Ausstellungen ausführlich vorgestellt werden. Dazu galt es Texte zu schreiben, Musik auszuwählen und das vorhandene Rohmaterial zu sichten und zu schneiden. Nun war Arbeit im Home-Office angesagt. Jürgen Strasser entwickelte neue Ideen, koordinierte und telefonierte, Björn Herrmann textete im Akkord und Matthias Sabelhaus übernachtete beinahe am heimischen Schnittplatz. Und das Team bekam Verstärkung: Helle Rothe wurde zur Stimme von RAW-FREI-HAUS.

»Eine praktische Synergie!«, freut sich Jürgen Strasser – schließlich ist die Schauspielerin ganz nebenher auch die Ehefrau von Filmemacher Sabelhaus. Die Aufnahmesitzungen im heimischen Tonstudio waren somit auf dem ganz kurzen Dienstwege erreichbar und Texter Björn Herrmann wurde kurzerhand per Skype dazu geschaltet.

Das ehrgeizige Ziel, fast täglich neues Material auf Facebook, Youtube und Instagram hochzuladen, hielt die Macher in Atem, zusätzlich zu den Rundgängen und weiteren Improvisationen von Stephan Schrader sollten nun auch Künstlergespräche folgen, die teilweise – wiederum unter Wahrung aller gesundheitlichen Vorsicht – in Worpswede gedreht wurden, teilweise per Skype-Schaltung. Selbst wenig technikaffine Beteiligte ließen sich überzeugen, das Programm extra für RAW-FREI-HAUS zu installieren. „Und einer der Künstler hängt gerade wegen Corona in Südamerika fest. Er hat aber trotzdem zugesagt!“, berichtet Jürgen Strasser schmunzelnd.

Weitere Aussichten
Nach gut eineinhalb Wochen RAW-FREI-HAUS sind die Macher müde, aber sichtlich zufrieden. Sie gehören zu den ersten, denen es gelungen ist, einen Ausstellungsbetrieb in Corona-Zeiten komplett in den virtuellen Raum zu verlegen. Erst nach und nach ziehen etablierte Museen und andere Fotofestivals nach.

»Man redet über uns in der Fotoszene und ist sichtlich beeindruckt! «, zeigt sich Festivaldirektor Strasser zufrieden. Doch eines ist klar: Viel lieber würde er schon morgen die Türen aller Häuser aufsperren und die Besucher einladen, sich vor Ort von RAW und seinen Ausstellungen begeistern zu lassen.
Ein virtueller Besuch kann ein Festival als Ort der Begegnung und des Austauschs  nicht ersetzen. Solange das aber nicht möglich ist, gibt es weiter RAW-FREI-HAUS: Fast täglich mit neuen Inhalten unter www.raw-frei-haus.com sowie auf den beiden Social-Media-Kanälen Facebook und Instagram.

www.raw-frei-haus.com 

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Bergstraße 1
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Telefon: +49 (177) 5613365
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Jürgen Strasser
Telefon: +49 (177) 56133-65
E-Mail: strasser@raw-phototriennale.de
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