Angesichts der im Juli 2020 beginnenden EU-Ratspräsidentschaft der Bundesregierung fordern die Unterzeichnenden die Bundesregierung auf, ihren bestehenden Verpflichtungen für Kinder nachzukommen und auch auf europäischer Ebene voranzutreiben. Wie die derzeitige Lage in Griechenland aber auch an anderen Grenzen in Europa zeigt, ist das aktuell bestehende System nicht in der Lage, Kindern und Familien Schutz zu bieten.
Das muss sich dringend ändern: ECPAT Deutschland e.V. und die Mitunterzeichnenden fordern, Kindeswohl bei unter 18-Jährigen vorrangig zu berücksichtigen, bei Minderjährigen keine Haft und freiheitsbeschränkenden Maßnahmen vorzunehmen, beschleunigte Familienzusammenführung innerhalb der EU, unverzügliche Verteilung von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen, Schulungen für Grenzbeamt_innen zu Grundlagen des Kindesschutzes, Einführung eines unabhängigen Monitoringmechanismus und Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht.
ECPAT Deutschland ist dabei in besonderer Sorge um eine Unterscheidung in eine vermeintlich schützenswerte jüngere Gruppe der unter 14-Jährigen und eine vermeintlich weniger vulnerable Gruppe der 14-18-Jährigen. Obgleich beispielsweise das deutsche Recht in bestimmten Aspekten zwischen Kindern und Jugendlichen unterscheidet, haben sich fast alle Staaten der Welt zur Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet. Demnach gelten verstärkte Schutz-, Förderungs- und Partizipationsrechte für alle jungen Menschen bis 18 Jahren. Ein Blick auf die Situation der im November 2019 registrierten 5.200 unbegleiteten Minderjährigen in griechischen Flüchtlingsunterkünften zeigt: 92,3 Prozent von ihnen waren 14-18 Jahre alt, 93,1 Prozent der unbegleiteten Geflüchteten waren Jungen. Dass gerade 14 bis 18-jährige geflüchtete Jungen extremen Risiken ausgesetzt sind, verdeutlicht eine Studie von ECPAT International (Dezember 2019). Jungen sehen sich durch die Zwangslage der Migration gezwungen, sich zur Finanzierung ihres Überlebens und der Weiterreise zu prostituieren, oder sie werden Opfer von kriminellen Banden, die Kinder in sexuelle Ausbeutung bringen. Dr. Dorothea Czarnecki, Referentin für Schutz von Kindern vor Handel und Ausbeutung bei ECPAT Deutschland, warnt: „Aufgrund der schwachen Schutzmechanismen für Kinder und Jugendliche in Griechenland und den südosteuropäischen Staaten besteht besonders in Flüchtlingslagern das Risiko, dass Pädokriminelle, Menschenhändler_innen und andere Ausbeuter_innen die chaotische Situation nutzen und sich gezielt geflüchteten Kindern nähern oder sie zur sexuellen Ausbeutung rekrutieren.“
Flüchtlingslager sind kein Ort für Kinder unter 14 Jahren, über 14 Jahren, ob Junge, Mädchen oder jedweden anderen Geschlechts.
Die Bundesregierung fordert in ihrer Positionierung zur Neuausrichtung des GEAS ein Außengrenzverfahren, das einer Verteilung auf die EU Staaten für alle Flüchtlinge und Migrant_innen vorgelagert sein soll. Aufgrund der bereits erwähnten Erfahrungen auf den griechischen Inseln, auf denen ein Außengrenzverfahren in Form der “Hotspots” gerade durchexerziert wird, bezweifelt ECPAT Deutschland wie auch die weiteren unterzeichnenden Organisationen, dass schnelle Entscheidungen in derartigen Außengrenzverfahren möglich sein werden.
Der Offene Brief der National Coalition findet sich auf der Homepage https://www.netzwerk-kinderrechte.de/ sowie auf unserer Webseite https://ecpat.de/
Die Studie von ECPAT International zur Lage der minderjährigen Geflüchteten in den griechischen Lagern finden Sie unter: https://www.ecpat.org/wp-content/uploads/2019/11/ECPAT-Country-Overview-Report-Greece-2019.pdf
Weitere Informationen und Presseanfragen an:
ECPAT Deutschland e.V. – Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung
Dr. Dorothea Czarnecki – Alfred-Döblin-Platz 1, 79100 Freiburg – Mobil: 0177-4980882 – E-Mail: czarnecki@ecpat.de – www.ecpat.de
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