Wie sah die Ernährung in der Bronzezeit auf der südlichen Iberischen Halbinsel aus? Isotopenanalysen liefern neue Erkenntnisse zur Lebensweise der Kultur von El Argar (2200 – 1550 v. Chr.). Nicht nur menschliche Knochen dienten als wichtige Quelle, sondern erstmals gelang es den Forschern, die komplette Nahrungskette zu entschlüsseln. Dabei treten unter anderem soziale Unterschiede bei der Ernährung zum Vorschein. Nach mehrjähriger Arbeit werden die Ergebnisse jetzt im internationalen Wissenschaftsmagazin PLOS ONE veröffentlicht. Beteiligt sind Experten der Universitäten von Barcelona und Lleida (Spanien), Krems (Österreich) und Mainz (Deutschland) sowie vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie, einer Forschungseinrichtung der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Deutschland).

Die bronzezeitliche Kultur von El Argar (2200 – 1550 v. Chr.) im Südosten der Iberischen Halbinsel ist ein herausragendes Beispiel einer frühen komplexen Gesellschaft. In einer der heute trockensten Regionen Europas errichteten starke soziale Eliten frühstädtische befestigte Siedlungen auf Bergkuppen. Umfangreiche Vorratsfunde und Lagereinrichtungen dokumentieren, dass der Anbau von Gerste und Weizen zu den wirtschaftlichen Schlüsselfaktoren gehörte, die den Fortbestand der Bevölkerung langfristig sicherten. Professor Dr. Roberto Risch (Archäologe an der Universität von Barcelona und Projektleiter) erläutert: „Die steilen Hänge der Hügel boten eher schlechte Bedingungen für die landwirtschaftliche Produktion. Eine nachhaltige Versorgung der Bevölkerung basierte deshalb wohl auf der Umverteilung der Ernten aus den fruchtbaren Tälern und Ebenen.“ Zu den bemerkenswertesten Befunden der Siedlungen gehören zahlreiche menschliche Bestattungen. „Die gut erhaltenen Knochen und Zähne sind hervorragende Quellen für bioarchäologische Untersuchungen, die uns tiefgründige Einblicke in die Lebensweise der bronzezeitlichen Bevölkerung geben.“ ergänzt Professor Dr. Kurt W. Alt, projektleitender Anthropologe an der Universität Krems.

Ein Team der Universitäten von Barcelona und Lleida (Spanien), Krems (Österreich) und Mainz (Deutschland) sowie vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie, einer Forschungseinrichtung der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Deutschland), hat nun mittels stabiler Isotopenanalysen die Ernährung der Bevölkerung von zwei Siedlungsplätzen untersucht. La Bastida (Totana, Murcia) war ein befestigtes städtisches Zentrum mit ca. 1000 Einwohnern, während Gatas (Turre, Almería) mit ca. 300 Bewohnern deutlich kleiner war. „Stickstoff- und Kohlenstoff-Isotopenanalysen sind ein etabliertes Verfahren zur Erforschung der Ernährungsgewohnheiten in der Vergangenheit. Das besondere an der nun veröffentlichten Untersuchung ist, dass nicht nur Proben aus den Knochen der Menschen, sondern auch von verkohlten Körnern von Gerste und Weizen sowie Knochen verschiedener Haustierarten analysiert werden konnten. Damit sind alle Stufen der damaligen Nahrungskette vertreten.“ berichtet Erstautorin Dr. Corina Knipper vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim.

Die Zentralsiedlungen wurden mit Getreide versorgt, das zahlreiche Höfe ihres Umlandes ohne künstliche Bewässerung und mit geringer bis moderater Düngung anbauten. In La Bastida, der größeren der beiden Fundstellen, dienten die Nebenprodukte des Getreideanbaus, wie das Stroh, oder sogar die Getreidekörner selbst zur Fütterung der Haustiere. Wahrscheinlich weideten die Tiere auf den abgeernteten Feldern und sorgten so für deren Düngung. Dies ist auch in Gatas feststellbar, jedoch in deutlich geringerem Ausmaß.

Die Nahrung der Menschen basierte im Durchschnitt zu fast 80% auf Getreide, insbesondere auf Gerste. Dazu kamen Fleisch und Milchprodukte. Der Zugang von Männern und Frauen zu den unterschiedlichen Nahrungsressourcen war sehr ausgeglichen. „Beide Geschlechter verzehrten ähnliche Anteile von Fleisch, Milchprodukten und Getreide.“ betont Alt. Deutlicher spiegelt sich hingegen die soziale Differenzierung wider. „Die Isotopendaten aller drei Individuen aus La Bastida, die anhand ihrer Grabausstattung der am höchsten gestellten soziale Gruppe zugewiesen wurden, zeigen, dass die soziale Elite zu Lebzeiten Zugang zu hochwertigeren Lebensmitteln hatte als weniger privilegierte Personen. Außerdem sehen wir Anzeichen für einen Rückgang des Anteils tierischer Proteine an der menschlichen Nahrung im Laufe der Zeit – ein möglicher Hinweis auf eine Übernutzung der Ressourcen, Verschlechterung der Versorgung und letztendlich ein Beitrag zum Ende der sozio-politischen Struktur der El-Argar-Kultur.“ erklärt Risch.

Analysen an den zahlreich überlieferten Kinderknochen sprechen für das Stillen mit Muttermilch bis ins Alter von ca. 1,5 Jahren und möglicherweise erhöhten stoffwechselbedingten Stress an der Fundstelle von Gatas. Die Studie verdeutlicht die Erkenntnismöglichkeiten moderner Analytik in der Archäologie. Knipper stellt fest: „Entscheidend ist nicht nur die Untersuchung der menschlichen Überreste, sondern auch das Einbeziehen von Vergleichsproben möglichst vieler verschiedener ehemaliger Nahrungsmittel sowie die Deutung der Daten unter Berücksichtigung des archäologischen und sozialgeschichtlichen Kontexts“.

Original-Artikel: Corina Knipper, Cristina Rihuete-Herrada, Jordi Voltas, Petra Held, Vicente Lull, Rafael Micó, Roberto Risch, Kurt W. Alt. Reconstructing Bronze Age diets and farming strategies at the Early Bronze Age sites of La Bastida and Gatas (southeast Iberia) using stable isotope analysis. PLOS ONE, DOI

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