Sie heißen Greta, Daniel, Johannes, Waldemar, Chelsea und Sabrina und haben eins gemeinsam. Sie pflücken jeden Tag von früh bis spät süße rote Früchtchen. Sie sind Ernteretter aus der Ortenau und helfen bei der Erdbeerernte. Die Landwirte sind froh, dass es sie gibt. Derzeit sind im Bereich der Obstgroßmarkt Mittelbaden eG rund 200 Erntehelfer im Einsatz.

Nachdem unsicher war, ob überhaupt langjährige Erntehelfer aus Polen und Rumänien kommen dürfen, kam von den Landwirten ein Hilferuf an freiwillige Helfer aus der Region. Der Obstgroßmarkt Mittelbaden legte eine eigene Plattform „Ernteretter Ortenau“ an. Und siehe da, die Solidarität mit den heimischen Obstbauern war groß. „Der Bedarf bleibt bis zum Ende der Obstsaison“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Obstgroßmarkt Mittelbaden eG, Wendelin Obrecht, selbst einer der großen Erdbeerbauern. „Ohne die Helfer würden wir die Ernte nicht schaffen“, ist auch Christoph Spraul aus Oberkirch-Haslach dankbar für den Einsatz der regionalen Helfer.

Es sind Menschen, die sich in Kurzarbeit befinden, Studentinnen, Friseurinnen, Freunde und Verwandte, die kurzfristig eingesprungen sind und nun täglich die Steigen mit den Erdbeeren füllen, damit sie ab dem Obstgroßmarkt in alle Richtungen in den Handel gelangen. Für die Obstanbauer ist es auch eine neue Erfahrung. „Es gab sogar welche, die gar keine Entlohnung wollten. Sie wollten einfach nur helfen“, berichtet Klemens Kammerer aus Renchen-Ulm. Für ihn hat sich der Erntealltag durch die Einbindung der regionalen Helfer entschleunigt. Derzeit beschränkt sich der Ernteeinsatz auf den Vormittag. Nachmittags bleibt auch Zeit für Pflegearbeiten i den Apfelanlagen oder das Anbringen der Hagelnetze. „Wir sind viel flexibler. Wenn wir die freiwilligen Helfer brauchen, können wir sie rufen.“ Für Kammerer ist der diesjährige Ernteeinsatz auch ein Lernprozess. Seine Ernteretterin Chelsea aus Achern ist begeistert von der Arbeit. Sie denkt, dass sich auch in anderen Jahren regionale Helfer finden lassen.

„Letzte Woche hatte ich noch gar keine Helfer. Aktuell habe ich bis zu elf regionale Mitarbeiter im Einsatz“, erzählt Andreas Fies aus Oberkirch-Gaisbach. Er sagt nur „Hut ab“ vor der Leistung. Ohne den Einsatz der Freiwilligen hätte er Dreiviertel seiner Erdbeeren nicht ernten können. „Alle haben gekämpft“, freut er sich über das Engagement jedes Einzelnen. Vorwiegend aus Familie und Freundeskreis kommen die Ernteretter von Christoph Spraul in Oberkirch-Haslach. Viele von ihnen sind erstmals dabei und haben die harte Arbeit unterschätzt. Ohne sie „würde uns viel Einkommen fehlen“, ist Alisia Spraul glücklich über die Hilfe.

Allen Landwirten ist eines gemeinsam. Sie brauchen den Tages deckenden Ablauf, das heißt die Kontinuität des Einsatzes. „Der Bedarf an Erntehelfern bleibt variabel“, betont Wendelin Oberecht. Bis zum Schluss der Obsternte im Herbst braucht es Unterstützung. Und keiner weiß, wie lange die Krise anhält und was sie allen noch abverlangt. Daher sind Helfer, die in der Leistung stabil sind und mit viel Motivation an die Arbeit herangehen „ein Traum für jeden Arbeitgeber“, lobt er vor allem seine Sabrina, die im normalen Berufsleben Eventmanagerin ist.

Insgesamt hatten sich über die Internet-Plattform des Obstgroßmarktes knapp 600 Ernteretter gemeldet. Die Registrierungen bleiben bestehen, damit bei weiterem bedarf schnell Kontakt aufgenommen werden kann. Denn geht bei einigen der Freiwilligen die Kurzarbeit zu Ende, oder beginnt das Studium müssen sie zurück an ihre eigentlichen Einsatzorte. „Wir bleiben am Ball und haben uns auch bei allen registrierten Helfern gemeldet“, schildert der Geschäftsführende Vorstand des Obstgroßmarktes, Marcelino Expósito die Lage. Der Bedarf an Saisonarbeitskräften im Bereich der OGM liegt bei rund 2000 über die gesamte Saison.

Greta aus Berlin

Greta kommt aus Berlin, ist Studentin der Osteuropa-Studien, und hilft jetzt bei Klemens Kammerer in der Erdbeerernte. Sie macht ein Urlaubssemester und wollte gerne wiedermal auf einem Bauernhof helfen. Sie pflückt, sortiert, wiegt ab und fährt auch die Lieferung zum Obstgroßmarkt. An ihrer Seite sind Chelsea aus Achern, Studentin fürs Lehramt und Horica aus Rumänien, seit zehn Jahren Erntehelfer bei Klemens Kammerer in Renchen-Ulm.

Nach kurzer Einlernphase durch Horica und „Learning by doing“ klappt es mit dem Ernten. „Greta ist für uns ein Glücksgriff“, freut sich Obstbaumeister Kammerer. Sie will den ganzen Sommer bleiben. Greta ist im Nordhessischen auf einem Hof aufgewachsen und hat im Ausland schon mehrfach in der Landwirtschaft gearbeitet. Trotzdem ist es für sie beeindruckend, „wieviel Arbeit hinter so einer Schale Erdbeeren steckt.“ Ihre Motivation bestand darin, draußen in der Natur zu arbeiten und mitzuhelfen, die Obsternte zu retten. 

So wohnt sie mit Rumäne Horica in der hofeigenen Unterkunft. Sie kochen zusammen. Er seine osteuropäischen Spezialitäten, sie heimische Kost. Am Anfang war die Verständigung schwierig. Horica spricht badisches Deutsch. „Das habe ich am Anfang schlecht verstanden. Jetzt sage ich auch schon Wägele“ und meint damit die Erdbeerwagen, auf denen die Pflücker sitzen. Wenn es passt, kommt sie nächstes Jahr wieder. „Ich kann auch Traktor fahren“, schmunzelt sie mit einem Augenzwinkern. Klemens Kammerer nimmt’s freudig zur Kenntnis.

Annika, angehende Lehrerin

  

Annika studiert auf Lehramt und kommt aus Urloffen. Sie kam über die Homepage des Obsthofes Fies in Oberkirch-Gaisbach zur Tätigkeit als Erntehelferin. Sonst in der Gastronomie tätig, suchte sie nach Ersatz und hat sich als Ernteretterin gemeldet. Vier Wochen will sie bleiben. „Ich wollte die Bauern in der Region unterstützen und was Gutes tun.“ Um sieben Uhr geht’s aufs Feld bis 17 Uhr mit einer Mittagspause. Die größte Herausforderung auf dem Feld war die gebückte Haltung beim Pflücken. „Ich hatte schon immer große Hochachtung vor den Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten.“

Die Familie Fies ist mit auf dem Feld. „Wir sind ein nettes Team und manchmal gibt es auch was zu lachen.“ Die Familie ist sehr bemüht und gut organisiert, berichtet Annika. Sie hat viel über den Erdbeeranbau gelernt, und was da an Arbeit dranhängt. Auch was aussortiert werden muss und welche Verpackungen zu wählen sind, will gelernt sein. Neben dem Pflücken wiegt sie auch ab, damit das Gewicht der Schälchen stimmt, wenn sie beim Obstgroßmarkt angeliefert werden. Und sie ist mit im Direktverkauf unterstützend tätig. „Dann wird der Rücken mal wieder gerade.“ Sie ist auch über die vier Wochen hinaus bereit zum Einsatz auf dem Erdbeeracker. „Wenn die Familie Fies Hilfe braucht, dürfen sie mich gerne anrufen.“

Familie und Freunde im Einsatz

Wolfram, Johannes, Daniel und Petra sind Ernteretter aus dem Familien- und Freundeskreis der Familie Spraul in Oberkirch-Haslach. Wolfram nimmt sogar die Doppelbelastung auf sich. Er arbeitet Schicht, aber in der freien Zeit ist er im Erdbeertunnel. Johannes und Daniel sind Techniker und beide in Kurzarbeit. Die jungen Männer sind erstmals im Erdbeerfeld im Einsatz. „Die erste halbe Stunde geht, aber dann meldet sich der Rücken“, sagt Daniel. Aber für ihn war es selbstverständlich zu helfen. Erstaunt war er darüber, „dass Erdbeeren etwas sehr Filigranes sind.“ Hartes Zupacken ist nicht, sonst gibt es Druckstellen auf den Früchten und sie lassen sich nicht mehr verkaufen. Wolfram erklärt, wie gepflückt wird. Auch er musste erst das Feingefühl für die süßen Früchte entwickeln. Vorsichtig in eine Hand nehmen und am grünen Stängel macht es einmal „Klack und dann ist die Frucht weg vom Strauch, mit dem Grün dran.“

 „Rückenschmerzen sind gratis, die Bräune gibt es obendrauf“, freut sich Petra über ihren schönen Teint, den ihr die Sonne des Renchtals ins Gesicht gezaubert hat. Jeden Tag kommen sie und Wolfram aus Rheinau-Helmlingen in die Vorbergzone zur Erdbeerernte. „Erst wenn man mithilft, sieht man die ganze Arbeit.“ Gearbeitet wird bis 17 Uhr. Vesperpause und Mittagessen gibt es meist auf dem Feld. Jeder bringt sich was mit.

 „Den Fachkräften aus Rumänien kommen wir zwar nicht hinterher“, lacht Daniel. Aber sie geben ihr Bestes die Ernteretter. „Und wir kaufen schon lange regional.“ Auch nach ihrer Zeit als Ernteretter stehen sie bereit. „Wir kommen wieder.“

Sabrina Eventmanagerin

Sabrina ist in Kurzarbeit, denn Events gibt es gerade keine. Also war sie auf der Suche nach einer Arbeit vor der Haustür, „wo ich mit dem Fahrrad hin kann.“ Sie kommt aus Oberschopfheim und vor ihrer Haustür befinden sich die Erdbeertunnel von Wendelin Obrecht, Vorstandsvorsitzender der Obstgroßmarkt Mittelbaden eG. Die hat sie gesehen, recherchiert, wer der Betreiber ist. Ein Telefonanruf genügte und sie war dabei. Sie arbeitet erstmals auf dem Feld, eine neue Erfahrung. „Ich wusste, dass Landwirtschaft kein Zuckerschlecken ist.“ Denn sie haben daheim auch Obstbäume und eine kleine Brennerei. „Aber nach dem ersten Tag auf dem Feld, kam ich abends von der Couch nicht mehr hoch.“ Ihr Arbeitgeber beruhigte sie jedoch. „Ab dem dritten Tag wird es besser.“ Und so war es auch, der Muskelkater ließ nach. „Ich fühle mich wohl im Team“, strahlt sie. Und Wendelin Obrecht lobt: „Sie ist eine wirklich gute Erntehelferin.“ Gepflückt wird von 6 bis 16.30 Uhr. „Jede Beere wird von Hand gepflückt. Da merkt man, was für eine Arbeit dahinter steckt.“

Was sie an Beeren aussortiert, nimmt sie mit heim. „Das gibt frische Erdbeermarmelade. Die ist meist schneller weg als neue nachkommt.“ Sie ist froh, dass sie diese Arbeit gewählt hat. Wer natürlich nur an einem Tag in der Woche und für wenige Stunden arbeiten will, hat es schwerer. Da ist dem Landwirt nicht gedient. Ihr Fazit fällt dennoch deutlich aus. „Wer Erntehelfer machen will und auf Kompromisse eingeht und zeitlich flexibel ist, findet einen Job.“  Jederzeit würde sie wiederkommen, freut sich aber auch wieder auf ihre Arbeit bei der Scheibel Schwarzwald-Brennerei in Kappelrodeck, wenn sie wieder Tastings organisieren darf.

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