Zwei Fragen reichen
Zentrale Überlegung bei der Diagnostik: Sind die Beschwerden des Patienten körperlich bedingt oder durch eine depressive Störung verursacht? Die Behandlungsleitlinie empfiehlt Ärzten, aktiv nach dem psychischen Befinden zu fragen.
Der sogenannte „Zwei-Fragen-Test“ kann erste Hinweise geben:
Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?
Dr. Lars P. Hölzel, Leitender Psychologe der Oberberg Parkklinik Schlangenbad, forscht seit Jahren zur Behandlung depressiver Störungen: „Mithilfe dieser beiden Fragen kann eine Depression früh erkannt werden.“ Lautet die Antwort zweimal „Ja“, ist eine klinische Erfassung aller Diagnosekriterien erforderlich. Der routinemäßige Einsatz in Form eines Standard-Massenscreenings wird allerdings nicht empfohlen, da Zeit und Nutzen laut Leitlinie nicht in Relation stehen. „Erst, wenn sich Hinweise bei der Schilderung der Beschwerden ergeben, sollte nachgefasst werden. Wichtig ist es, für mögliche psychische Ursachen sensibilisiert zu sein und bei unklaren Beschwerden nicht zu lange bei einer rein körperlichen Diagnostik zu bleiben“, empfiehlt Dr. Hölzel.
Depression ist keine Frage des Alters
Laut aktuellen Untersuchungen leiden acht von hundert Menschen unter einer Depression. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. In der Hausarztpraxis sind etwa zehn Prozent der Patienten von einer Depression betroffen. Etwa die Hälfte der Menschen, die zum ersten Mal an einer depressiven Störung erkranken, ist nicht älter als 30 Jahre. Aber auch Menschen im höheren Lebensalter können plötzlich depressiv werden.
Vielfältige Risikofaktoren
Studien zeigen: Fehlende oder konfliktbehaftete zwischenmenschliche Beziehungen sind ebenfalls Risikofaktoren. So erkranken Alleinstehende deutlich häufiger an depressiven Störungen. Wer an Diabetes, kardiovaskulären oder neurologischen Erkrankungen leidet, hat zudem ein erhöhtes Risiko für einen schlechteren Krankheitsverlauf im Sinne einer chronischen Depression.
Die Entwicklung einer Depression lässt sich allerdings nicht monokausal erklären, sie entsteht aus einer Wechselwirkung von verschiedenen biologischen, psychologischen und sozialen Variablen. Folglich gibt es auch nicht die eine Therapie, die bei allen wirkt. Stattdessen wird die Therapieempfehlung individuell auf jeden Patienten zugeschnitten und reicht von ambulanten bis zu stationären Behandlungen.
Wenn das morgendliche Aufstehen einem Kraftakt gleicht…
Die drei Schweregrade der Depression
Depressionen haben ein vielfältiges Erscheinungsbild und eine unterschiedliche Intensität. Nach dem international gültigen Klassifikationssystem ICD-10 (International Classification of Diseases) werden Depressionen in drei Schweregrade eingeteilt. Abhängig davon, wie viele Haupt- und Zusatzsymptome zusammen auftreten, spricht man von einer leichten, mittelgradigen oder schweren Depression.
Hauptsymptome
– gedrückte, depressive Stimmung
– Interessenverlust, Gleichgültigkeit
– Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit
Zusatzsymptome
– Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
– Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
– Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
– Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
– Suizidgedanken und -handlungen
– Verminderter Appetit
Treten mindestens zwei Hauptsymptome gemeinsam mit zwei Zusatzsymptomen auf, sprechen Fachleute von einer leichten Depression. Eine mittelgradige depressive Phase beinhaltet zwei Hauptsymptome und zusätzlich drei, höchstens vier weitere Symptome. Liegen alle drei Hauptsymptome und mindestens vier Zusatzsymptome vor, die über einen Zeitraum von zwei Wochen und länger anhalten, handelt es sich um eine schwere Depression.
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