Die Gründe und Motive für einen Neuanfang in Deutschland sind vielschichtig – einige Teilnehmer waren gerne dazu bereit, über ihre Motivationen und Wünsche zu sprechen.
Eine Trennung bewegte Mihai dazu, Rumänien den Rücken zu kehren und seinen Beruf als Grenzpolizist aufzugeben. Er kam vor einem Jahr nach Deutschland, nachdem er sechs Jahre auf Korsika lebte und arbeitete. In den letzten beiden Jahren in Frankreich war er auf drei Jobs gleichzeitig angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten – bis es ihn nach Deutschland zog. Diesen Schritt wagte er, obwohl seine Freunde skeptisch waren: „Sie sagten, hier sind alle so kühl. Aber ich habe noch keinen gefunden. Im Gegenteil, alle sind sehr nett“, beschreibt Mihai seine Erfahrungen. Vieles erinnere ihn an seine Heimat: „Hier gibt es viel Wald, wie in den Bergen von Rumänien. Und auch Bratwürste und Glühwein haben mir auf Korsika gefehlt“, ergänzt Mihai. In Rumänien hat Mihai ein elektrotechnisches Abitur abgelegt. „So etwas möchte ich wieder machen. Elektrotechnik, Software oder Telekommunikation interessieren mich sehr“, erzählt Mihai, der gerne parallel zum weiterführenden B2-Kurs ein Orientierungspraktikum machen möchte.
Ieva, die gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter aus Lettland nach Deutschland kam, mag die Adventszeit und die schönen Weihnachtsmärkte. Für sie ist der Integrationskurs, den die beiden Dozentinnen Laura Gastgeb-Benshi und Käthe Wildner leiteten, sehr wichtig, denn nur dann werden ihre Zeugnisse anerkannt. „Ich bin Krankenschwester und Pharmazeutisch-Technische Assistentin und ohne Anerkennung und Integrationskurs kann ich nur als Helferin arbeiten“, erzählt Ieva. Die Architektur in Deutschland erinnere sie an Lettland, „aber dort gibt es keine Fachwerk-Häuser“, sagt sie. Deren Anblick entschädigt eventuell etwas für den einzigen Nachteil, den ihr neuer Wohnort Herbstein und der Vogelsbergkreis in ihren Augen haben: „Es gibt kein Meer – das Wasser fehlt mir sehr. Das ist in Lettland nie weit weg.“
Koordiniert werden die Kurse an der vhs im Auftrag des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Zuständig für die Koordinierung der Integrationskurse ist Monika Wüllner, eine der zwei Fachbereichsleitungen Deutsch, Deutsch als Fremdsprache und Alphabetisierung. „Im Laufe des Jahres fanden in der vhs 13 Prüfungen für Integrationskurse statt“, sagt Monika Wüllner. „Uns geht es darum, die Menschen gut zu begleiten und die ständig aufwendiger werdende Bürokratie weitgehend dort zu lassen, wo sie hingehört – im Büro.“ Es gehe darum, den Menschen die Teilnahme am Leben zu ermöglichen und sie darin zu unterstützen, ihre Kinder erfolgreich durch die Schule zu bringen. „Wir sind sehr stolz auf die guten Ergebnisse. Mehr als 70 Prozent unserer Teilnehmenden erreichten zum Beispiel im gerade beendeten Kurs das Sprachniveau B1“, fügt die Fachbereichsleitung an. Ein Ergebnis das 2019 auch über alle Allgemeinen Integrationskurse hinweg erreicht wurde. Nach dem bestandenen Sprachtest „Deutsch-Test für Zuwanderer“ und wenn die Prüfung im Orientierungskurs „Leben in Deutschland“ erfolgreich absolviert ist, erhalten Teilnehmer das „Zertifikat Integrationskurs“. Dies ist eine der Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis oder sogar die Einbürgerung.
Auch Rami hat die Sprachprüfung abgelegt „Seit drei Jahren arbeite ich bei einer Elektrofirma. Deutsch habe ich so nebenbei von meinen Kollegen gelernt“, erzählt er mit einem breiten Vogelsberger Einschlag. Reden kann er, als wäre er im Vogelsberg aufgewachsen – nun brauchte er noch das Zertifikat für eine Ausbildung zum Elektriker, die er absolvieren möchte.
Amir kommt aus dem Iran und hat dort als Regisseur und Schriftsteller gearbeitet und sich mit Themen wie Politik, Geschichte und dem christlichen Glauben beschäftigt. Mit seinen Geschichten eckte er an – und musste vor dem Regime in Teheran fliehen und landete schließlich in Herbstein. Nach einigen Praktika möchte er nach dem Kurs gerne eine Ausbildung machen – vielleicht als Drucker, um doch noch seine Bücher zu veröffentlichen, wie er sagt.
Genau wie Mihai hat auch Denisa rumänische Wurzeln. Sie wurde in Hannover geboren, ist aber in Rumänien aufgewachsen. Ihre Eltern hätten oft von Deutschland gesprochen, sagt sie. „Ich war neugierig. Ich wollte immer dahin zurück, wo ich geboren wurde“, erzählt Denisa. Den Kurs hat sie sehr ernst genommen: „Ich wollte nicht zehn Jahre hier leben und nur ‚Guten Morgen‘ sagen können“, sagt sie. Dass ihr Elan belohnt wurde, zeigt ihr Testergebnis, denn „Denisa fehlen nur zwei Punkte für 100 Prozent“, berichtet Monika Wüllner.
Der für die Volkshochschule zuständige Dezernent Dr. Jens Mischak wünschte den Absolventen für die Zukunft alles Gute. „Die motivierte Art und Weise, mit der Sie den Kurs absolviert haben, macht mich zuversichtlich, dass Sie Ihre gesetzten Ziele erfüllen und zuversichtlich in die Zukunft blicken können“, sagte Dr. Mischak im Rahmen der Verleihung der Zertifikate.
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